[365] Meridiankreis stellt eine Verbindung des Durchgangsinstruments (s.d.) mit dem Höhenkreis dar, so daß mit demselben Instrumente gleichzeitig der Moment der Kulmination und die Zenitdistanz eines Gestirnes benimmt werden können. Wird der Meridiankreis in Verbindung mit einer in diesem Falle als Winkelmeßinstrument dienenden sehr genauen Uhr (meist Sekundenpendeluhr) benutzt, so kann man mit seiner Hilfe sowohl absolute als auch relative, scharfe Ortsbestimmungen der Gestirne ausführen. Aus diesem Grunde dient der Meridiankreis, heute als das vorzüglichste Fundamentalwerkzeug der sphärischen Astronomie. Der Meridiankreis muß dazu aber sowohl in seiner Konstruktion das vollkommenste mechanische System darstellen als auch bezüglich seiner Aufstellung absolut sicher und soweit nur irgend möglich unveränderlich gelagert sein.
Die ersten Durchgangsinstrumente, die mit einem Vertikalkreise versehen waren, hat schon O. Römer verwendet, später sind solche von Reichenbach und besonders von Repsold gebaut worden. Die Gestalt, die diese Künstler dem Meridiankreis gegeben haben, ist saß ohne wesentliche Aenderung bis auf den heutigen Tag beibehalten worden. Das Instrument besteht in seinen wesentlichen Teilen aus einem kräftigen Fernrohr von etwa 825 cm Oeffnung und 121/2 m Brennweite, das in seiner Mitte mit einer senkrecht zur Sehrichtung stehenden Achse von 111/2 m Länge verbunden ist. Diese Achse ruht mit entsprechenden Stahlzapfen in Lagern, die an äußerst sicher tief im Erdboden fundierten Lagern angebracht sind, und zwar in einer angemessenen Höhe über dem Fußboden des Beobachtungsraumes. Auf dieser Achse ist der dazu senkrecht stehende Kreis so befestigt, daß seine Teilung vom Fernrohr abgewendet ist und mittels vier oder sechs Mikroskopen, die entweder direkt am Pfeiler oder in neuerer Zeit an besonderen Rahmen befestigt sind, abgelesen werden kann. Die Teilung ist auf dem Kreise (früher bis zu 1 m, jetzt nur etwa 0,50,6 m Durchmesser) bis auf 2 oder 5 Bogenminuten herab durchgeführt Die Ablesegenauigkeit mittels der Mikroskope geht direkt fall stets bis zu 1 Bogensekunde.
Die Bedingungen, welchen ein solches Instrument genügen soll, sind die folgenden: Absehenslinie des Fernrohres (Verbindungslinie der Mitte des Objektivs mit dem Kreuzungspunkt der Mittelfäden im Gesichtsfeld) stehe senkrecht auf der ideellen Umdrehungsachse, diese liege sowohl genau horizontal als auch genau von Ost nach West in ihren Lagern. Der Kreis soll genau vertikal zur Umdrehungsachse stehen und sein Teilungszentrum soll mit der Umdrehungsachse zusammenfallen. Ist außerdem auch die Teilung ohne Fehler, so würde man die Durchgänge der Gestirne an dem bei der Drehung des Instruments um seine Achse den Meridian beschreibenden Mittelfaden genau bei ihrer Kulmination beobachten und an dem Kreis die Meridianzenitdistanzen beobachten können, falls derjenige Punkt auf demselben bekannt ist der genau der Zenitstellung des Fernrohres entspricht. Alle diese Bedingungen sind aber nie genau erfüllbar, und es müssen daher die Abweichungen des Instruments von der idealen Gestalt und Aufstellung bestimmt werden. Dazu sind eine Reihe von Nebenapparaten notwendig, z.B. eine[365] Libelle auf den Achsenzapfen zur Bestimmung der Abweichung von deren Lage gegen den Horizont; Kollimatoren (s.d.) zur Bestimmung des Winkels zwischen Umdrehungsachse und Absehenslinie. Zu beiden Untersuchungen kann auch ein unter oder wohl auch über dem Instrument angebrachter Quecksilberhorizont (vgl. Horizont) benutzt werden. Miren für die Kontrolle des Azimuts der Achse s. Meridianmarke. Um die Fehler der Teilungen zu untersuchen, verwendet man noch Hilfsmikroskope.
Die großen Meridiankreise der Neuzeit sind äußerst komplizierte Instrumente, an denen alle nur denkbaren Vorkehrungen gegen Veränderung der Instrumental- und Aufstellungsfehler getroffen sind. Fig. 1 stellt einen neueren Repsoldschen Meridiankreis dar; die Pfeiler sind mit Holz verkleidet, die Mikroskope werden von besonderen Rahmen getragen, die den Kreisen mit gleichmäßiger Verteilung der Massen gegenüberstehen, um Verschiedenheit der Strahlung zu vermeiden. Das eigentliche Fernrohr ist mit zwei an dem Mittelkubus beteiligten weiteren Stahlrohren umgeben, damit einmal eine gleichförmige Temperatur des Fernrohrs erzielt wird und dann auch ein Schutz für dasselbe vorhanden ist. Aus ersterem Grunde sind auch die Kreise nach unten hin durch Schutzbleche gedeckt. Es würde hier viel zu weit führen, auf die weiteren Einzelheiten dieser Instrumente einzugehen; es mag nur noch bemerkt werden, daß ein Meridiankreis von etwa 20 cm Oeffnung mit vollkommener Ausrüstung etwa 2000030000 ℳ. kostet und daß nur verhältnismäßig wenig mechanische Werkstätten imstande sind, solche Instrumente in aller Vollkommenheit herzustellen.
Meridiankreise von kleineren Dimensionen, als transportable Instrumente eingerichtet, wurden früher mehrfach gebaut; Fig. 2 stellt einen solchen von Brunner in Paris dar. Diese Instrumente entsprechen aber der Bestimmung des Meridiankreises, fundamentale Beobachtungen zu liefern, nicht im gehörigen Maße. An deren Stelle verwendet man heute meist große Universalinstrumente (s.d.) oder getrennt für beide Koordinaten gute Durchgangsinstrumente und Vertikalkreise.
Literatur: Beschreibungen und Abbildungen der Meridianinstrumente der Sternwarten s. in den von den einzelnen Observatorien herausgegebenen Publikationen, vor allem in den Annalen des Harvard College in Cambridge (Amerika), in den Greenwich Observations 1852 und 1867; in der Beschreibung der Pulkowaer Sternwarte und in den Annalen der Sternwarten zu Straßburg und Kiel, wo der neueste und vollkommenste Meridiankreis der Gegenwart aufgestellt ist (Annalen der Sternwarte zu Straßburg 1896 und Astronomische Beobachtungen auf der Sternwarte zu Kiel, 1. Heft, Leipzig 1905). Alles zum Verständnis der Meridiankreise Erforderliche ist unter Beifügung zahlreicher Abbildungen enthalten in Ambronn, L., Astronom. Instrumentenkunde, Berlin 1899, Bd. 2, S. 960 ff. Historisches enthält: Repsold, J., Zur Geschichte astronomischer Meßwerkzeuge, Leipzig 1908.
Ambronn.
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