Das XIX. Kapitel.

[77] Was Springinsfeld vor einem Lehrmeister gehabt, bis er zu seiner Perfektion kommen.


Und noch ein anders mußt du auch wissen, Simplice! Nicht nur ich gieng den oben erzählten Weg, sondern auch mein Springinsfeld (den du allerdings vor deinen besten Kameraten und vor einen braven Kerl in deiner Lebensbeschreibung gerühmt hast) mußte mir auch folgen. Und was wollts gehindert haben oder vor ein großes Meerwunder gewesen sein, sintemal andere meinesgleichen lose Weiber ihre liederliche Männer (wann ich anders Männer sagen darf, ich hätte aber[77] schier »fromme Männer« gesagt) eben zu dergleichen losen Stücken vermögen (ich will nicht sagen: zwingen), ob sie gleich bei ihrer Vermählung keinen solchen Akkord eingangen, wie Springinsfeld getan? Höre die Histori:

Als wir vor dem berühmten Casal lagen, fuhren ich und Springinsfeld in eine benachbarte Grenzstadt, die neutral war, Victualia einzukaufen und in unser Läger zu bringen. Gleichwie nun aber ich in dergleichen Fällen nicht allein ausgieng, als ein Nachkömmling der hierosolymitanischen Burger zu schachern, sondern auch als ein cyprianische Jungfrau meinen Gewinn zu suchen, als hatte ich mich auch wie eine Jesebell herausgebutzt und galte mir gleich, ob ich einen Ahab oder Jehu verführen möchte. Zu solchem Ende gieng ich in eine Kirche, weil ich mir sagen lassen, die meinste Buhlschaften würden in Italia an solchen heiligen Ortern gestiftet und zu Faden geschlagen, aus Ursach, daß man die schöne Weiber daselbsten, so liebeswürdig zu sein scheinen, sonst nirgends hinkommen lasse. Ich kam neben eine junge Dame zu stehen, mit deren Schönheit und Schmuck ich zugleich eiferte, weil mich derjenige nicht ansahe, der ihr so manchen liebreichenden Blick schenkte. Ich gestehe es, daß mich im Herzen verdroß, daß sie mir vorgezogen und ich vor einem Leimstängler gegen ihr, wie ich mir einbildete, verachtet werden sollte! Solcher Verdruß, und daß ich mich zugleich auf eine Rache bedacht, war meine größte Andacht unter dem ganzen Gottesdienst. Ehe nun solcher gar geendigt war, stellte sich mein Springinsfeld auch ein. Ich weiß aber darum nit, warum, kann auch schwerlich glauben, daß ihn die Gottesfurcht dahin getrieben, dann ich hatte ihn nicht darzu gewöhnet; so wars ihm auch weder angeborn noch aus Lesung der heiligen Schriften oder Hörung der Predigten eingepflanzt. Nichtsdestoweniger stellte er sich neben mich und kriegte den Befehl von mir in ein Ohr, daß er Achtung geben sollte, wo gemeldte Dame ihre Wohnung hätte, damit ich des überaus schönen Smaragds, den sie am Hals hatte, habhaft werden möchte.

Er tät seinem schuldigen Gehorsam gemäß wie ein treuer Diener und hinderbrachte mir, daß sie eine vornehme Frau eines reichen Herrn wäre, der sein Palatium an den Markt stehen hätte. Ich hingegen sagte ihm ausdrücklich, daß er fürderhin weder meiner Huld länger genießen noch meinen Leib einigmal mehr berühren sollte, es wäre dann Sach, daß er mir zuvor ihren Smaragd einhändigte, worzu ich ihm aber sichere Anschlag, Mittel und Gelegenheit an die Band geben wollte. Er kratzte sich zwar hinder den Ohren und entsetzte sich vor meinem[78] Zumuten als wie vor einer unmüglichen Sach; aber da es lang herumgieng, erklärt er sich, meinetwegen in Tod zu gehen.

Solchergestalt, Simplice, hab ich deinen Springinsfeld gleichsam wie einen jungen Wachtelhund abgerichtet. Er hatte auch die Art darzu und vielleicht besser als du, wäre aber nimmermehr von ihm selbsten zu einem solchem Ausbund worden, wann ich ihn nicht in meiner Schul gehabt hätte.

Eben damals mußte ich mir wieder einen neuen Stiel in meinen Fausthammer machen lassen, welchen ich beides, vor ein Gewehr und einen Schlüssel, brauchte, der Bauren Trög oder Kästen zu öffnen, wo ich zukommen konnte; ich ließe denselben Stiel inwendig hohl drehen in gemessener Weite, daß ich entweder Dukaten oder eine Schiedmünz in selbiger Größe hineinpacken möchte; dann weil ich selbigen Hammer jederzeit bei mir zu haben pflegte (indem ich weder ein Degen dorfte oder ein paar Pistolen mehr führen wollte), so gedachte ich, ihn inwendig mit Dukaten zu spicken, die ich auf alle Glücks- oder Unglücksfäll (deren es unterschiedliche im Krieg abgibt) bei der Hand hatte. Da er fertig, probierte ich seine Weite mit etlichen Lutzern, die ich zu mir genommen, solche um ander Gelt zu veralienieren; die Hohle meines Stabs hatte eben die Weite ihres Bezirks, doch also eng und beschnitten, daß ich sie, die Lutzer, um etwas hineinnötigen mußte, doch bei weitem nicht so stark, als wann man eine halbe Kartaunen laden tut. Ich konnte aber den Stiel nicht damit ausfüllen, weil ihrer zu wenig waren, dahero kams gar artlich, daß, wann die Lutzer gegen dem Hammer lagen und ich das Eisen in der Hand hatte, mich des Stiels anstatt eines Steckens zu gebrauchen, daß zuweilen, wann ich mich darauf steuerte, etlich Lutzer herunter gegen der Handhaben klunkerten und ein dünsteres Geklingel machten, welches seltsam und verwunderlich genug lautet, weil niemand wußte, woher das Getön rührete. Was darfs vieler weitläuftigen Beschreibung? Ich gab meinem Springinsfeld den Fausthammer mit einer richtigen Instruktion, welchergestalt er mir den Smaragd damit erhandeln sollte.

Darauf verkleidet sich mein Springinsfeld, fetzt eine Parücke auf. wickelt sich in einem entlehnten schwarzen Mantel und tat zween ganzer Tag nicht anders, als daß er gegen der Damen Palatio hinüberstunde und das Haus vom Fundament an bis übers Dach hinaus beschauete, gleichsam als ob ers hätte taufen wollen. So hatte ich auch einen Tambour im Taglohn bestellt, welcher ein solcher Erzessig war, mit dem man andere Essig hatte sauer machen können; der dorfte auch sonst im geringsten nichts[79] tun, als auf dem Platz herumvagieren und auf meinen Springinsfeld Achtung zu geben, wann er etwan seiner notwendig bedürfte; dann der Vogel redete so gut Italienisch als Teutsch, welches aber jener nicht konnte. Ich selbsten aber hatte ein Wasser, hier ohnnötig zu nennen, durch einen Alchimisten zuwegen gebracht, das in wenig Stunden alle Metalla durchfrißt und mürb macht oder wohl gar auch zu Wasser resolviert; mit demselben bestrich ich ein stark Gegitter vor einem Kellerloch. Als nun den dritten Tag Springinsfeld noch nit abließe, das Haus anzugaffen wie die Katz ein neu Scheuertor, siehe, da schickte angeregte Dame hin und ließe fragen um die Ursach seines kontinuierlichen Dastehens, und was er an, ihrem Haus auszukundschaften hätte. Springinsfeld hingegen liehe bemeldten Tambour kommen und dolmetschen, daß ein solcher Schatz im Hause verborgen läge, den er nicht allein zu erheben, sondern auch eine ganze Stadt damit reich zu machen getrauete. Hierauf ließe die Dame beides, den Springinsfeld und den Tambour zu sich ins Hause kommen, und nachdem sie wieder von dem verborgenen Schatz Springinsfelds Lügen angehört und große Begierten geschöpft, solchen zu holen, fragte sie den Tambour, was dieser vor einer wäre, ob er ein Soldat sei und dergleichen etc. »Nein,« antwortet der Tausendschelm, »er ist ein halber Schwarzkünstler, wie man sagt, und hält sich nur zu dem Ende bei der Armee auf, damit er verborgene Sachen finde, hat auch, wie ich gehöret, in Teutschland auf alten Schlössern ganze eiserne Trög und Kästen voll Gelt gefunden und zuwegen gebracht.« Im übrigen aber seie er, Springinsfeld, ihme, Tambour, gar nicht bekannt.

In Summa, nach langem Diskurs wurde die Glock gegossen und beschlossen, daß Springinsfeld den Schatz suchen sollte. Er begehrte zwei geweihte Wachsliechter, er selbst aber zündete das dritte an, welches er bei sich hatte und vermittelst eines messenen Drahts, der durch die Kerze gieng, auslöschen konnte, wann er wollte. Mit diesen dreien Liechtern giengen die Dame, zween ihrer Diener, Springinsfeld und der Tambour im Haus herumzuleuchten, weil eben der Herr nicht zu Haus war; dann Springinsfeld hatte sie überredet, wo der Schatz läge, da würde seine Kerzen von sich selbst ausgehen. Da sie nun viel Winkel also prozessionsweis durchstrichen und Springinsfeld an allen Orten, da sie hingeleuchtet, wunderbarliche Wörter gebrummelt, kamen sie endlich in den Keller, allwo ich das eiserne Gegitter mit meinem A.R. befeuchtet hatte; da stunde Springinsfeld vor einer Mauer, und indem er seine[80] gewöhnliche Zeremonien machte, zuckte er sein Liecht aus: »Da! da!« ließe er durch den Tambour sagen, »liegt der Schatz eingemauret!« brummelte darauf noch etliche närrische Wörter und schlug etlichmal mit meinem Fausthammer an die Mauer, davon die Lutzer nach und nach, so manchen Streich er an die Mauer tat, herunterrollten und ihr gewöhnliches Getön machten. »Höret ihr,« sagte er darauf, »der Schatz hat übermal verblühet, welches alle sieben Jahr einmal geschieht. Er ist zeitig und muß ausgenommen werden, dieweil die Sonne noch im Igel gehet, sonst wirds künftig vor Verfließung anderer sieben Jahr umsonst sein.« Weil nun die Dame und ihre beide Diener 1000 Eid geschworen hätten, das Geklingel wäre in der Mauer gewesen, als stellten sie meinem Springinsfeld völligen Glauben zu, und die Dame begehrte an ihn, er wollte um die Gebühr den Schatz erheben, wollte auch gleich um ein Gewisses mit ihm akkordiern. Als er sich aber hören ließe, er pflege in dergleichen Fällen nichts zu heischen, noch zu nehmen, als was man ihm mit gutem Willen gebe, ließe es die Dame auch dabei bewenden, mit Versicherung, daß sie ihn dergestalt kontentiern wollte, daß er damit zufrieden sein würde.

Demnach begehrte er 17 erlesene Körner Weihrauch, vier geweihte Wachskerzen, acht Ellen vom besten Scharlach, einen Diamant, einen Smaragd, einen Rubin und einen Saphir, welche Kleinodien ein Weibsbild beides, in ihrem jungfräulichen und fräulichen Stand am Halse getragen hätte; zweitens sollte er alleinig in den Keller geschlossen oder versperrt und von der Damen selbst der Schlüssel zur Hand genommen werden, damit sie sowohl um ihre Edelgestein und den Scharlach versichert sein, als auch er, bis er den Schatz glücklich zur Hand gebracht, unverhindert und ohnbeschrieen verbleiben möchte. Hierauf gab man ihm und dem Tambour eine Kollation, und ihme, Tambour, wegen seines Dolmetschens ein Trinkgelt. Indessen wurden die begehrte Zugehörungen herbeigeschafft, nach solchen Springinsfeld in Keller verschlossen, woraus unmöglich schiene, einen Kerl zu entrinnen; dann das Fenster oder Tageliecht, so auf die Gaffe oder den Platz gieng, war hoch und noch darzu mit gedachtem eisernen Gegitter wohl verwahret. Der Dolmetsch aber ward fortgelassen, welcher gleich zu mir kam und mich allen Verlauf berichtete.

Weder ich noch Springinsfeld verschliefen die rechte Zeit, darin die Leute am härtesten zu schlafen pflegen, sondern nachdem ich das Gegitter so leicht als einen Rübschnitz hinweggebrochen, ließe ich ein Seil hinunder zu meinem Springinsfeld[81] in Keller und zoge ihn daran samt aller Zugehör zu mir herauf, da ich dann auch den verlangten schönen Smaragd fande.

Die Beut erfreuete mich bei weitem nicht so sehr als das Schelmstück, welches mir so wohl abgangen war. Der Tambour hatte sich bereits den Abend zuvor schon aus der Stadt gemacht, mein Springinsfeld aber spazierte den Tag nach vollbrachter Schatzerhebung mit andern in der Stadt herum, die sich über den listigen Dieb verwunderten, eben als man unter den Toren Anstalt machte, solchen zu erhaschen. Und nun siehe, Simplice, solchergestalt ist deines Springinsfelds Dexterität durch mich zuwegen gebracht und ausgeübet worden. Ich erzähle dir auch dieses nur zum Exempel; dann wann ich dir alle Buben- und Schelmenstück sagen sollte, die er mir zu Gefallen werkstellig machen müssen, so dorfte ich wetten, es würde mir und dir, wiewohl es lustige Schossen seind, die Zeit zu lang werden. Ja, wann man alles beschreiben sollte, wie du deine Narrenpossen beschrieben hast, so würde es ein größer und lustiger Buch abgeben als deine ganze Lebensbeschreibung; doch will ich dich noch ein Kleines lassen hören.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 77-82.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Lotti, die Uhrmacherin

Lotti, die Uhrmacherin

1880 erzielt Marie von Ebner-Eschenbach mit »Lotti, die Uhrmacherin« ihren literarischen Durchbruch. Die Erzählung entsteht während die Autorin sich in Wien selbst zur Uhrmacherin ausbilden lässt.

84 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon