Pseudoskopische Erscheinungen

[272] Pseudoskopische Erscheinungen, Täuschungen über Gestalt, Richtung oder Größe von Figuren und Gegenständen infolge unwillkürlicher Befangenheit bei Beurteilung des Gesehenen.

Ein Quader mit ungleichen Dimensionen erscheint uns meist größer als ein gleichgroßer Würfel; von zwei gleichhohen Zimmern halten wir das größere für niedriger als das kleinere; von den beiden Hälften einer geraden Linie erscheint die eine größer, wenn man sie in Unterabteilungen teilt; Sonne oder Mond erscheinen größer nahe am Horizont als hoch am Himmel, weil wir uns vom Himmel die Vorstellung eines flachen Gewölbes machen und auf dieses als Hintergrund die Sonne und den Mond projizieren. Jedes gute Gemälde soll die Täuschung erwecken, als ob das auf der Fläche Dargestellte auch nach der Tiefe ausgedehnt wäre. Die von Müller-Leyer [1] entdeckte Täuschung, daß zwei gerade Linien verschieden lang erscheinen, wenn an den Enden derselben gleichlange Schenkel unter schiefen Winkeln gezogen werden, aber an beiden Linien in entgegengesetzten Richtungen, hat eine ganze Literatur hervorgerufen, die man in [2] angegeben findet.


Literatur: [1] Du Bois-Reymonds Archiv für die gesamte Physiologie 1889, Suppl. S. 263. – [2] Beiblätter zu den Annal. f. Phys.u. Chem. 18, S. 116, 1894, u. 19, S. 795, 1895.

Aug. Schmidt.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 272.
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