1721.
Die Bäume blühen ab,
Die Blätter stürzen:
Mir wird das liebe Grab
Mein Elend kürzen
Getrost, ich sehe schon
Das Bäumlein blühen,
Und meines Leibes Thon
Gerader ziehen.
Mein Grabstein springt entzwey,
Der Schlaf vergehet:[32]
Der Leib wird Kerker-frey,
Mein Tod verwehet.
Der Fäulnis finstre Baar,
Und die Verwesung
Verliert sich ganz und gar
In der Genesung.
Der Sturm, der unsern Geist
Vom Leibe treibet,
Und uns von hinnen reißt,
Hat ausgestäubet.
Man höret ferner nicht
Des Windes Brausen:
Man spürt im stillen Licht
Ein lieblich Sausen.
Ein Wind von Jehova
Wird ausgeblasen:
Die Beine liegen da
In grünen Rasen.
Auf Hoffnung liegen sie
Der Auferstehung,
Und warten spat und früh
Der Stands-Erhöhung.
Ihr seyd zu Staub verbrant,
Ihr kahlen Beine,
Und euer spröder Sand
Ist Wunder-kleine.
Ihr seyd fast aufgelekt,
Ihr Aschen-Haufen:
Die Tieffe, die euch dekt,
Ist angelaufen.
Ihr seyd aufs Feld gesät,
Ihr kahlen Knochen,
Und in der Luft verweht,
Zerquetscht, zerbrochen.
[33]
Die hat des Abgrunds Wut
Durchaus zerwühlet:
Die eine schnelle Fluth
Hinweg gespület.
Ihr wißt nicht, hie und da
Verstreute Glieder!
Wie euch das Wort so nah,
Es ruft euch wieder.
Der Mann, in welchem es
Beschlossen ware,
Der kommt mit Lob-Getös'
Der Helden-Schaare.
Man thut die Bücher auf,
Es wird gelesen,
Wie eines jeden Lauf
Bewandt gewesen.
Der wird als Satans Theil
Hinweg getrieben:
Der steht zum Trost und Heil
Im Buch geschrieben.
Wie wird es mir ergehn
An diesem Tage?
Wo wird mein Urtheil stehn?
Wer hält die Waage?
Triumph! der hier erscheint
Im rothen Kleide,
Der ist mein weisser Freund:
Eins sind wir beyde.
Da solte ich für mich
Nichts Gutes hoffen?
Wer so besteht, wie ich,
Der hats getroffen.
Ich war ein Sünden-Kind,
Wie andre Sünder:[34]
Allein, ich überwind
Im Ueberwinder.
Ich bin an Seinen Stamm
Hinan gedehnet:
Er ist das reine Lamm,
Das Gott versöhnet.
O Lamm, vergönne mir
Dich zu begleiten!
Mein Mann, ich weiche Dir
Nicht von der Seiten.
Ich sehe schon hinein
In Deine Wonne:
Hie blitzt der klare Schein
Von Salems Sonne.
Wie mancher stehet da
In reiner Seide!
Wie ist Dir der so nah
Im weissen Kleide.
Den hielt man in der Welt
Für einen Narren,
Der, dort im Ruhe-Zelt,
Zog lang im Karren.
Wie seufzte Deine Magd
Im Kranken-Bette!
Wie oft hat sie gesagt:
Wer Flügel hätte!
Und itzo seh ich sie
Mit Palmen-Zweigen,
Befreyt von aller Müh,
Aus Zion steigen.
Wo ist der arme Mann,
Der hier nur thränte,
Und sich von Jugend an
Nach Salem sehnte?
[35]
Da sitzt er Freuden-voll
Zu Deinen Füssen,
Und gibt Dir einen Zoll
Von tausend Küssen.
Und jener, welcher hier
Dein Häuflein lehrte,
Und viele, HERR, zu Dir,
Dem Licht, bekehrte,
Steht prächtig oben an,
Als eine Sonne,
Und jauchzet, was Er kan,
Bey solcher Wonne.
Der Dich in dieser Zeit
Als Liebe priese,
Und zur Gerechtigkeit
Die Menschen wiese:
Der blitzt in Deinem Glanz,
Gleich einem Sterne,
Sein Name leuchtet ganz
Auch in der Ferne.
Der helle Haufe glänzt
Vor Deinem Throne,
Den in der Zeit bekränzt
Die Marter-Krone.
Dort bey des Lammes Mahl
Erscheint im Reigen
Die auserwehlte Zahl
Der treuen Zeugen.
Was unsrer Väter Schaar
Und den Propheten,
Ins Ohr vertrauet war,
Hört man trompeten.
Die Zwölfe, die Du Dir
Zur Lust erlesen,[36]
Die krönet für und für
Vollkommnes Wesen.
Nun Dirs gefallen hat
Dein Volk zu rächen;
So sitzen sie im Rath
Das Recht zu sprechen.
Hie wird die trübe Zeit
Im Licht verschlungen,
Und der DreyEinigkeit
Triumph gesungen.
Diß Heilig Eine Drey
Wird aufgekläret,
Der Glaube schauet frey
Was ihn genehret.
Die Gott gerufen hat
Und die gekommen,
Die werden in der That
Nun aufgenommen.
Der Glaub in seinem Lauf
Hat ausgegläubet:
Die Hoffnung höret auf:
Die Liebe bleibet.
Hier frag ich nicht einmal,
Wo ich soll bleiben?
Wer will mich aus der Wahl
Der Gnaden treiben?
Ich traue mächtiglich
Dem Hochgeliebten:
Sein Herze neiget sich
Zu den Geübten.
Vor Zeiten hielt ich mich
An Sein Erbarmen:
Und itzo hange ich
In Seinen Armen.
[37]
Ich dringe zu Ihm zu,
Er muß mir geben
Auf Arbeit, süsse Ruh,
Auf Sterben, Leben.
1 Im Herbst.
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