[441] Foucaultscher Versuch, ein Pendelexperiment zum Beweise der Achsendrehung der Erde, von Léon Foucault, Physiker in Pgris, zuerst angestellt. Seine zahlreichen Pendelbeobachtungen, welche hauptsächlich die Richtung der Schwingungsebene betreffen, liefern eine sichtbgre Anzeige von der täglichen Bewegung des Erdkörpers, indem sie ergeben, daß sich jene Schwingungsebene scheinbar langsam von Osten nach Westen dreht (scheinbar, weil sie selbst als dem absoluten Raum angehörend eine unveränderte Lage bewahrt u. nur die sie umgebende Körperwelt in Bewegung ist). Sieht man nämlich von der Umlaufsbewegung der Erde ab, welche hierbei ohne Einfluß ist, u. nimmt man an, der Beobachter befinde sich auf einem der beiden Pole u. habe daselbst ein Pendel von der größten Einfachheit (d.h. ein Pendel, bestehend aus einer schweren homogenen Kugel, die mittelst eines biegsamen Fadens an einem absolut festen Punkt hängt, welcher in der Verlängerung der Erdachse liegt) so wird, wenn man das Pendel aus seiner Gleichgewichtslage ablenkt u. es lediglich der Schwerkraft überläßt, die Bewegung der Erde sichtbar durch den Contrast mit der Unbeweglichkeit der Schwingungsebene, deren Projection auf dem Boden eine Bewegung von Osten nach Westen zu besitzen scheint u. in einer Zeit von 24 Stunden eine volle Drehung um die Verticalprojection des Aufhängepunktes ausgeführt haben wird. Obgleich man nun genöthigt ist, den Aufhängepunkt des Pendels auf einem sich bewegenden Boden zu nehmen, also nicht im Stande ist, ihn von der täglichen Bewegung zu isoliren, so weisen doch Theorie u. Versuche keine ernsten Schwierigkeiten nach, so daß man den Faden, sobald er nur rund u. homogen ist, ziemlich rasch in diesem od. jenem Sinne um sich selbst drehen kann, ohne merklich auf die Lage der Schwingungsebene einzuwirken. Unter dem Pol muß daher dieses Experiment in seiner ganzen Reinheit gelingen, dagegen complicirt sich die Erscheinung unter unsern Breiten durch ein etwas schwer zu beurtheilendes Element, indem, je mehr man sich dem Äquator nähert, die Horizontalebene eine immer schiefere Lage gegen die Erdachse einnimmt, u. daher die Vertleale, statt um sich selbst zu drehen, einen stets offenen Kegel beschreibt. Daraus entspringt eine Verzögerung in der scheinbaren Bewegung der Schwingungsebene, einer Bewegung, die sich unter dem Äquator annullirt u. in der andern Hemisphäre ihre Richtung umkehrt. Beobachtet man daher an, dem Äquator nicht zu nahe gelegenen Orten, so wird zwar eine Verminderung in der Geschwindigkeit der sich drehenden Ebene merkbar werden, die Erscheinung selbst aber noch deutlich wahrzunehmen sein. Übrigens beweisen die von Foucault angestellten Versuche, daß bei Vernachlässigung gewisser secundärer Erscheinungen die Winkelbewegung der Schwingungsebene gleich ist der Winkelbewegung der Erde in derselben Zeit, multiplicirt mit dem Sinus der geographischen Breite des Ortes. Die Vorrichtungen, deren sich Foucault bei Ausführung seines ersten Versuchs bediente, bestanden aus einem 2 Meter langen gehärteten Stahldraht von 0,61,1 Millim. Stärke, dessen eines Ende mit einem kleinen horizontalen Stahlstück hervortrat, welches in einer gußeisernen Platte im Scheitelpunkte eines Kellergewölbes eingelassen war. Die Spannung des Fadens bewirkt eine 5 Kilogramm schwere Messingkugel mit einer spitzigen Verlängerung, welche genau die Fortsetzung des Fadens zu bilden schien. Um die Kugel aus ihrer Gleichgewichtslage abzulenken, wurde ein dünner organischer Faden um sie geschlungen, derselbe an einem festen Punkt an die Mauer gebunden, u. nachdem die Kugel in vollkommener Ruhe war, durchgebrannt. Durch diese Einrichtung war man in den Stand gesetzt, sowohl die Störung seitlich wirkender Kräfte zu entfernen, als auch die Ablenkung u. die Größe der Schwingungen nach Belieben einzurichten. Der Schwingungsbogen betrug gewöhnlich 1520 Grad. Das so in Gang gesetzte Pendel veränderte bald merklich die Lage seiner Schwingungsebene, so daß die Abweichung nach Verlauf einer halben Stunde schon deutlich wahrnehmbar war. Um die ungefähre Größe dieser Abweichung zu bestimmen, bediente man sich der verticalen Spitze eines auf einem Bretchen befestigten Stiftes, welches man auf den Boden stellte, so daß die spitze Verlängerung des Pendels an der Grenze einer Ausschreitung an die feste Spitze streifte. In weniger als 1 Minute hatte die genaue Coïncidenz der beiden Spitzen ihr Ende erreicht, die oscillirende Spitze verschob sich beständig gegen die Linke des Beobachters als Anzeige, daß die Ablenkung der Schwingungsebene in gleicher Richtung erfolgte. Um die Unabhängigkeit der Schwingungsebene vom Aufhängepunkt sichtbar zu machen, bedient sich Foucault folgenden Versuchs: Ein Stahlstab wurde an seinen beiden spitzen Enden auf einer Drehbank eingespannt u. durch Ablenkung aus seiner Gleichgewichtslage in Transversalschwingungen versetzt. Diedadurch bedingte Schwingungsebene zeichnete sich vermöge des Verweilens der Gesichtseindrücke scharf im Raume ab, u. wenn man die Achse der Drehbank mit der Hand umdrehte, so bemerkte man, daß jene Ebene ihre ursprüngliche Lage beibehält, obgleich die sie stützenden Punkte sich drehten. Nach einem ähnlichen Princip ist der von A. Krüger 1851 beschriebene Apparat construirt, mittelst dessen man durch die rotirende Bewegung eines Elektromagneten die Achsendrehung der Erde veranschaulichen kann. Weitere Versuche stellte Foucault im Meridiansaale der Sternwarte zu Paris an, wobei er ein Pendel von 11 Meter Länge anwandte. In größerem Maßstab u. zur Belehrung des Publicums wurden die Vorrichtungen im Pantheon in Paris aufgestellt, man bediente sich hier eines Pendels von 67 Meter [441] Länge mit einer angehängten Messingkugel von 18 Centimeter Durchmesser u. 28 Kilogr. Gewicht. Zur genauen Bestimmung der seitlichen Ausweichungen war senkrecht unter dem Aufhängepunkt ein Theilkreis von 6 Meter Durchmesser angebracht, welcher erlaubte, mit Hülfe der spitzen Verlängerung der Kugel die Bögen zu bestimmen, um welche sich die Ebene in einer gewissen Zeit gedreht hatte. Der Theilkreis bestand aus einem hölzernen Ring, der in Grade u. Viertelgrade getheilt war u. dessen Mittelpunkt genau senkrecht unter dem Aufhängepunkt des Pendels lag; an 2 entgegengesetzten Punkten, welche das Pendel bei seinem ersten Gang passirte, waren 2 kleine prismatische Hügel von seinem Sand angebracht, welche von der Spitze der Kugel fortschreitend zerstört wurden u. so dazu beitrugen, die stetige Verrückung der Schwingungsebene anschaulich zu machen. Dufour, welcher mit einem 20 Meter langen Pendel experimentirte, beobachtete, daß die Abweichungen beim Ausgang vom Meridian u. vom Perpendikel darauf nicht gleich sind, daß also die von Foucault aufgestellte Formel für die Winkelbewegung der Schwingungsebene nicht streng anwendbar sei. Er schloß dies aus einer Ablenkung des Pendels im Perpendikel, u. es äußerte sich die Ursache, welche er der Centrifugalkraft zuschreibt, in der Bewegung des Pendels, indem dieselbe im Perpendikel stets schwach elliptisch war. Außer in Paris u. London ist der F. V. auch an mehreren Orten Deutschlands ausgeführt worden, so durch Garthe im Domchor in Köln, durch Helm in der Domkirche in Magdeburg, Bremen, Dresden, Leipzig, Breslau, Dessau, Altenburg etc. Vgl. Garthe, Foucaults Versuch als directer Beweis der Achsendrehung der Erde etc., Köln 1852; Schrader, Foucaults Pendelversuch als Beweis für etc., Halle 1853. Neben dem Beweis für die Achsend rehung der Erde durch die Schwingungen des Pendels hat Foucault, unablässig für die Verbreitung u. populäre Darstellung seiner Lehre thätig, dafür einen andern Apparat construirt, welchen er Gyroskop nennt u. zuerst 1855 bei seinen Experimenten in London vorzeigte. Dieser Apparat besteht aus einem Kreisel in einer Compaßaufhängung, welcher wieder auf einer perpendikulären drehbaren Achse befestigt ist. Wird nun der Kreisel mittelst einer, um die Achse desselben gelegten Schnur in Rotation versetzt, so ist zunächst der große Kraftaufwand bemerkenswerth, welcher erforderlich ist, um den Kreisel aus seiner Schwingungsebene (möge diese nun perpendikulär od. geneigt sein) zu verrücken u. in andere Lage zu bringen. Belastungen am Umfange des Compaßringes, u. zwar unmittelbar an den Kreisellagern angebracht, vermögen nicht eine Veränderung in der Lage des Kreisels zu Wege zu bringen, wenn sie auch in Verhältniß der Schwere des Apparats keineswegs unbedeutend sind. Diese Unverrückbarkeit der Schwingungsebene hat Foucault benutzt, um die durch die Achsendrehung der Erde bedingte Verrückung der in unmittelbarer Nähe des Kreisels befindlichen, aber von der Bewegung desselben unabhängigen Gegenstände mittelst einer angebrachten Scale zu zeigen. Mit dem Experimentiren dieses in verschiedener Weise modificirten Apparats beschäftigte man sich in Frankreich u. England aufs eifrigste, namentlich seitdem man die Entdeckung gemacht zu haben glaubte, daß bei einer auf das Äußerste getriebenen Reduction der Zapfenreibung die Kreiselachse von selbst eine mit der Erdachse parallele Richtung annimmt.
Lueger-1904: Foucaultscher Pendelversuch [2] · Foucaultscher Pendelversuch [1]
Meyers-1905: Valsalvascher Versuch · Untauglicher Versuch · Versuch eines Verbrechens oder Vergehens · Versuch · Lullius Versuch · Brückescher Versuch · Scheinerscher Versuch · Rücktritt vom Versuch
Pierer-1857: Sturmscher Versuch · Versuch · Leidenfrost's Versuch · Mariotte'scher Versuch
Buchempfehlung
Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.
110 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro