Foucaultscher Pendelversuch [2]

[293] Foucaultscher Pendelversuch. Eine genaue Beibehaltung der Schwingungsebene des Pendels ist nur am Pole möglich, wo sich in der Tat diese Ebene innerhalb eines Sternentages mit gleichförmiger Geschwindigkeit um 360° dreht.[293]

Die Bewegung der Schwingungsebene in einem beliebigen Punkte der Erdoberfläche ist ein überaus verwickeltes Problem. Da nämlich die Ebene immer durch die in diesem Punkte auf der Erdoberfläche errichtete Normale, also auch durch den Erdmittelpunkt gehen muß, kann sie nicht einer festen Ebene des Raumes parallel bleiben. Eine vollständig strenge, erschöpfende Behandlung der Aufgabe auf Grund des Prinzips des kleinsten Zwanges hat Lottner 1856, eine annähernd richtige geometrische Darstellung auf Grund der Annahme, daß die Schwingungsebene der Anfangsrichtung der Bewegung – also der Tangente im tiefsten Punkte der Bahn – parallel bleibe, 1902 Meisel gegeben. – Die Vorstellung einer absoluten Drehung der Erde gegen den ruhenden Weltraum, für die der Foucaultsche Versuch als Beweis dienen soll, entspricht nicht der mehr und mehr an Boden gewinnenden Erkenntnis der Relativität jeder Bewegung, auch der Rotationsbewegung. Bewiesen wird durch den Versuch nur eine relative Drehung der Erde gegen die Schwingungsebene; stellen wir uns den Raum als sich gegen die ruhende Erde drehend vor, so dreht sich eben die Schwingungsebene mit ihm; sie ist dann eine relativ gegen den Raum ruhende Ebene. Eine absolute Richtung im Räume gibt es nicht, und die Unveränderlichkeit der Schwingungsebene ist nur durch den irdischen Versuch festgestellt worden. – Denizot hat 1913 die Theorie des Foucaultschen Pendels in Verbindung mit der Theorie der relativen Bewegung gebracht.


Literatur: [1] »Démonstration du mouvement de rotation an moyen du pendule«, im »Recueil des travaux scientifiques de Léon Foucault«, Paris 1878. – [2] Garthe, Foucaults Versuch als direkter Beweis der Achsendrehung der Erde, Cöln 1852. – [3] Pisko, Foucaults Beweis für die Achsendrehung der Erde, Brunn 1852. – [4] Vahlen, Ueber das Foucaultsche Pendel, Zeitschr. f. Math. u. Phys., Bd. 43, 1898. – [5] Lottner in Crelles Journal f. Math., Bd. 52. – [6] Meisel, Zur Theorie des Foucaultschen Pendels, Zeitschr. f. Math. u. Phys., Bd. 48, 1902. – [7] Denizot, Das Foucaultsche Pendel und die Theorie der relativen Bewegung, Leipzig und Berlin 1913.

F. Meisel.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 293-294.
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