Babylonien

[365] Babylonien, das Land im untern Flußgebiet des Euphrat und Tigris, vom pers. Meerbusen bis zur med. Mauer, die es von Mesopotamien trennte, im Westen und Osten von unbestimmter Ausdehnung, öfters geradezu für Assyrien gesetzt. B. ist ein Ausgangspunkt der ältesten Cultur, wie die Bibel bezeugt und die neuen Forschungen mehr und mehr bestätigen. Nach der myth, Periode, die ungeheuere Zahlenreihen aufweist, beginnt die historische, in welcher nach Berosus, dem babyl. Priester und Geschichtschreiber, 86 Könige geherrscht haben. Dann folgt die Zeit der Fremdenherrschaft, der Meder, Araber und Assyrer bis zum 7. Jahrh. vor Chr.; von 608–538 ist Babylon unter den Chaldäern wieder unabhängig und unter Nebukadnezar den Völkern Asiens bis Palästina und Aegypten furchtbar; 538 v. Chr. fiel es aber in die Gewalt des Cyrus und wurde pers. Satrapie, die größte und reichste; unter der griech.-syr., parth. und neupers. Herrschaft wie unter den Khalifen erhielt sich die alte Cultur wenigstens theilweise, bis B, durch die Verwüstungen der Türken, Mongolen, Araber und Perser, die sich um seinen Besitz stritten und den Verfall des ostind.-mittelasiat. Handels zur Wüste wurde. Das Land war einst von Kanälen durchschnitten, welche das Hochwasser der Ströme ableiteten und zur Befruchtung der Felder benützt wurden; es trug Getreide und Datteln im Ueberfluß, hatte aber an Bauholz und Bausteinen Mangel. Die Hauptstadt Babylon, die uralte Stadt, erbaut als Centralstadt von den mittelasiat. Stämmen, später von Nebukadnezar erweitert, lag an beiden Seiten des Euphrat, als ein Viereck, von dem jede Seite drei deutsche Meilen maß; sie war mit einer Mauer umschlossen, deren Höhe 200, die Dicke 30 Ellen betrug; 250 Thürme verstärkten sie, 100 eherne Thore führten aus und zu der Stadt. Auf der Westseite des Euphrat war die alte [365] Königsburg, mit dreifacher Mauer umgeben, deren äußerste 11/2, die andere 1, die innere 1/2, deutsche Meile im Umfange hatte; der Tempel des Bel mit dem Thurm, der mit einem Durchmesser von 600' an der Basis sich in acht Terassen ungefähr zu der gleichen Höhe erhob; von außen angebrachte Treppen, die rundum gingen, führten zu seiner Spitze. Die östl. Stadt war mit der westl. durch eine Brücke aus Quadern und (nach Diodor) durch einen Tunnel verbunden; in ihr lag der Palast des Nebukadnezar der alten Königsburg gegenüber; die hängenden Gärten der Semiramis waren nach Berosus von Nebukadnezar für seine med. Gemahlin gebaut. Die neue Glanzzeit B.s durch Nebukadnezar dauerte nicht lange; schon 538 eroberte Cyrus die Stadt und zerstörte einen Theil; bei einer Rebellion gegen Darius Hystaspis traf sie noch härtere Strafe und die Mauern wurden theilweise geschleift. Alexander der Große hatte B. zur Hauptstadt seines Weltreiches bestimmt, aber die griech.-syr. Nachfolger desselben, die Seleuciden, vernachläßigten Babylon und ruinirten es durch die Erbauung von Seleucia, das nun den Handelsverkehr Mittelasiens an sich zog. B. zerfiel und unter der parth. Herrschaft war die Stadt öde, ein Aufenthalt der wilden Thiere; das ihr von den Propheten als Strafe für die Unterdrückung anderer Völker und ihre Ausschweifungen verkündete Schicksal hatte sich in seinem ganzem Umfange erfüllt. Die Stätte B.s ist durch unabsehbare Schutthaufen bezeichnet; die Thonerde der ungebrannten Backsteine ist zu Hügeln verwittert, deren hervorragendster Birs Nimrud, als der Rest des Belsthurmes gilt. Die Trümmer sind erst seit Rich (1818) untersucht; seitdem haben Rawlinson und Layard vieles zu Tage gefördert, namentlich eine Masse von Inschriften in Keilschrift, die wissenschaftliche Ausbeute ist aber noch nicht vollendet, da die Schrift noch nicht ganz entziffert ist.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 365-366.
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