Entfernung

[456] Entfernung von Punkten (geodätisch) ist der kürzeste Abstand ihrer Lotlinien gemessen auf der mathematischen Erdoberfläche (Vermessungshorizont), allgemein dem Meereshorizont, s.a. Erde, Erdmessung.

Ist der Vermessungshorizont (die Berechnungsfläche) eine Ebene, wie z.B. in der Feldmessung, so ist die Entfernung eine gerade Linie; ist dieselbe eine Kugel, so ist die Entfernung ein Großkreisbogen; ist derselbe ein Ellipsoid, so ist die Entfernungslinie ein Ellipsoidschnitt. Bei der Ebene und Kugel ist damit die Entfernung eindeutig bestimmt; beim Ellipsoid (oder Sphäroid) fallen aber die gegenseitigen Lotebenen zweier Punkte nicht zusammen. Diese Abweichung kommt bei geodätisch meßbaren Entfernungen (Dreiecksseiten bis zu 60–80 km) praktisch[456] nicht in Betracht. Bei sehr großen Entfernungen dagegen ist zu unterscheiden zwischen den durch die Lotebenen bestimmten Schnitten mit der Berechnungsfläche und der auf dem Sphäroid liegenden kürzesten Verbindungslinie der Punkte, der sogenannten geodätischen Linie (s.d.).

Die Entfernung zweier Punkte kann gewonnen werden durch Berechnung und Messung. Durch Berechnung ergibt sich die Entfernung in der Regel aus den die Lage der Punkte angebenden Koordinaten (s.d.) (ebenen, sphärischen, sphäroidischen, geographischen, die durch entsprechende Punktbestimmungen gewonnen sind), oder sie wird aus Karten entnommen. Hierbei ist demnach zu beachten, daß die aus Koordinaten berechneten und aus Karten entnommenen Entfernungen sich stets auf den Berechnungs- und Vermessungshorizont beziehen. Linien Eα, die gegen den Vermessungshorizont eine »Neigung« haben, werden als »geneigte« oder »schiefe Entfernungen« bezeichnet, während man schlechtweg unter »Entfernung« stets die »horizontale« E verlieht; bei ebenem Vermessungshorizont besteht die Beziehung E = Eα cos α.

Die Messung von Entfernungen kann geschehen durch Distanzmesser (s.d.), unmittelbare Längenmessung (s.d.) oder auch Entfernungsschätzung (s.d.). – Geneigte, schief gemessene Entfernungen werden nach der genannten Beziehung auf die Horizontale projiziert (s. Distanzmesser, Längenmessung); nicht im Berechnungshorizont (Meeresspiegel) gemessene Entfernungen sind gegebenenfalls auf diesen zu projizieren (s. Basis). Bei Landesvermessungen (s.d.) erfolgt diese Projektion durch den Anschluß der unmittelbaren Längenmessungen an die trigonometrischen Punktbestimmungen (s. Triangulierung) gewissermaßen selbsttätig. Im Sprachgebrauch wird unter Entfernung auch kurzweg der unmittelbare Abstand von Punkten auf der physischen Erdoberfläche verbanden, ohne ihre Lage zur Projektionsfläche in Betracht zu ziehen.

Reinhertz.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 456-457.
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