Bergrutsche

[699] Bergrutsche, Stürzen oder Gleiten von Gebirgsteilen nach der Tiefe.

Heim unterscheidet verschiedene Formen des Vorganges [1], der dem Laien leicht als ein einheitlicher erscheint, in Wirklichkeit aber mancherlei Verschiedenheiten hervortreten läßt. Je nachdem es sich um lockeres oder festes Material, je nachdem es sich um die langsamere Rutsch- oder die akutere Sturzbewegung handelt, tritt eine der folgenden sechs Kategorien in Kraft: Schuttrutschungen, Schuttstürze, Felsschlipfe, Felsstürze, zusammengesetzte Bergstürze und besondere Einstürze [2]. Das grauenvolle Ereignis von Goldau (zwischen Zuger- und Lowerzer See) war z.B. ein Felsschlipf; Plurs (in Graubünden) und Elm (in Glarus) sind dagegen durch[699] einen eigentlichen Felssturz verschüttet worden. Bei der Rubrik »Besondere Einstürze« ist an die nicht festen mitten im Flachlande sich ereignenden Erdfälle zu denken, wie solche auch den Dollinen des Karstgebietes zugrunde liegen; ferner gehören hierher die Uferrutschungen (Katastrophe von Zug, 1887), bei denen ein beträchtliches Bodenstück, das auf mergeliger Grundlage unsicher ruht, langsamer oder schneller in ein benachbartes Gewässer hinabgleitet [3]. Mit Heim läßt sich bei jedem solchen Vorkommnis, ähnlich wie dies auch bei den Wildbächen der Hochgebirge der Fall ist, das in Betracht kommende Territorium in drei Teile teilen: Abrißgebiet (dort Sammelgebiet), Sturzbahn und Ablagerung. Im allgemeinen wird ein Geologe, der die Vorgeschichte eines Schlipfs an Ort und Stelle studiert, ermitteln, daß längs einer gewissen Fläche (Schicht-, Absonderungs- und Rutschfläche) schon lange vorher eine Trennung sich angebahnt hatte, die rechtzeitig entdeckt werden muß, wenn das Ereignis selbst zwar nicht verhindert, wohl aber möglichst unschädlich gemacht werden soll. Auch darauf ist Bedacht zu nehmen, daß nicht menschliche Eingriffe die Natur noch unterstützen; das Eimer Unglück scheint z.B. durch allzu eifrigen Abbau eines Schieferlagers geradezu vorbereitet worden zu sein. Für den Praktiker bietet, neben derjenigen Heims, besonderes Interesse eine Abhandlung von Pollack, der als Ingenieur der Arlbergbahn sich mit einer durch ihre Rutschgefahr besonders berüchtigten Alpenpartie vertraut gemacht hat [4].


Literatur: [1] Heim, A., Ueber Bergstürze, Neujahrsblatt der naturforschen den Gesellschaft zu Zürich, 1882. – [2] Rothpletz, Zur Mechanik der Bergstürze, Zeitschr. der deutschen geolog. Gesellschaft, 32. Bd., S. 430 ff.; 33. Bd., S. 540 ff. – [3] A. Heim-Moser-Bürkli, Die Katastrophe von Zug am 5. Juli 1887, Zürich 1888. – [4] Pollack, Beiträge zur Kenntnis der Bodenbewegungen, Jahrbuch der k. k. geolog. Reichsanstalt, 1882, S. 565 ff.

Günther.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 699-700.
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