[145] Leuchtgas, Gemisch von Gasen und Dämpfen, welches bei der Zersetzung vorzugsweise von Steinkohlen durch Hitze durch trockene Destillation von Steinkohlen entsteht und zu Beleuchtungszwecken in den Gasfabriken in großem Maßstab hergestellt wird.
In rohem Zustande besitzt es eine komplizierte Zusammensetzung, welche je nach der Dauer der Destillation und der innegehaltenen Temperatur eine etwas wechselnde ist. Neben den eigentlichen und wertvollen Bestandteilen, den Fettkohlenwasserstoffen, dem Benzol und einigen seiner Abkömmlinge, sowie Wasserstoff und Kohlenoxyd, enthält das rohe Leuchtgas noch Stickstoff, Cyan, Cyanwasserstoff, Schwefelwasserstoff, Ammoniak, Kohlensäure, Kohlenoxysulfid und Schwefelkohlenstoff als Verunreinigungen, von welchen es durch die Reinigung mehr oder weniger vollständig befreit wird. Die Zusammensetzung des Gases ist eine schwankende. Es enthält etwa 4 Vol.-Proz. schwere Kohlenwasserstoffe (Aethylen, Acetylen, Benzol und deren Homologe und Naphthalin) als leuchtende Bestandteile, ca. 50 Vol.-Proz. Wasserstoff, ca. 35 Vol.-Proz. Methan (Grubengas), ca. 8 Vol.-Proz. Kohlenoxyd als nichtleuchtende Bestandteile, ca. 12 Vol.-Proz. Kohlensäure, bis zu 5 Vol.-Proz. Stickstoff, dann noch Schwefelverbindungen, Cyanverbindungen, Ammoniak als Verunreinigungen.
Den Schwefel enthält jedes gereinigte Leuchtgas noch in Form von Schwefelkohlenstoff; doch sollte ein gutgereinigtes Gas nicht mehr als 0,30,4 g Schwefel pro 1 cbm Gas enthalten. An Cyan fand der Unterzeichnete im Stuttgarter Gas 0,31,2 g im Kubikmeter (zahlreiche Untersuchungen). 1 cbm Leuchtgas wiegt 0,5196 kg, was dem spez. Gew. 0,4 entspricht. Der Heizwert von 1 cbm Leuchtgas mittlerer Zusammensetzung beträgt zwischen 5000 bis 5600 W.E. Zur vollständigen Verbrennung von 1 cbm Gas sind 6 cbm Luft erforderlich. Die Mischung ist explosiv; es explodieren noch Mischungen, welche auf 1 cbm Gas 411 cbm Luft enthalten. Die Verbrennungsprodukte des Gases sind Wasserdampf und Kohlendioxyd, und zwar erzeugt 1 cbm Leuchtgas etwa 0,5 cbm Kohlensäure und 1 cbm Wasserdampf. Die Leuchtkraft des Gases ist nicht ohne weiteres anzugeben; sie ist auch abhängig von der Konstruktion der Lampe, welche zur Verbrennung des Gases benutzt wird, überhaupt von den Bedingungen, unter welchen das Gas verbrennt. Im allgemeinen wird auf eine Leuchtkraft von etwa 1214 Hefnerkerzen bei einem stündlichen Verbrauch von 150 l Gas, verbrannt in einem Normalspecksteinbrenner, zu sehen sein. Karburieren (Karburation) nennt man das Zumischen von Dämpfen der schweren Kohlenwasserstoffe (Benzol, Benzin, Petroleumäther u. dergl.), um im Gas den Gehalt an solchen Stoffen zu ergänzen. Hierzu dienen besondere Apparate. Auch die Beimischung von hocherhitzten Mineralölen (Oelkarburation) gehört hierher. Durch Karburieren mit Benzol oder Mischungen von Benzol und Benzin wird die Leuchtkraft aufgebessert. Von den Gasanstalten wird auf die Leuchtkraft des Gases im Hinblick auf das Auerlicht (s. Gasglühlicht) kein besonderer Wert mehr gelegt. Die Tatsache aber, daß trotz des Auerlichtes noch eine Menge der alten gewöhnlichen Specksteinbrenner benutzt werden, gibt zu steten Klagen über die schlechte Leuchtkraft des von den Gasfabriken gelieferten 1012-Kerzen-Gases Anlaß. Das Leuchtgas ist durch seinen charakteristischen widerlichen Geruch ausgezeichnet; beim Einatmen wirkt es durch seinen Kohlenoxydgehalt giftig. Aus 100 kg Steinkohlen werden durchschnittlich 30 cbm Gas gewonnen. Der Preis des Gases schwankt zwischen 12 und 24 . pro 1 cbm. Außer zur Beleuchtung wird das Gas noch für Heiz- und Kochzwecke sowie für den Betrieb der Gaskraftmaschinen verwendet (s. Kraftgas). Abgesehen von dem durch Destillation der Steinkohlen gewonnenen Leuchtgas kennt man noch andre nach ihrem Herkommen benannte Gasarten, welche, in ihrer Zusammensetzung dem gewöhnlichen Leuchtgas mehr oder weniger ähnlich, ebenfalls für Beleuchtungszwecke dienen, wie das Torfgas, Oelgas, Holzgas, Wassergas, Lustgas und Naturgas. Das Torfgas dürfte in größeren Mengen wohl nie angewendet werden, dagegen haben Holz- und Oelgas, und namentlich das letztere, für kleine Anlagen eine gewisse Bedeutung, da das durch Erhitzen von Fetten, Erdölrückständen, Paraffinöl erhaltene schwere Gas eine große Leuchtkraft besitzt. So wird das Oelgas, unter 68 Atmosphären Druck, in eiserne Zylinder gepreßt, teils für sich, teils in Mischung mit Acetylen zum Beleuchten der Eisenbahnwagen verwendet. Das Wassergas[145] wird durch abwechselndes Leiten von Luft und Wasserdampf über glühende Kohlen bezw. Koks erhalten. Lustgas wird ein Gas genannt, welches durch Sättigung von atmosphärischer Luft mit den Dämpfen flüchtiger Kohlenwasserstoffe, namentlich von Petroleumäther, gewonnen wird. Naturgas ist ein in den verschiedenen Erdölbezirken dem Boden entströmendes Gas, welches namentlich in der Gegend von Pittsburg in großen Mengen auftritt, dort aufgefangen und vorzugsweise zu Heizzwecken verwendet wird; s.a. Gasbeleuchtung, Gasfabrik, Acetylen, Brennstoffe, Kraftgas, Luftgasapparate.
Literatur: [1] Fischer, F., Handbuch der ehem. Technologie, Leipzig 1893, S. 4159 und S. 100123. [2] Schilling, Kalender für Gas- und Wasserfachmänner, neue Jahrgänge. [3] Schillings Journal für Gasbeleuchtung.
Bujard.