Thierischer Magnetismus

[463] Thierischer Magnetismus (vergl. Mesmer), die Einwirkung des Nervenlebens eines Menschen auf einen andern zum Zweck der Heilung. Diese Einwirkung verlangt durchaus nicht in allen Fällen ein Streichen mit den Fingerspitzen des Magnetiseurs, sondern schon das Ausstrecken der Hände, das Anhauchen, das Fixiren mit den Augen etc. genügt manchmal, um magnetische Zustände hervorzubringen; diese bestehen anfänglich in unangenehmen körperlichen Empfindungen, z.B. Beklemmung und Kälte, hierauf verschwindet die Thätigkeit der äußeren Sinne fast gänzlich, es tritt der sogen. magnetische Schlaf ein, wo die Seelenthätigkeit sich auf eigenthümliche Weise offenbart, namentlich darin, daß sie das schaut, was bei offenen Augen durch räumliche Entfernung oder durch undurchsichtige Medien nicht erblickt werden kann. Dieser krankhafte Nervenzustand mit seinen mannigfaltigen unerklärten Erscheinungen, bei welchen jedenfalls das Gangliensystem eine Hauptrolle spielt, wird fortwährend von vielen Aerzten geradezu geleugnet, ohne daß sie sich nur die Mühe nehmen, vorkommende Fälle zu beobachten, während wieder andere aus Wundersucht u. Unvorsichtigkeit den krankhaften Zustand unnatürlich steigern und seine Erscheinungen stören, dieselben aber dennoch als im regelmäßigen Verlauf entwickelt ansehen und damit sich und andere betrügen; überdies ist wirklich schon viel absichtlicher Betrug gespielt worden – und aus allen diesen Ursachen steht der thierische Magnetismus noch immer wie eine Art Gespenst da, welches die einen leugnen möchten u. nicht recht leugnen können, die andern als etwas Uebernatürliches ansehen, und nur wenige als eine außerordentliche physiologische Erscheinung beobachten.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 463.
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