[439] Chinolin, eine organische, basische Verbindung, in geringer Menge im Knochenöl und Steinkohlenteer vorkommend, die schon darum ein besonderes Interesse beansprucht, weil sie neben dem Pyridin als Stammsubstanz vieler Alkaloide (s.d.) erkannt worden ist.
In seinem ganzen Verhalten den Benzolkörpern analog, findet die Konstitution des Chinolins in der folgenden Formulierung ihren Ausdruck:
Danach erscheint das Chinolin als ein Naphthalin, in dem eine CH-Gruppe durch ein Stickstoff-(N-) Atom ersetzt ist, gleichwie sich das Pyridin vom Benzol durch Ersatz einer CH-Gruppe durch N ableitet:
[439] Und gleichwie das Naphthalin aus zwei symmetrisch kondensierten Benzolkernen besteht, so findet sich im Chinolin ein Benzolring mit einem Pyridinring verbunden vor. Demgemäß wird der das N-Atom enthaltende Ring als Py-Ring von dem Benzolring dem B-Ring unterschieden und die einzelnen Wasserstoffatome, wie aus folgenden Schema ersichtlich, bezeichnet: Durch Ersatz der Wasserstoffatome durch die mannigfachsten Gruppen Alkyle, Halogene, die OH-, NH2, COOH-Gruppe u.s.w. leiten sich nun vom Chinolin zahlreiche Substitutionsprodukte ab, die in derselben Weise in Stellungsisomeren auftreten, wie dies beim Benzol entwickelt wurde ( s.a. Aromatische Verbindungen). Wie ein Blick auf nebenstehendes Schema lehrt, sind von Monosubstitutionsprodukten allein sieben Isomere möglich.
Das Chinolin ist eine farblose, stark lichtbrechende Flüssigkeit von eigentümlichem, unangenehmem Geruch (in Wasser unlöslich, in Alkohol löslich), siedet bei 236° und besitzt bei 0° ein spez. Gew. von 1,1081. Es besitzt den Charakter einer tertiären Base, enthält also an den Stickstoff keinen Wasserstoff gebunden. Mit Säuren bildet das Chinolin Salze; das Bichromat (C9H7N)2 H2Cr2O7 ist in Wasser schwer löslich. Durch Ersatz eines oder mehrerer Wasserstoffatome durch die Alkylreste entliehen die sogenannten Chinolinbasen z.B. die Methylchinoline oder Chinaldine in Wasser schwer, in Alkohol und Aether leicht lösliche Flüssigkeiten von durchdringendem Geruch. Durch Oxydation mit Kaliumpermanganat wird beim Chinolin und seinen Derivaten der Benzolkern zerstört, und es entstehen Karbonsäuren des Pyridins.
Auf diese Weise kann man vom Chinolin zum Pyridin selbst gelangen, wie dies folgende Formeln veranschaulichen:
Isomer mit dem Chinolin und ihm ganz analog ist das Isochinolin C9H7N, welches das Stickstoffatom zu einem der beiden Ringen gemeinsamen C-Atome in Metastellung enthält. Es kommt ebenfalls im Steinkohlenteer vor und ist daraus von Hoogewerff und van Dorp mit Hilfe seines schwer löslichen Sulfates isoliert worden. Es ist eine farblose Flüssigkeit von chinolinartigem Geruch, siedet bei 237° und schmilzt, wenn einmal fest, bei 21°. Das Chinolin entsteht durch Destillation vieler Alkaloide mit Aetzkali. Dargestellt wird es auf synthetischem Wege. Von den zahlreichen Methoden, die zur Darstellung des Chinolins und seiner Derivate aufgefunden worden sind, mögen hier nur die angeführt werden, die eine technische Verwendung gefunden haben. Nach der Methode von Skraupp [2] wird Anilin mit Glyzerin, Schwefelsäure und Nitrobenzol mehrere Stunden auf 130140° erhitzt. Durch den wasserentziehenden Einfluß der Schwefelsäure bildet sich aus dem Glyzerin Akrolein, das sich mit Anilin zu Akroleinanilin vereinigt. Dieses wird dann durch die überschüssige Schwefelsäure und das zugesetzte Nitrobenzol, das hier als Oxydationsmittel dient, unter Abspaltung von 2 Atomen Wasserstoff zu Chinolin oxydiert. Nach beendeter Reaktion wird mit Wasser verdünnt, das Nitrobenzol mit Wasserdampf abgeblasen, der Rückstand dann mit Natronlauge übersättigt und das Chinolin mit; Wasserdampf abdestilliert. Zu seiner Reinigung wird es in das saure Sulfat übergeführt.
Das Verfahren ist von allgemeinster Geltung, da die homologen Aniline, die Toluidine u.s.w., die Naphthylamine, Chlor-, Brom-, Nitroaniline, Amidophenole, Amidosulfosäuren u.s.w. in der gleichen Weise reagieren. Eine analoge Reaktion besteht in der Kondensation von Anilinen mit Aldehyden unter dem Einfluß von starker Schwefel oder Salzsäure [3]. Hierbei kondensieren sich 2 Moleküle des angewendeten Aldehdys zum ungesättigten Aldehyd, der dann mit dem Anilin die Chinolinbase bildet, nach folgender Gleichung:
Dasselbe Chinaldin entsteht nach einem Verfahren, das in den Höchster Farbwerken (vormals Meister, Lucius & Brüning) in Anwendung ist [4], durch Reduktion des o-Nitrobenzylidenacetons:
Auf 20 Teile des Ketons werden 75 Teile Zinnchlorür, 75 Teile Salzsäure vom spez. Gew. 1,2, mit der gleichen Menge Wasser verdünnt, angewendet. Die Bildung des Methylchinolins erfolgt unter starker Wärmeentwicklung; nach deren Beendigung wird das Reaktionsprodukt mit Kalkmilch im Ueberschuß versetzt und die Base im Dampfstrom abdestilliert.
Weiteres über Chinolin s. [1]. Das Chinolin findet Anwendung in der Farbenfabrikation (s. Farbstoffe, künstliche organische) sowie neuerdings in der Medizin als energisches Antiseptikum und Antipyretikum, und zwar nicht nur das Chinolin allein, sondern auch eine große Anzahl seiner Derivate [5]. Das Chinolin wurde 1834 im Steinkohlenteeröl von Runge [6] entdeckt und Leucol genannt; Gerhardt erhielt es 1842 durch Destillation von Chinin oder Cinchonin mit Kalihydrat [7] und nannte es Quinoleine, welcher Name von Wöhler in Chinolin umgeändert wurde. A.W. Hofmann wies dann die Identität des Leucols mit dem Chinolin nach [8].
Literatur: [1] v. Buchka, Die Chemie des Pyridins und seiner Derivate, Braunschweig 188991, S. 17, 19, 2630, 246251, 441447. [2] Berichte der deutschen ehem. Gesellschaft, Bd. 14, S. 1002. [3] Döbner und v. Miller, ebend., Bd. 14, S. 2816; Bd. 15, S. 3075; Bd. 16, 1664; Bd. 17, S. 1712; Bd. 18, S. 3360. [4] Friedländer, ebend., Bd. 16, S. 1833. [440] [5] Dahl & Co., Barmen, D.R.P. Nr. 65102, 60308, 65111. [6] Poggendorffs Annalen, Bd. 31, S. 68. [7] Annalen der Chemie, Bd. 42, S. 310; Bd. 44, S. 279. [8] Ebend., Bd. 47, S. 31; Bd. 74, S. 15.
Mezger.
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