Erdmassenberechnung

[497] Erdmassenberechnung, die Lösung der Aufgabe, die Größe des Rauminhaltes der erforderlichen Abtrag- und Auftragmassen im Zuge einer zu bauenden Eisenbahn- oder Straßenlinie festzustellen, um danach die Massenverteilung vornehmen und die Kosten für die Erdbewegungen berechnen zu können.

Hierbei handelt es sich stets um Damm- oder Einschnittkörper, die zwischen zwei in bestimmten Abständen senkrecht zur Achse anzuordnenden Querprofilebenen F1 und F2 liegen und die sich, wie die Fig. 1–4 sowohl für Abtrag- wie Auftragstrecken zeigen, in Prismen, Pyramiden, Keilstücke u.s.w. zerlegen lassen, die als solche berechnet werden können. Bei dem in Fig. 2 dargestellten Dämmten besteht der Auftragkörper aus zwei abgestumpften Pyramiden und einem prismatoidischen Mittelkörper [2], S. 31; auf der rechten feste ist die abgestumpfte Pyramide a b e d e f eingezeichnet und strichpunktiert zur vollen Pyramide ergänzt. Schneidet ein Straßenkörper zum Teil in das Gelände ein (Fig. 4), so wird der aufzuschüttende sowie der abzutragende Teil gesondert als Auftrag bezw. als Abtrag zu berechnen sein und können diese Teile entsprechend zerlegt werden. Ebenso ließen sich in Fig. 3 aus dem Abtragkörper an den Seiten abgestumpfte Pyramiden, ferner je ein vierseitiges Prisma und ein größeres mittleres Prisma herausschneiden. Bildet sich ein Uebergang vom Auftrag zum Abtrag (Fig. 1),[497] so wird bis zur »Auskeilungslinie« gh der Auftrag aus den beiden Pyramiden a b e g und c f d h und dem Keilstück b c e f g h, der Abtrag aus dem Keilstück m n o q i k, den beiden Pyramiden l m n i und o p q k sowie dem beidseitigen Grabenaushub bestehen. In dieser etwas mühsamen Weise geschieht jedoch die Ausrechnung in den seltensten Fällen. Gewöhnlich begnügt man sich damit, für die zwischen den Hauptprofilen F1 und F2 befindliche Erdmasse den Kubikinhalt aus der mittleren Fläche F1 +F2/2 und dem Abstande l der beiden Profilflächen zu berechnen, so daß


Erdmassenberechnung

Diese in der Praxis allgemein übliche Berechnungsweise wird die »mittlere Profilrechnung« genannt. Dabei können die Flächeninhalte der Querprofile auf einfach rechnerischem Wege oder mit Hilfe von Tabellen [5], S. 157, [8], S. 5, mittels des Flächenmaßstabes [5], S. 158, [8], S. 6, [9], S. 173, oder auf graphischem Wege [1], S. 26, [8], S 8, ermittelt werden An den Uebergangsstellen vom Auftrag zum Abtrag (Fig. 1) sind Zwischenprofile einzuschalten, damit man den Auftrag und Abtrag gesondert erhält, da sich sonst beträchtliche Fehler einteilen würden. Richtiger wäre es, für die Erdkörper der Fig. 2–4 die Form von Prismatoiden anzunehmen [4], S. 71, als deren Inhalt sich:

V = l/6 (F1 + 4 Fm + F2)

2.


ergibt, wobei Fm die richtige mittlere Fläche bedeutet. Diese Formel läßt sich, wenn man die Höhen h1 und h2 (Fig. 2) und das Böschungsverhältnis n einführt, auch schreiben:


Erdmassenberechnung

oder


Erdmassenberechnung

Wird also, wie vorhin erwähnt, nur der erste Teil der Formeln 3. und 4. bei der »mittleren Profilrechnung« berücksichtigt, so erhält man im ersteren Fall um nl (h1 – h2)2/6 zu große, im zweiten Fall um nl (h1 – h2)2/12 zu kleine Erdmassen [6], S. 15, [8], S. 9. Ferner wird bei geneigter Bodenfläche durch Einführung der Höhen h1, und h2 für die Flächenberechnung für jede Fläche ein Fehler gemacht, der sich für die Fläche F1 (Fig. 5) in dem schraffierten Dreieck i f d kenntlich macht [9], S. 169, das auch in Fig. 2 eingetragen wurde. Es müßte also h1 etwas größer, gleich h1' (Fig. 5) angenommen werden, so daß der Trapezinhalt e f g k gleich dem Dreieckinhalt i f d wird. Um die Erdmassenberechnung übersichtlich durchzuführen, trägt man am besten die Abmessungen der Hauptprofile, ihre Flächeninhalte und Abstande, die Flächeninhalte der mittleren Profile, die Neigung der Böschungen u.s.w. in Tabellenform auf, so daß auch die Ergebnisse der Massenberechnung übersichtlich angeordnet erscheinen und sich leicht zusammenzählen lassen. Die Einrichtung einer solchen Tabelle kann je nach der Art der Berechnung, nach dem Genauigkeitsgrade, der angestrebt wird, u.s.w. sehr verschieden sein. Vorbilder finden sich in [8], S. 10, und [9], S. 175. – Eine zweite Art der Massenberechnung besteht in der Flächenberechnung oder »Planimetrierung« [5], S. 163, des sogenannten »Flächenprofils« oder »Flächenplans«, wie es bei dem Massennivellement [1], S. 65, hergestellt wird, indem man im Längenprofil den Flächeninhalt des jeder Ordinate entsprechenden Querprofils in einem beliebigen Maßstabe auf dieser Ordinate positiv oder negativ, d.h. von einer wagerechten Linie aus nach oben oder nach unten aufträgt, je nachdem die Querprofilfläche einer Auftrag- oder Abtragmasse entspricht und dann die so gewonnenen Endpunkte durch eine Kurve verbindet. Die zwischen der Kurve[498] und der Wagerechten liegende Fläche ergibt den Rauminhalt des betreffenden Erdkörpers und kann durch Umfahren mit dem Planimeter oder auf sonstigem Wege festgestellt werden [7], S. 27, [8], S. 7. – Endlich kann unmittelbar aus dem Längenprofil mit Hilfe des Momentenplanimeters von Amsler (Integrator) der Kubikinhalt der Ab- und Aufträge entnommen werden [4], S. 87, [5], S. 164, [3]. Dies ist wohl der kürzeste Weg zur Feststellung der Erdmassen, da das Längenprofil ohnehin gezeichnet werden muß, erfordert aber den Besitz des erwähnten Instruments und steht bezüglich seiner Genauigkeit den übrigen Berechnungsweisen nach, eignet sich daher hauptsächlich für vorläufige Ueberschlagsrechnungen.


Literatur: [1] Culmann, Die graphische Statik, Zürich 1866, S. 26 u. 54. – [2] Henz, Praktische Anleitung zum Erdbau, 3. Aufl., Berlin 1874, S. 29. – [3] Amsler-Laffon, Anwendung des Integrators zur Erdmassenberechnung, Zürich 1875. – [4] Winkler, Vorträge über Eisenbahnbau, Heft 5, 3. Aufl., Prag 1877, S. 71 u. 87. – [5] Handbuch d. Ingenieurwissensch., I. Teil, 4. Aufl., Leipzig 1904, Bd. 1, S. 161 ff. – [6] Zwicky, Zur Erdmassenberechnung bei Straßen- und Eisenbahnbauten, Schweizer. Bauztg. 1890, S. 14. – [7] Goering, Massenermittlung, Massenverteilung u.s.w., 2. Aufl., Berlin 1890. – [8] Barkhausen, Handbuch d. Bauk., Abt. 3, Heft 4, Leipzig 1892, S. 5. – [9] Löwe, Straßenbaukunde, Wiesbaden 1895, S. 165.

L. v. Willmann.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4., Fig. 5.
Fig. 4., Fig. 5.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 497-499.
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