Kalorie

[301] Kalorie heißt die gebräuchliche Wärmeeinheit, nämlich die Wärmemenge, welche nötig ist, um 1 kg Wasser von 0 auf 1° C. zu erwärmen (gewöhnliche Definition). Genau genommen ist letztere Wärmemenge etwas vom Drucke abhängig, doch ist dieser Einfluß bei den technisch vorkommenden Drücken verschwindend klein. Wird einem Körper die Wärmemenge d Q zugeführt, und es ändert sich dadurch seine Temperatur um d t° C, so ist genau: 1 Kalorie = dQ/dt bei t = 0° und konstantem Drucke einer Normalatmosphäre (s. Druck) für 1 kg Wasser. Mit Rücklicht auf den Begriff der spezifischen Wärme (s.d.) läßt sich auch sagen: Eine Kalorie ist die spezifische Wärme des Wassers von 0° bei konstantem Drucke einer Atmosphäre.

Bei obigen Angaben haben wir in erster Linie die Bedürfnisse der technischen Thermodynamik im Auge. In der Physik wird häufig diejenige Wärmemenge als Kalorie bezeichnet, welche zur Erwärmung von 1 g Wasser von 0 auf 1° erforderlich ist. Eine solche Grammkalorie beträgt also nur 1/1000 der entsprechenden Kilogrammkalorie. Die Wärmemengen zur Temperaturerhöhung des Wassers von 0 auf 1° sind nun durch das Experiment kaum scharf bestimmbar. Man hat daher als Grammkalorie oder Kilogrammkalorie vielfach den 100. Teil der Wärmemenge angenommen, welche 1 g bezw. 1 kg Wasser bei der Abkühlung von 100° auf 0° abgibt [2], [3]. Diese Bunsensche Kalorie läßt sich durch das von Bunsen 1870 eingeführte Eiskalorimeter [2] unmittelbar bestimmen, sie kann auch definiert werden als die mittlere spezifische Wärme des Wassers bei konstantem Drucke einer Atmosphäre zwischen 0 und 100°. Neben den erwähnten Wärmeeinheiten sind noch andre vorgeschlagen worden [6], S. 11, Warburg kam in seinem Referat [6] auf der Naturforscherversammlung in München[301] 1900 zu dem Vorschlag, als Grammkalorie oder Kilogrammkalorie diejenige Wärmemenge festzusetzen, welche 1 g bezw. 1 kg Wasser zur Erwärmung von 14,5° auf 15,5° nach dem Wasserstoffthermometer erfordert. Auch diese 15°-Kalorie wird gegenwärtig häufig verwendet.

Die Grammkalorie und Kilogrammkalorie werden mitunter als kleine Kalorie und große Kalorie bezeichnet, doch wurde ein dem letzteren ähnlicher Name schon früher anders verwendet. Da bei der Bezeichnung sehr großer Wärmemengen (Verhältnisse der Weltkörper u.s.w.) die gewöhnlichen Wärmeeinheiten zu klein sind, so rechnete z.B. Robert Mayer [4] in solchen Fällen nach Wärmekubikmeilen oder Großkalorien, deren eine die Wärmemenge zur Erhöhung der Temperatur einer geographischen Kubikmeile Wasser von 0 auf 1° C. bedeutete. Da eine geographische Meile gleich 7420,438 m ist, so wäre eine Mayersche Großkalorie gleich 7420,4383 · 1000 = 408,59 · 10004 (408,59 Billionen) Kilogrammkalorien, gleichgültig, welche der obigen Definitionen für letztere gilt. Den Namen Großkalorie hatte Gustav Reuschle vorgeschlagen.


Literatur: [1] Regnault, Relation des expériences etc., I, Paris 1847, S. 635. – [2] Bunsen, Kalorimetrische Untersuchungen, Poggendorffs Annalen 1870, CXLI, S. 1. – [3] Schuller und Wartha, Kalorimetrische Untersuchungen, Wiedemanns Annalen 1877, II, S. 364. – [4] Robert Mayer, Die Mechanik der Wärme in Gesammelte Schriften, Stuttgart 1893, S. 157, 217 u.s.w. – [5] Mach, Die Prinzipien der Wärmelehre, Leipzig 1896, S. 182. – [6] Warburg, Referat über die Wärmeeinheit, Leipzig 1900. – [7] Chwolson, Lehrbuch der Physik, II, Die Lehre von der Wärme, Braunschweig 1905, S. 175. – [8] Winkelmann, Handbuch der Physik, III, 1, Wärme, Leipzig 1906, S. 175.

Weyrauch.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 301-302.
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