Parlamentshaus

[42] Parlamentshaus, Reichstags- oder Landtagsgebäude, ein öffentliches Gebäude, in welchem die von dem Volke gewählten Vertreter oder Abgeordneten tagen, in Sitzungen beraten und die Mitregierung ausüben; dasselbe muß einen der Größe des Staats entsprechenden und würdigen Ausdruck geben. Je nach der Landesverfassung besteht die Vertretung aus einer oder aus zwei Kammern oder Häusern, und demgemäß sind ein oder zwei Sitzungssäle mit den nötigen Nebenräumen anzuordnen.

Für die räumliche Ausdehnung des Sitzungssaals ist die Anzahl der Vertreter, für welche der Flächenraum von ca. 1,50 qm nicht überschritten werden sollte, bestimmend. Bei großen Sälen sollte, um das Hören des gesprochenen Wortes nicht zu erschweren, die Höhe in bescheidenen Maßen gehalten werden. Zur Tagesbeleuchtung ist hohes Seitenlicht oder auch Oberlicht zu beschaffen. Die Sitzungssäle sind im unteren Geschosse von Vorplätzen mit Kleiderablagen u.s.w. zu umgeben, darüber liegen die Galerien für das Publikum, für den Hof, Diplomatie, für die Presse u.s.w., welche auf getrennten Wegen ihren Zugang haben müssen. In nächster Nähe des Saales sind die Arbeitszimmer des Vorstands, der Schriftführer, der Stenographen sowie Kanzleien u.s.w. anzulegen; ebenso die Erholungs- und Leseräume, Sprechzimmer u.s.w. der Abgeordneten. In besonderen Abteilungen sollen die Geschäftszimmer der[42] Regierungsvertreter, die Sitzungssäle der Kommissionen, Bibliothekräume, Empfangszimmer für den Hof liegen, jedoch alle in bequemer Verbindung mit den Haupträumen. Haupt- und Nebeneingänge mit Zufahrten, große Vorhalle mit Pförtnerzimmer, zugfreie Vorplätze und reiche Treppenanlagen vermitteln den inneren Verkehr. Wohnungen sind zu beschaffen für den Hauswart und etwa solche für die Vorstände. – Ueber die Gesamtanordnung und die inneren Einrichtungen sind in den Fachzeitschriften zahlreiche Veröffentlichungen erschienen, worauf hiermit verwiesen wird.


Literatur: [1] Handbuch der Architektur, 4. Teil, 7. Halbbd., Darmstadt 1887, S. 404, Parlamentshäuser von H. Wagner und Paul Wallot. – [2] Encyclopédie d'arch. 1882, S. 25, Terrier, L'installation des parlements. – [3] Allgem. Bauztg., Wien 1883, S. 71, v, Ferstel, Reichstagsgebäude, Berlin 1869/70, S. 214; Ybl, Parlamentsgebäude Budapest. – [4] Zeitschr. für Bauwesen, Berlin 1887, S. 201, Ende & Böckmann, Landtagshaus in Danzig. – [5] Deutsche Bauztg., Berlin 1875, S. 263 ff., Hansen, Entwurf zu dem österreichischen Parlamentshaus Wien; 1885, S. 329, Das eidgenössische Parlamentsgebäude in Bern; 1893, S. 589 ff., Neckelmann, Landesausschußgebäude in Straßburg; 1894, S. 541, Wallot, Reichshaus in Berlin. – [6] Zentralbl. der Bauverwalt., Berlin 1882, S. 229 ff., Reichstagsgebäude in Berlin; 1890, S. 145, Schulze, Parlamentsgebäude für Rom; 1894, S. 441, Streiter, Zur Baugeschichte des Reichstagshauses in Berlin. – [7] The Builder, London 1869, S. 644, Lynn, Houses of parliament, Sydney; 1870, S. 425, Fuller & Lawer, Capitol for the state of New York; 1885, S. 135, Barry, Design for houses of parliament. – [8] Straßburg und seine Bauten, Straßburg 1894, S. 411 ff. – [9] Berlin und seine Bauten, Berlin 1896 (W. Ernst & Sohn), Bd. 2, S. 53 ff.

Weinbrenner.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 42-43.
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