Der Gärtner und sein Herr

[69] Ein Gartenfreund, halb Städter und halb Bauersmann,

Besaß bei einem Dorf ein hübsches Gartenfeld.

Das hat er voller Fleiß bestellt

Mit Ampfer und Salat und was man brauchen kann,

Um Margot Sonntags einen Strauß zu binden:

Jasmin und Quendel waren dort zu finden.

Da dies Idyll ein Hase störte, ging der Mann

Zum Schloßherrn, um darüber Klage vorzubringen.

»Es nimmt«, so sprach er, »abends spät und morgens früh

Dort seinen Wechsel das verfluchte Vieh.

Es spottet aller Schlingen,

Und Steine nicht noch Knüppel können es bezwingen.

Ein Hexenmeister scheint's zu sein!«

»Ein Hexenmeister?« lacht der Herr; »ich hege Zweifel,

Doch wär es selbst der Teufel,

Mein Hektor fing ihn ein!

Bei Gott, mein Freund, ich werde dich davon befrein!«

»Und wann?« – »Und morgen – unverzüglich.«

Auf morgen kam man also überein.

Der Herr erscheint mit Hund und Leuten hinterdrein.

»Frühstücken wir!« sagt er vergnüglich.

»Sind deine Hühner zart? – Sieh da, dein Töchterlein!

Tritt näher, Schätzchen! Nun, wann soll denn Hochzeit sein?

Wann haben wir den Eidam hier?

Man säume nicht, daß man die Sache vorbereite.«

So knüpft er die Bekanntschaft an mit ihr,

Gewährt ihr Platz an seiner Seite,

Nimmt ihre Hand, den Arm und hebt gelind[70]

Ihr Busentüchlein – Späße, deren dieses Kind

Sich aus Respekt nur zag erwehrt,

Was ihrem Vater kein Gefallen abgewinnt.

Inzwischen wird die Küche arg geleert.

»Sind deine Schinken frisch? Sie sehn vorzüglich aus!«

»Herr, sie sind Euer.« – »Oh, wir nehmen gern sie mit!«

Der Herr hält Mahl mit seinem ganzen Haus,

Auch Hund und Pferde zeigen großen Appetit.

Der Herr befiehlt herum und nimmt sich viel heraus,

Trinkt unsers Landmanns Wein

Und kost sein Töchterlein.

Dem Frühstück folgt der Jagdtumult.

Man rüstet, lärmt voll Ungeduld,

Die Hörner und Trompeten toben drein,

Es scheint die Hölle los zu sein!

Wie hat man da den armen Garten zugerichtet!

Ihr schönen Beete all, ade!

Ade, Zichorie und Porree!

Der Biedermann steht wie sein Garten ganz vernichtet.

Kaum reicht es noch für einen Teller Suppe hin.

Der Hase saß versteckt in einem Kohlbeet drin;

Man sucht und hetzt ihn, und er flüchtet

Schnell durch ein Loch der Hecke, das der Herr zuvor

Dort hauen ließ; doch war's kein Loch, es war ein Tor,

Damit man hoch zu Pferde durch die dichten Hecken

Das Wild verfolgen könne, um es hinzustrecken.

»Ach,« rief verzweifelt unser Mann,

»Das hier sind fürstliche Vergnügen!«

Jedoch er mußte in Geduld sich fügen,

Denn keiner hörte seine Klagen an.

Man jagte weiter um die Wette,[71]

Und mehr Verwüstung machten sie in einer Stunde,

Als die gesamte Hasenschar aus weiter Runde

In hundert Jahren angerichtet hätte.


Ihr kleinen Fürsten, schlichtet euren Streit allein,

Ihr wäret Narren, zögt ihr Könige hinein.

Ihr Beistand würde nicht zu eurem Heile frommen,

O laßt sie nie auf euren Grund und Boden kommen!

Quelle:
Lafontaine, Jean de: Fabeln. Berlin 1923, S. 69-72.
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