Apagogé

[52] Apagogé (gr. apagôgê, lat. deductio) heißt nach Aristoteles (Analyt. prior. II, 25, p. 69 a 20) ein Schluß folgender Art: Wenn ein erster Begriff ein Merkmal eines zweiten Begriffs ist und es zwar nicht feststeht, daß der zweite Begriff ein Merkmal des dritten ist, aber dies doch gleich wahrscheinlich oder noch mehr wahrscheinlich ist, als der zu folgernde Schlußsatz (nämlich daß der erste ein Merkmal des dritten sei), so heißt das Schlußverfahren Apagoge, z. B. : Es sei 1=lehrbar, 2=Wissen, 3=Gerechtigkeit. Dann steht fest: 1. das Wissen ist lehrbar, es steht aber nicht fest, 2. daß die Gerechtigkeit ein Wissen ist. Doch ist dies ebenso wahrscheinlich, oder wahrscheinlicher, als daß die Gerechtigkeit lehrbar ist. Wir schließen also, 3. daß die Gerechtigkeit lehrbar sei, durch den nicht sicher feststehenden zweiten Satz hindurch. Apagoge ist also ein Schluß aus sicherem Obersatz und einem Untersatz, der zwar nicht gewiß ist, aber mindestens ebenso gewiß oder gewisser ist als die Folgerung. Die Apagoge hat natürlich nichts völlig Überzeugendes an sich, sondern gehört zu den rhetorischen Schlüssen; ohne strenger Beweis zu sein, erweckt sie doch Glauben. – Apagogischer Beweis (demonstratio apagogica, apagôgê eis adynaton, deductio ad absurdum) heißt s. a. indirekter Beweis, also ein Schlußverfahren, in welchem man die Wahrheit einer Behauptung aus der Falschheit ihres Gegenteils beweist. Der bloße apagogische Beweis ist aber nur ein Beweis von beschränktem[52] Werte, ganz abgesehen von den Sophistereien, die dabei oft unterlaufen. Er führt zwar zur Gewißheit, aber nicht zur Einsicht in die Gründe.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 52-53.
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