Farbenanstriche

[613] Farbenanstriche, Beseitigung derselben.

Alte Lack- und Oelfarbenanstriche müssen häufig, ehe man neue Farbenlagen auftragen kann, entfernt werden, einesteils, weil sie blasig, rissig geworden sind, andernteils aber alte Farbenlagen sehr häufig Veranlassung geben, daß neue Anstriche binnen kurzer Zeit abblättern, abspringen oder reißen. Wachsfarbenanstriche müssen unbedingt beseitigt werden, da Wachsfarbe kein Bindeglied für neuen Anstrich abgibt. Sind alte Farbenlagen nicht blasig, so kann man solche mit Wasser und Bimsstein abschleifen, sind aber die Farbenlagen blasig, rissig, teilweise abgesprungen oder so dick, daß ein Schleifen unmöglich oder nicht rätlich ist, so müssen dieselben mit chemischen oder mechanischen Mitteln beseitigt werden. Zu den chemischen Mitteln gehören die Laugen aus kohlensauren oder ätzenden Alkalien (Aetzmasse, Farbenvertilger, Color venenum, Antikolorit, Paint removed u.s.w.), die warm oder kalt angewendet werden, und Wasserglas, dann auch Fuselöl, Amylacetat; unter die mechanischen Mittel rechnet man das Abkratzen (Abscharren) mittels scharfer Spachteln und das Abbrennen mit eigens konstruierten Lampen oder kleinen Holzkohlenkörben.

Die Laugen, die zum Abbeizen angewendet werden, müssen scharf fein; doch dürfen sie für Eichenholz nicht aus ätzenden Alkalien bestehen, weil diese das Holz dunkel färben. Kann man die Laugen heiß anwenden, so geht die Erweichung der alten Farbenlage rasch vor sich. Die Anwendung geschieht, indem man entweder die Farbenlagen vollständig mit der Lauge begießt oder mit einem Pinsel aus Glasfäden (Borstenpinsel werden sofort zerstört) mehrere rasch aufeinander folgende Anstriche macht. Die aufgeweichte Farbe wird mit der Spachtel beseitigt und neuerlich Lauge aufgegossen, bis das Holz oder Metall ganz rein geworden ist, worauf man mit Wasser so lange nachwäscht, bis keine alkalische Reaktion mehr eintritt. Kleine Gegenstände, namentlich solche von Metall, kann man in die Lauge einlegen, dann mit einem Messer oder dergl. die Farben völlig beseitigen, in reinem Wasser abwaschen und in Sägespänen trocknen. Die neuen Anstriche dürfen auf abgehetzten Objekten erst dann angebracht werden, wenn keine alkalische Reaktion mehr wahrnehmbar und das Objekt vollkommen trocken ist. Auf alkalisch reagierendem oder noch feuchtem Grund hat der Anstrich keine Dauer.

Das Abbrennen erfolgt bei aufrechtstehenden Objekten wie Türstöcken, Wandverkleidungen, deren Abbeizen nicht oder nur schwierig durchführbar ist. Die hierbei angewendeten Lampen und Körbe werden in der Weise gehandhabt, daß man mit denselben, wenn angezündet, so lange nahe an den Farbenlagen auf und ab fährt, bis diese teilweise verkohlt und verbrannt – hart – geworden sind, so daß die wenigen Ueberreste mittels einer eisernen scharfen Spachtel mühelos und sehr rasch entfernt werden können. Um ein Anbrennen des Holzes zu vermeiden, darf man nicht zu lange auf einem Teil der Fläche verweilen, sondern muß Lampen und Körbe langsam auf und nieder bewegen, bis alle Teile der Farbenlagen gleichmäßig verbrannt sind. Die Konstruktion der Lampen ist verschieden; sie werden mit Spiritus oder Benzin geheizt und erzeugen eine ziemlich intensive Stichflamme. Die Körbe bestehen aus einem aus dünnen Eisenstäben zusammengesetzten flachen Karten, der mit einer Handhabe versehen ist und mit Holzkohlen gefüllt wird. Angezündet und in vollkommener Glut befindlich, wird mit denselben ebenso wie mit den Lampen manipuliert. Beim Abbrennen entwickeln sich aus den verbrennenden Farben üble Gerüche, viel Rauch und selbst giftige Gase (Arsen-, Blei- oder Quecksilberdämpfe); beim Abbeizen läuft man Gefahr, daß durch zurückbleibendes Alkali die neuen Anstriche sich minder dauerhaft erweisen.

Andés.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 613.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: