Durchflußprofil

[163] Durchflußprofil, die mittels der Brücken und Durchlässe in Wegen, Eisenbahnen und ähnlichen Anlagen erforderliche Querschnittsgröße des für den Abfluß des Wassers offenzuhaltenden Raumes, somit das grundlegende Maß für jedes derartige Bauwerk.

Das Durchflußprofil ist zunächst als Querschnittsgröße ein Flächenmaß, dessen Bildung aus Weite und Tiefe – in der Regel als Rechteck oder doch nahezu als solches – zwischen diesen beiden Faktoren des Produkts eine gewisse Freiheit der Wahl zu lassen scheint. Diese Freiheit besteht jedoch nur dann in Wirklichkeit oder wenigstens in gewissen Grenzen, wenn der durchzuführende Wasserlauf sehr klein, vielleicht nur zeitweise gefüllt ist und starkes Gefälle hat, so daß eine Veränderung der Höhenlage des Wasserspiegels durch Einbau des Durchlasses, ein Aufstau, nur auf ganz geringe Länge hin wirkt und daher unschädlich bleibt. Das ist im allgemeinen nur im Gebirge und Hügellande und auch da keineswegs immer der Fall. In solchen Fällen handelt es sich (namentlich im Hochgebirge) oft mehr um rasche Abführung plötzlich herabkommender Schuttmassen mittels eines reichlichen, offenen Querschnittes über stark fallender, glatt abgepflasterter Sohle als um Durchführung der dann meist nur kleinen Wassermenge, die bei so steilem Gefälle nur geringer Weite bedarf. (Absätze in der Sohle, sogenannte Kaskaden, sind durchaus zu vermeiden, weil sie Anlaß bieten zu Eisbildung und Schuttablagerung.) Dann kann also in der Tat die größere Höhe des Durchlasses die Weite teilweise ersetzen. Anderseits kann aber auch im Hochgebirge – z.B. bei Ueberschreitung von Lawinengängen – eine sehr große Weite nötig sein, wenn man nicht in der Lage ist, in sicherer Weise den Lawinengang über die Bahn (Straße) hinwegzuleiten oder ihn mittels Tunnels zu unterschreiten. – Ganz anders pflegen die Verhältnisse dagegen bei mäßigem und schwachem Gefälle, im Flach- und oft auch im Hügellande zu liegen, wenn es sich um Ueberbrückung eines deutlich vorhandenen, zumal eines größeren oder gar schiffbaren Wasserlaufs handelt. Alsdann kann selbst ein geringer Aufstau von einem oder wenigen Dezimetern Höhe auf längere Strecke hinauf in schädlicher Weise fühlbar werden, und zwar um so weiter hin, je flacher das Gefälle ist. Dann muß also die Durchflußweite unter dem gegebenen höchsten Wasserspiegel so bemessen werden, daß auch die größte in der Sekunde zuströmende Wassermenge mit Sicherheit in derselben Zeit abgeführt wird, ohne den Wasserspiegel merklich zu erhöhen. In solchen Fällen können, falls nicht andre sichere Anhaltspunkte (s. unten) zur Bestimmung der Weite vorliegen, eingehende rechnerische Untersuchungen über die größte Wassermenge, Durchflußgeschwindigkeit und Stauhöhe erforderlich werden.

Bei großen Flüssen werden sich diese Untersuchungen namentlich auf die Verteilung der Hochwassermenge (s. Hochwasser) zwischen Strombrücke und Flutbrücke erstrecken, um die nötige Durchflußweite der Flutöffnungen auf dem Vorlande zu ermitteln, während die Weite der eigentlichen Strombrücke in entwickelten Ländern bereits in ziemlich engen Grenzen durch vorhandene Umstände gegeben zu sein pflegt. Anhaltspunkte zur Bestimmung der Durchflußweite bieten zunächst die in der Nähe der Baustelle schon vorhandenen Oeffnungsweiten für dieselben Wasserläufe, namentlich, wenn sie nahe unterhalb liegen, da sie dann mindestens die gleiche Wassermenge abzuführen haben. Aber auch oberhalb liegende Brücken können benutzt werden, wenn man die etwa noch hinzukommenden Wasserläufe und Niederschlagsflächen berücksichtigt. Immer aber muß man sich vergewissern, ob die bestehenden Durchflußweiten bei größtem Hochwasser genügt haben, ohne schädlichen Stau zu erzeugen. Auch die regelmäßigen, vielleicht schon künstlich geregelten Strecken der Wasserläufe – das sogenannte Normalprofil des Flusses – geben oft hinreichend sichere Anhaltspunkte zur Bestimmung des Durchflußprofils. Derartige Grundlagen werden namentlich in entwickelten Ländern, wo schon viel Wege und Bahnen bestehen, in den meisten Fällen zur Festsetzung der Gesamtwelle und oft auch für die der Einzelöffnungen ausreichen. So pflegt die Schiffahrt bestimmte Einzelweiten als notwendig längst ergeben zu haben, wobei selbstverständlich auch die größte Höhe der unbeladenen Fahrzeuge sowie etwaiger Eisgang für die lichte Höhe über Wasser maßgebend ist und manchmal zur Herstellung beweglicher Brückenteile zwingt. In allen irgendwie Zweifelhaften Fällen, also namentlich bei schwachem Gefälle des Flusses und bei nicht völlig geregeltem Hochwasserlauf, treten dann die erwähnten Berechnungen zur Prüfung der beabsichtigten Durchflußweiten hinzu. Die Bestimmung der Hochwassermenge in der Sekunde geschieht in solchen Fällen – nach Aufmessung der (unter der festzustellenden Hochwasserlinie bestehenden) Strom- und Flutprofile an tunlichst regelmäßiger Stelle des Flusses und nach Ermittlung des Hochwassergefälles auf längere Strecke – durch Anwendung einer der verschiedenen Formeln für die Wassergeschwindigkeit (s. Hydraulik). Dabei ist es zweckmäßig, für beide Profilteile (Stromprofil in und über dem Flusse selbst, Flutprofil auf dem Vorlande) getrennt zu rechnen, weil das Verhältnis vom Querschnitt zum Umfang (hydraulische Tiefe) sehr verschieden zu sein pflegt. Bei kleinen, nicht schiffbaren Wasserläufen mit oft sehr schwankender Wassermenge oder zeitweilig trockenem Bett und bei Talmulden ohne ausgesprochenen Wasserlauf, also namentlich im Hügel- und Gebirgslande, ist man, wenn andre genügende Anhaltspunkte fehlen, auf die Heranziehung des Niederschlagsgebietes angewiesen, das zu dem betreffenden Bauwerk hin entwässert. Beispielsweise[163] berechnet die Generaldirektion der bayrischen Staatsbahnen neuerdings mit gutem Erfolge die Hochwassermenge Q nach der Formel


Durchflußprofil

Hierin bedeutet Q die größte sekundliche Abflußmenge in Kubikmetern, F das Niederschlags-(Einzugs-) gebiet in Quadratkilometern, Fw den etwa bewaldeten Teil davon in Quadratkilometern, α einen vom Talgefälle abhängigen Festwert, nämlich

α = 4,50 bei einem Durchschnittsgefälle, das größer ist als 2%,

α = 3,75 bei einem Durchschnittsgefälle, das zwischen 2% und 0,5% liegt,

α = 3,00 bei einem Durchschnittsgefälle, das unter 0,5% herabgeht.

Im übrigen vgl. a. Hochwasser.

Goering.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 163-164.
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