[299] Gaslokomotiven, Fördermotoren, deren Antrieb durch die aufeinander folgenden Explosionswirkungen eines Gemenges von Leuchtgas oder Petroleum- oder Benzindünsten mit atmosphärischer Luft hervorgerufen wird. Sie dienen hauptsächlich zum Betriebe von Straßenbahnen (Gasbahnen) [1], Feldbahnen, Grubenbahnen u.s.w., doch wurden sie in neuerer Zeit fast überall durch elektrische Motoren ersetzt. Der Gasmotor hat sich in der Form der Motorwagen (Triebwagen, Kraftwagen, Selbstläufer) auf Lokal- und Kleinbahnen wie auch im Betrieb der Hauptbahnen erhalten.
Die Gasmotoren besitzen Eigenschaften, die sie für den Betrieb der Selbstfahrwagen geeignet erscheinen lassen: einfache und leichte Beschaffung der Betriebskraft, regelmäßiger Gang, einfache Wartung; dagegen haften ihnen auch Uebelstände an: Notwendigkeit eines Schwungrades zum Ausgleich der Umdrehungsgeschwindigkeit, besonderes Getriebe (Zahnrad oder Reibungsräder) zur Erzielung verschiedener Geschwindigkeiten, Ingangsetzung des Motors von Hand aus, eigne Vorkehrungen, um den Sinn der Bewegung des Fahrzeugs wechseln zu können. Es ist in neuerer Zeit gelungen, diese Uebelstände minder fühlbar zu machen [2]. Zu den älteren Systemen gehören jene von Grob, Pintsch, Hasser & Cie. [3], Holt & Croßley [3], Hädicke [3]; Montelar [3], Krauß [3]; sie sind nicht von dauerndem Erfolge gewesen. Der wichtigste Vertreter der »Leuchtgasmotoren« ist die Gaslokomotive (oder der Motorwagen) Lührig. Das in Behältern mitgeführte Gas von 78 Atmosphären Pressung gelangt nach entsprechender Druckverminderung in einem zweizylindrigen Motor zur Tätigkeit. Die Bewegung der Schwungradwelle, die 260280 Umdrehungen in der Minute macht, wird von Zahnrädern und Reibungskupplungen auf die Wagenachsen übertragen; während kurzer Aufenthalte läuft der Motor mit 80 Umdrehungen in der Minute. Lührigs Wagen lief 6 Jahre in Dessau, einige Zeit auch auf der Linie Warmbrunn-Hirschberg, wurde aber durch elektrischen Betrieb ersetzt; er tritt entschieden immer mehr in den Hintergrund. Der Verbrauch an Gas stellt sich auf 450600 l für einen Fahrkilometer. Der Petroleummotor hat keine nennenswerte Anwendung gefunden [4]. Am erfolgreichsten und wohl auch am günstigsten stellt sich der Benzinmotor von Daimler. Das Benzin strömt aus den Behältern dem Vergasapparat und den Brennern unter geringem Drucke zu; im ersteren vollzieht sich selbsttätig die Bildung des Gasgemisches, das zum Betriebe dient, im richtigen Verhältnisse; durch das erste Herabgehen des Maschinenkolbens wird das Gemisch angesaugt, durch das erste Hinausgehen verdichtet; beim höchsten Kolbenstande bringt ein Zündhütchen oder elektrischer Funke das brennbare Gemisch zur Explosion, wodurch der Kolben abwärtsgetrieben und die Kurbelwelle betätigt wird; beim zweiten Hinausgehen des Kolbens entströmen die verbrannten Gase. Die größte Förderung hat der Daimler-Wagen auf den württembergischen Staatsbahnen erfahren; er steht auch bei den schweizerischen Bundesbahnen u.s.w. in Verwendung. Der Verbrauch an Benzin stellt sich auf 265330 g für ein Wagenkilometer [6].
Literatur: [1] Gostkowski, Die Gashahn, Schillings Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung 1893; Roll, Encyklopädie des Eisenbahnwesens; Haarmann, Die Kleinbahnen 1896. [2] Birk, Betrieb Lokalbahnen, Zeitschr. für das ges. Lokal- und Straßenbahnw. 1900, S. 1; 1905, S. 1; Theoretische und praktische Betrachtungen über die Berechnung von Explosionsmotoren für Selbstfahrer, Le Génie civil 1901, 21. Jahrg., Nr. 13. [3] Praktischer Maschinenkonstrukteur[299] 1886; Ziffer, E.A., Protokoll des internat. perman. Straßenb.-Ver. 1894. [4] Railroad Gazette 1893, Nr. 43; Zeitschr. für Transportw. und Straßenbau 1893; Mitteil. des Ver. für die Förderung des Lokal- und Straßenbahnw. 1900, S. 155; Zeitschr. für Transportw. und Straßenbahnen 1901, S. 562. [5] Le Genie civil 1903, 42. Bd., S. 404; Engineering 1904, S. 220. [6] Mitteil. des Ver. für die Förderung des Lokal- und Straßenbahnw. 1893, S. 257; 1901, S. 359; Zeitg. des Ver. Deutsch. Eisenb.-Verw, 1903, S. 701; Revue générale des chemins de fer 1903, II, S. 348; Zeitg. des Ver. Deutsch. Eisenb.-Verw. 1904, S. 560.
Alfred Birk.