|
[176] Daphnis gieng für wenig Tagen
Ueber die begrünte Heid',
Heimlich fieng er an zu klagen
Bei sich selbst sein schweres Leid,
Sang aus hochbetrübten Herzen
Von den bittern Liebesschmerzen:
Ach, daß ich dich nicht mehr seh',
Allerschönste Galathe!
Ist mir recht, das sind die Spitzen,
Die ich an den Bäumen schau',
Hinter welchen pflegt zu sitzen
Galathee bei der Au',
Als sie zwinget meine Sinnen,
O du Preis der Schäferinnen;
Weh mir, daß ich nicht mehr seh'
Allerschönste Galathe.
Könt' ich in den Lüften fliegen
Wie ein schnelles Vögelein,
Ach, wie wolt' ich dich betriegen!
Bald, bald wolt' ich bei dir sein[176]
Und dir tausend Schmätzlein geben,
Das wär mein erwünschtes Leben;
Nun ist mir von Herzen weh,
Allerschönste Galathe.
Möcht' ich bei der Sonnen stehen,
Bei dem güldnen Himmelslicht,
O wie fleißig wolt' ich sehen
Auf dein freundlichs Angesicht;
Tausend Stralen wolt' ich schießen,
Deiner Aeuglein zu genießen.
Nun ist mir von Herzen weh,
Allerschönste Galathe.
Kan ich denn nicht zu dir kommen,
Der ich dir so nah jetzt bin,
Ist mir schon der Weg benommen,
Ei, so nim die Seufzer hin,
Die ich dir von Herzen sende,
Bis das Glück sich wiedrum wende
Und ich dich mit Freuden seh',
Allerschönste Galathe.
Drum, ihr Winde solt ihr bringen
Meine Klag und Seufzer zu;
Selber kan ich nicht mehr singen,
Denn mein Herz ist sonder Ruh';
Ach, ich Armer hab' ersehen
Ihr Gezelt von ferne stehen;
Nun ist mir von Herzen weh,
Allerschönste Galathe.
O, ihr Vöglein, die ihr wendet
Euren Flug an ihren Ort,
Sagt, ich hab' euch hergesendet,
Daß ihr mit euch nehmet fort
Die getreuen Liebesthränen,
Die sich stündlich nach dir sehnen,
Bis ich dich in Freuden seh',
Allerschönste Galathe.
Galathee, du mein Leben,
Nimm die Wind' und Vöglein auf,
Die sich dir zu Dienst ergeben
Mit so schnellem Flug und Lauf![177]
Und weil ich dich nicht kan schauen,
Wollest du den Boten trauen,
Bis ich selbst dich wiederseh',
Allerschönste Galathe.
Buchempfehlung
Anders als in seinen früheren, naturalistischen Stücken, widmet sich Schnitzler in seinem einsamen Weg dem sozialpsychologischen Problem menschlicher Kommunikation. Die Schicksale der Familie des Kunstprofessors Wegrat, des alten Malers Julian Fichtner und des sterbenskranken Dichters Stephan von Sala sind in Wien um 1900 tragisch miteinander verwoben und enden schließlich alle in der Einsamkeit.
70 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro