Feuchtigkeitsmesser

[760] Feuchtigkeitsmesser oder Hygrometer, Instrumente, um die Feuchtigkeit der Luft zu messen; die älteren zu diesem Zweck ersonnenen Apparate, die nur mehr eine Schätzung gestatten, nennt man wohl auch Hygroskope.

Die ältesten Feuchtigkeitsmesser gründen sich auf die lang bekannte Ausdehnung organischer Substanzen bei Aufnahme von Wasser; so erwähnte schon 1554 Mizaldus die Längenänderung der Saiten unsrer Musikinstrumente durch den Einfluß der Luftfeuchtigkeit, und 1664 konstruierte Hooke ein Hygrometer unter Benutzung der Darmsaite wie der Grannen wilden Hafers. Vollkommenere organische Hygrometer waren das von De Saussure 1780 erfundene Haarhygrometer und das von De Luc 1781 Konstruierte Elfenbeinhygrometer. Zur Kontraktion der organischen Hygrometer wird heute ausschließlich das entfettete menschliche Haar benutzt; die bei Aufnahme von Wasser eintretende Verlängerung eines straff gespannten Haares, das an einem Ende befestigt ist, während das andre um eine Walze geschlungen ist, bewirkt eine Drehung der Walze, die in verschiedener Weise zur Bewegung eines längs einer Skala gleitenden Zeigers benutzt wird. Die Teilung der Skala geschieht auf experimentellem Wege, indem diese Instrumente zunächst in gesättigter, dann in völlig trockener Luft aufgestellt werden, um so die Punkte 100 und 0 der Skala, welche die relative Feuchtigkeit angibt, festzulegen. Die besten organischen Hygrometer sind das Bifilar-Hygrometer von Klinkerfues [1], auch nach dem Verfertiger Lambrechts Hygrometer genannt, und das Koppesche Prozenthygrometer [2].

Ein neues, besonders für praktische Zwecke geeignetes Instrument ist das Haarhygrometer von Steffens, das sich durch eine bequem sichtbare, aufrecht stehende Skala, besonders aber dadurch auszeichnet, daß infolge einer eigentümlichen Uebertragung kein Achsenlager vorhanden ist, so daß das Instrument im Gegensatz zu andern Konstruktionen weder durch Oxydationen noch durch Verschlingungen in Unordnung geraten kann (s. die Konstruktionsfigur).

Nahezu ebenso alt ist die Idee der Gewichtshygrometer, die Luftfeuchtigkeit durch Wägung des von verschiedenen Substanzen aufgenommenen Wassers zu bestimmen. 1670 beobachtete schon Cusano die in einer gewissen Zeit eintretende Gewichtsänderung von hygroskopischen Substanzen, die in eine Schale einer Wage gebracht werden; als solche Stoffe wurden trockene Seide oder Baumwolle, geglühter Salpeter, Schwefelsäure (1683 Gould), Chlorcalcium (1808 Guyton de Morveau) benutzt. Erst die 1830 durch Brunner eingeführte Benutzung eines bestimmten Luftvolumens verlieh der Methode Wert. Solche Vorrichtungen, um einem bekannten größeren Luftvolumen meist durch Schwefelsäure sein Wasser zu entziehen und aus dem Gewichtszuwachs der Säure den Wassergehalt der Luft zu berechnen, liefern bei allen Kautelen die genauesten Resultate, sind indessen in ihrer Anwendung umständlich.

Zu einer ganz andern Art von Hygrometern führte die Wahrnehmung, daß eine mit Wasser befeuchtete Thermometerkugel erkalte, für die schon 1777 Cullen die richtige Erklärung gab, indem er die Erkaltung als Folge der Verdunstung hinstellte; bereits 1792 suchte Hutton die Luftfeuchtigkeit mittels Beobachtung eines Thermometers mit wasserbefeuchteter Kugel (kurz »feuchtes Thermometer« in der Meteorologie) zu schätzen, und 1799 versuchte Leslie bereits die Messung der Feuchtigkeit mit seinem Thermohygrometer. Doch stellte dieses Instrument einen Rückschritt dar gegenüber der Idee, zu Zwecken der Feuchtigkeitsmessung zwei nebeneinander hängende Thermometer zu benutzen, deren eine Kugel mit Wasser angefeuchtet ist, welche Vorrichtung den Namen Psychrometer erhalten hat. Die erste Formel für das Psychrometer gab 1822 Ivory, und gelangten später, unabhängig von diesem, 1825 August und 1834 Apjohn zu den gleichen Formeln. Die späterhin von Stefan 1881 und Maxwell [760] 1877 gegebenen Ableitungen der Formel unter Zugrundelegung der neueren Gesetze über Strahlung, Diffusion und Wärmeleitung stimmen im Grunde mit jenen früheren Entwicklungen überein, wie Großmann [3] gezeigt hat. Dieser gab eine Formel, welche die Luftbewegung berücksichtigt und nahezu mit der von Ferrel[4] angenommenen Formel übereinstimmt. Zumal August erwarb sich großes Verdienst um dies Hygrometer, so daß es vielfach auch Augusts Psychrometer genannt wird. Es dient heutzutage auf den meteorologischen Stationen meist zur Bestimmung der Luftfeuchtigkeit, und zwar wird die Kugel des feuchten Thermometers mit Musselin umhüllt, das dadurch feucht gehalten wird, daß es durch einen Baumwollenfaden mit einem kleinen Wassergefäß in Verbindung steht. Die Formel zur Berechnung der Ablesungen des Psychrometers lautet: p = p1 – A B (tt1), wo t und t1 die Ablesungen am trockenen und feuchten Thermometer, p und p1 den wirklich vorhandenen Dampfdruck bezw. die Maximalspannung bei der Temperatur t1, B den Luftdruck und A eine Konstante bezeichnen, die vornehmlich von der Stärke der Luftbewegung und in geringerem Grade von t1 abhängt. Nach den neuesten Untersuchungen ist für etwa 3 m und größere Geschwindigkeit der Luftbewegung A = 0,000622 anzunehmen, so daß man für den mittleren Luftdruck von 760 mm im Meeresniveau genügend genau bei nicht zu weit abstehenden Barometerständen p = p11/2 (tt1) erhält, falls die Temperatur in Celsiusgraden und die Dampfspannungen p und p1 in Millimetern gegeben sind, welche Formel eine gewisse Größe der Luftströmung zur Voraussetzung hat. In dem Aßmannschen Aspirationspsychrometer [5] besitzen wir einen vorzüglichen Apparat mit konstanter Ventilation, dessen allgemeiner Einführung nur der hohe Preis im Wege stehen dürfte. Zur Berechnung der Psychrometerablesungen dienen vielfach die Psychrometertafeln von Jelinek (Wien), die viele Auflagen aufweisen. Diesen liegt für A noch die von Regnault (Etudes sur l'Hygrométrie) gegebene etwas größere Konstante zugrunde, die einer geringeren Ventilation des Psychrometers entspricht. Jenen Unterschied zwischen dem trockenen und dem feuchten Thermometer (tt1) nennt man psychrometrische Differenz.

Eine weitere Gattung stellen die Kondensationshygrometer dar, die darauf beruhen, daß sich Wasserdampf aus der Luft abscheidet, sobald diese bis zu ihrem Taupunkt (s. Feuchtigkeit der Luft) abgekühlt wird. Während bei einem Vorläufer dieser Instrumente, einem von der Accademia del Cimento 1660 benutzten Apparat, eigentlich einem Hygroskop, die Menge des Kondensationswassers gemessen wurde, die während einer gegebenen Zeit an einem mit Eis gefüllten konischen Gefäß herablief, zielen die späteren Kondensationshygrometer auf die Bestimmung des Taupunkts, da diese unmittelbar die vorhandene Dampfspannung bekannt gibt. Das 1819 erfundene Daniellsche Kondensationshygrometer, das man noch in allen Lehrbüchern der Physik und Meteorologie abgebildet und beschrieben findet, gestattete eine verhältnismäßig unsichere Bestimmung des Taupunkts und wurde bedeutend übertroffen durch das 1822 konstruierte Döbereinersche Instrument, das von Regnault 1845 neu erfunden wurde und nach ihm Regnaultsches Kondensationshygrometer genannt wird. Die Einrichtung dieses Instruments und der von v. Dines (1871 und 1879), Alluard (1877), Bogen (1879), Crova (1882) u.a. verbesserten Taupunktinstrumente, wie auch des Taupunktspiegels, besteht wesentlich darin, daß eine polierte und vergoldete Metallfläche durch verdampfenden Aether abgekühlt wird, dessen Temperatur an einem eingefügten empfindlichen Thermometer abgelesen werden kann. Aus der Temperatur, die im Augenblick der Entstehung vom Nebelbeschlag abgelesen wird, der Taupunktstemperatur, und der Lufttemperatur lassen sich absolute und relative Feuchtigkeit berechnen. Dem geübten Beobachter ergeben gute Instrumente dieser Art sehr zuverlässige Angaben, die höher zu stellen sind als diejenigen des Psychrometers, falls keine gleichmäßige Ventilation für dieses vorgesehen ist. Indes ist die Benutzung dieser Kondensationshygrometer eine im Vergleich schwierigere und wegen des Verbrauchs von Aether kostspieliger, so daß diese Instrumente eigentlich nur als Kontrollapparate dienen.

Eine neuere Gattung von Hygrometern stellen die sogenannten absoluten Hygrometer dar, die teils den Dampfdruck direkt aus der durch Entzug des Wasserdampfes bei konstantem Druck verursachten Volumabnahme eines abgeschlossenen Luftvolumens zu berechnen gestatten, so das Volumhygrometer von Schwackhöfer (1878) [6], oder ihn direkt aus der Druckabnahme am Manometer ablesen lassen, wie bei dem Hygrometer von Edelmann [7] 1879, oder der von Voller 1880 gegebenen Modifikation dieses Instruments.


Literatur: [1] Klinkerfues, Theorie des Bifilarhygrometers mit gleichteiliger Prozentskala, Göttingen 1875. – [2] Koppe, Die Messung des Feuchtigkeitsgehalts der Luft mit besonderer Berücksichtigung des neuen Prozenthygrometers mit Justiervorrichtung, Zürich 1878. – [3] Großmann, Beitrag zur Geschichte und Theorie des Psychrometers, Meteorolog. Zeitschr. 1889; ferner auch Nippoldt, Beiträge zur Theorie des Ventilationspsychrometers, Meteorolog. Zeitschr. 1894. – [4] Ferrel, Recent Advances in Meteorology, Annual Report of the Chief Signalofficer for 1885 and 1886, Washington 1886 u. 1887. – [5] Aßmann, Das Aspirationspsychrometer, Abhandlungen des Kgl. preuß. Meteorol. Instituts, Bd. 1, Nov., Berlin 1892; Svensson, Experimentelle Untersuchung des Aßmannschen Psychrometers, Meteorolog. Zeitschr. 1896. – [6] Schwackhöfer, Ueber ein neues Hygrometer zur genauen Messung der Luftfeuchtigkeit und der Nebelmenge, Zeitschr. d. Oesterr. Gesellschaft für Meteorologie 1878. – [7] Edelmann, Neues Hygrometer, Zeitschr. d. Oesterr. Gesellsch. für Meteorologie 1879; ferner insbesondere: Symons, A contribution to the history of hygrometers, Quarterly Journ. of the Roy. Soc. 1881; Abbe, Cl., Treatise on met. apparatus and methods, Ann. Rep. of the Chief Signalofficer for 1887, Washington 1888; Shaw, W., Report on hygrométrie methods, I. part, Philos. transact., Vol. 179, 1888; Ekholm, Un ersökningar i Hygrometri, Upsala 1888.

Großmann.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 760-761.
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