Aldehyde

[131] Aldehyde (Aldide) sind organische Verbindungen, welche die Atomgruppe Aldehyde besitzen und durch ihre Bildungsweisen wie ihre Reaktionen den Ketonen (s.d.) sehr nahe stehen. Beide enthalten die Karbonylgruppe CO, die in den Aldehyden mit einem Kohlenwasserstoffrest und einem Wasserstoffatom, in den Ketonen mit zwei Kohlenwasserstoff reiten verbunden ist:

CH3 COH CH3COCH3

Acetaldehyd Dimethylketon = Aceton.

Empirisch unterscheiden sich die Aldehyde von den Alkoholen mit der gleichen Anzahl von Kohlenstoffatomen durch einen Mindergehalt von 2H; der Name Aldehyd ist zusammengezogen aus Al[kohol] dehyd[rogenatus], d.i. Alkohol, dem Wasserstoff entzogen ist. Benannt werden die einzelnen Glieder der Aldehydreihe nach den Säuren, die durch Oxydation daraus entstehen, z.B. Formaldehyd, Acetaldehyd, Propionaldehyd u.s.w.

Ihre allgemeinen Entstehungsweisen sind die folgenden: 1. Oxydation eines primären Alkohols. So entsteht der Acetaldehyd (s.d.) aus dem Aethylalkohol nach folgender Gleichung:

CH3 · CH2 · OH + O = CH3 · CHO + H2O.

Acetaldehyd.

Je nachdem der Alkohol ein gesättigter oder ungesättigter ist, entliehen gesättigte bezw. ungesättigte Aldehyde; so ist der Acetaldehyd eine gesättigte Verbindung, während das aus dem Allylalkohol entstehende Akrolein (s.d.) ungesättigt ist. 2. Trockene Destillation eines Gemenges der Calcium- resp. Baryumsalze von einbasischen Fettsäuren mit ameisensaurem Kalk bezw. Baryt:


Aldehyde

oder:


Aldehyde

Außer nach diesen allgemeinen Methoden entstehen die Aldehyde häufig als Zersetzungsprodukte aus komplizierteren Substanzen, so aus den Eiweißstoffen bei deren Oxydation mit Mangansuperoxyd und Schwefelsäure oder mittels Chromsäure. Das niederste Glied der Reihe, der Formaldehyd, ist ein Gas, die folgenden Glieder sind flüchtige, in Wasser lösliche Flüssigkeiten von eigentümlichem Geruch; mit steigendem Molekulargewicht nehmen Flüchtigkeit und Wasserlöslichkeit ab, die höchsten Glieder sind fest, in Wasser unlöslich und nicht unzersetzt destillierbar. In chemischer Beziehung gehören die Aldehyde zu den reaktionsfähigsten Substanzen der organischen Chemie: An sich neutrale Verbindungen, werden sie sehr leicht, schon durch den Sauerstoff der Luft, zu Säuren oxydiert:

C6H5 · CHO + O = C6H5 · COOH

Benzaldehyd Benzoesäure.

Bei der Oxydation mittels der Oxyde von Edelmetallen werden diese selbst reduziert und abgeschieden. Erwärmt man eine schwach ammoniakalische Silbernitratlösung mit der wässerigen Lösung eines Aldehydes, so scheidet sich das Silber als glänzender Metallspiegel an den Gefäßwandungen ab. Bemerkenswert ist auch die intensiv violettrote Färbung, welche die Aldehyde in einer Fuchsinlösung erzeugen, die vorher mit schwefliger Säure entfärbt war (vgl. weiter unten). Auf der Oxydierbarkeit der Aldehyde beruht auch die Lichterscheinung, die diese Verbindungen geben, wenn man durch ihre Lösung in alkoholischem Kali Sauerstoff oder Luft leitet. Vermöge der großen Tendenz des Aldehydsauerstoffs, sich mit einer Bindung vom Kohlenstoff loszulösen und Wasserstoff zur Bildung von Hydroxyl aufzunehmen, sind die Aldehyde zu Additionsreaktionen ungemein befähigt. So bilden sie mit 2F die Alkohole zurück, aus denen sie entstanden sind, treten mit Ammoniak zu kristallisierten Verbindungen, den Aldehydammoniaken, zusammen:


Aldehyde

vereinigen sich mit Blausäure zu Oxycyaniden oder Cyanhydrinen,


Aldehyde

und verbinden sich schließlich mit Natriumbisulfit zu kristallinischen Verbindungen, die als Na-Salze von Oxysulfosäuren aufgefaßt werden müssen:


Aldehyde

Ferner reagieren die Aldehyde energisch mit solchen Verbindungen unter Wasserabspaltung, die leicht Wasserstoff abgeben (s. Acetale). Mit Hydroxylamin und Phenylhydrazin treten die Aldehyde unter Wasserabspaltung zu den sogenannten Aldoximen und Hydraziden zusammen:

CH3 · CHO + H2N · OH = CH3 · CH = N · OH + H2O

CH3 · CHO + H3N2C6H5 = CH3 · CH = HN2 · C6H5.[131]

Dieser Wasseraustritt kann auch zwischen 2 Molekülen des Aldehyds selbst stattfinden – Kondensation der Aldehyde –, z.B.

CH3 · CHO + CH3 · CHO = CH3 · CH = CH · CHO + H2O Crotonaldehyd.

Auf einer teilweisen Loslösung des Sauerstoffs beruht auch das große Polymerisationsvermögen der Aldehyde. So liefert der Formaldehyd das Trioxymethylen, der Acetaldehyd den Paraldehyd (C2H4O)3 und den Metaldehyd (C2HO)2. Schließlich werden die meisten Aldehyde durch die Einwirkung der Alkalien verharzt; einige werden durch alkoholische Alkalilösungen gleichzeitig in Alkohole und Säuren übergeführt:


Aldehyde

Vermöge der gemeinsamen Karbonylgruppe teilen die Aldehyde eine große Anzahl der mitgeteilten Reaktionen mit den Ketonen. Scharf unterschieden von diesen sind sie jedoch durch ihre leichte Oxydierbarkeit; durch oxydierende Agentien wird das Molekül der Ketone in kohlenstoffärmere Verbindungen gespalten, während die Aldehyde, wie oben auseinandergesetzt, in Säuren der gleichen Kohlenstoffanzahl übergehen. Technisch finden die Aldehyde die mannigfachste Verwertung (vgl. Acetaldehyd, Acetale, Akrolein, Benzaldehyd, Chloralhydrat, Formaldehyd).


Literatur: Beilstein, Handbuch der org. Chemie, 3. Aufl., Hamburg und Leipzig 1893, 1. Teil, S. 906–910; Schmidt, Lehrbuch der pharm. Chemie, Braunschweig 1901; Hollmann, Lehrbuch der org. Chemie, 2. Aufl., Leipzig 1902.

Bujard.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 131-132.
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