Gerichtsgebäude

[405] Gerichtsgebäude, Gerichtshaus, öffentliches Gebäude von kleinem oder größerem Umfang zur Aufnahme der Gerichtsbehörden. In Deutschland zerfallen diese nach der neuen Ordnung des Gerichtsverfahrens in vier Klassen: Amtsgerichte mit einem oder mehreren Einzelrichtern, Landgerichte mit Kollegien zu drei oder fünf Richtern für Straf- oder Zivilrecht und das Oberlandesgericht, über welchen allen das Reichsgericht steht.

Die Bedeutung dieser Behörden erfordert eine würdige und ernste Ausstattung des Gebäudes; die Ausführung soll eine feuersichere sein. Als Beispiel diene das Gerichtsgebäude zu Frankfurt a.M. (Fig. 13).

Die Anforderungen an Raum in einem Amtsgerichtsgebäude sind etwa folgende: Vorhalle, Arbeitszimmer des Richters, des Gerichtsschreibers, und Kanzleien hierzu; Pfandkammer Schöffengerichtssaal mit Beratungszimmer, Zimmer für Zeugen, Diener. An Wohnungen: Dienstwohnung für den Richter zu ca. sieben Zimmern, Dienerwohnung zu vier Zimmern und Zubehör.

Die Räume eines Landgerichts sollen umfassen: 1. Eingang, Vorhalle, Diener- und Wartezimmer. 2. Schwurgerichtssaal von 150 bis 170 qm Grundfläche, 6 bis 7 m Höhe, Beratungszimmer der Richter, der Geschworenen, Zimmer der Zeugen, der Anwälte, Zelle für den Angeklagten, zu welcher der Zugang getrennt von dem der Zeugen und Geschworenen sein soll. Ebenso hat die Abteilung für das Publikum einen getrennten Zugang zu erhalten. 3. Gerichtssitzungssäle für Straf-, Zivil- und Handelskammern, 90–100 qm mit anstoßenden Beratungszimmern; beim Zugang zum Sitzungssaale der Strafkammer soll eine Trennung der Parteien, besonders des Angeklagten, stattfinden. 4. Arbeitszimmer für den Präsidenten, Direktor, die Richter, Untersuchungsrichter. 5. Zimmer für die [405] Zeugen, Parteien und Anwälte. 6. Kanzlei und Registratur, Gerichtsschreiberei und eine Bibliothek. 7. Für Staatsanwaltschaft: mehrere Arbeitszimmer, Kanzleien und Registratur. 8. Dienstwohnungen: Wohnung des Präsidenten zu acht bis zehn Zimmern u.s.w., Wohnung für einen Diener oder Hauswart zu vier Zimmern u.s.w.

Die höheren Gerichtshöfe erhalten ähnliche Raumanordnungen, doch kommen die Schwurgerichte in Wegfall. Die Geschoßhöhen der einzelnen Säle und Schreibzimmer seien 4,0 bis 4,5 m im Lichten. Bei der Ausdehnung der Gebäude sollte die Heizung eine zentrale sein.


Literatur: [1] Handbuch der Architektur, Darmstadt 1887, 4. Teil, 7. Halbbd. – [2] Baukunde des Architekten, Berlin 1884: Gerichtsgebäude, Bd. 2, S. 478 ff. – [3] Klasen, B., Grundrißvorbilder, 13. Abschn., Gebäude für Gerichtszwecke, Leipzig 1884. – [4] Frankfurt a.M. und seine Bauten, herausgegeben vom Architekten- und Ingenieurverein, 1886.

Weinbrenner.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 405-406.
Lizenz:
Faksimiles:
405 | 406
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