Arabesken

[262] Arabesken, von den Arabern, denen die religiösen Vorschriften das Abbilden von Menschen und Tieren nicht erlaubten, erfundene Ornamente. Ihr Charakter ist der des Flachornaments, die zugrunde gelegten Motive geometrischer oder vegetabilischer Natur. Dabei sind die geometrischen Muster stets klar in Rosetten, Sterne, Vielecke gegliedert und, obwohl reich Verfehlungen im Detail, doch ganz leicht entwirrbar. Das vegetabilische Ornament ist kaum noch als solches erkennbar, die Ranken sind meist zu Spiralen mit seinem Astwerk aufgerollt, die Rippen und Nerven der Blätter in primitiver, fast geometrischer[262] Weise gebildet. Dabei ist das Ornament im Sinne eines Teppichs verwendet, indem es die Mauerfläche belebt oder die klare Teilung der Architektur unterstützt. In den Monumenten ist dem Ornament der harte Charakter genommen durch freihändige Ausführung aller geraden Linien.

Die Materialien, aus denen die Araber ihre Ornamente ausführten, bestanden teils aus Fliesen, an Wänden und Fußböden, teils aus bemaltem Stuck. Die Farben der Fliesen waren dem geometrischen Prinzip entsprechend sehr einfache: gelb, weiß, braunrot, blau, grün; die Farben des Stucks nur ultramarinblau, zinnoberrot und gold, seltener weiß und grün – in kleinen Flecken. Die Färbung war dem Prinzip des Teppichs entlehnt, indem niemals ausgedehnte Wandteile gleicher Farbe auftreten, sondern alle Flächen in tausend kleine Fleckchen von stets miteinander wechselnden Farben in Rot, Blau und Gold aufgelöst erscheinen. – Neben den Arabesken der Baukunst finden wir namentlich prachtvolle, auf Pergament gemalte Arabesken in den Korans. Auch hier sind dieselben Prinzipien in Formen und Farben festgehalten. Als Hauptmotiv der Arabeske finden wir dort die arabische Schrift in Friesen und Sternen, mein in weißer Farbe. Blaue Gründe und viel Gold in seiner Verteilung kehren stets wieder. Der Arabeske verwandt ist die Moreske (Fig. 1), deren glänzendste Beispiele in der Alhambra zu Granada zu finden sind.

Seit Beginn des Zopfstils versieht man unter Arabeske das Ornament der Araber überhaupt. Im modernen Sprachgebrauch wurde der Begriff sodann erweitert, so daß auch pompejanische, römische, italienische und deutsche Ornamente aus phantasievollem Rankenwerk, das mit Tieren, Menschen und Fabelwesen belebt ist, unter Arabesken verstanden werden.

Als hervorragende Beispiele von Arabesken und, damit verwandt, von Grotesken gelten die Loggien des Vatikans von Raffael, die Arabesken der Trausnitz bei Landshut (vgl. Fig. 2) und des Antiquariums zu München, des Fuggerhauses zu Augsburg u.s.w. Diesen Arabesken eigentümlich ist der kleine Maßstab des Ornaments, der ihm angewiesene Platz als Füllwerk zwischen den tragenden und nützenden Architekturteilen, die mit Absicht von der Natur sich entfernende Farbengebung bei Pflanze, Tier und Mensch. Eine reiche Fundgrube von Arabesken in diesem weiteren Sinne bilden dann die Manuskripte und Druckwerke des 12. Jahrhunderts bis in die Neuzeit. Da vorwiegend die Schrift mit ihren unregelmäßigen Buchstaben zur Anbringung von Arabesken herausfordert, so linden wir dort in teilweise naturalistischem Sinne mit und ohne Goldgrund die herrlichsten Umrahmungen als Arabesken.


Literatur: Racinet, Ornement polychrome, deutsch von v. Reinhardt, Stuttgart 1874; Prisse d'Avennes, l'art arabe, Paris 1877, 3 Bde.; Girault de Praugey, Choix d'ornements moresques de l'Alhambra, 30 tables, Fol., Paris; Lübke, Geschichte der Architektur, 2. Aufl., 2 Bde., Köln 1858; Diercks, Das arabische Ornament, Leipzig 1883; Hessemer, Arabische und altitalienische Bauverzierungen, 2 Bde., Berlin 1842; Ewald, Farbige Dekorationen.

G. Halmhuber.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 262-264.
Lizenz:
Faksimiles:
262 | 263 | 264
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Den Bruderstreit der Herzöge von Gothland weiß der afrikanische Anführer der finnischen Armee intrigant auszunutzen und stürzt Gothland in ein blutrünstiges, grausam detailreich geschildertes Massaker. Grabbe besucht noch das Gymnasium als er die Arbeit an der fiktiven, historisierenden Tragödie aufnimmt. Die Uraufführung erlebt der Autor nicht, sie findet erst 65 Jahre nach seinem Tode statt.

244 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon