Lichtelektrische Erscheinungen

[514] Lichtelektrische Erscheinungen (aktinoelektrische Erscheinungen), elektrische Erscheinungen, die durch Licht hervorgebracht werden. Hertz beobachtete zuerst, daß, wenn die kugelförmigen Elektroden eines Funkeninduktors oder einer Influenzmaschine so weit voneinander entfernt werden, daß eben keine Funken mehr überspringen, die Entladungen sofort wieder eintreten, wenn man die negative Elektrode durch Licht beleuchtet, das reich an Strahlen sehr kurzer Wellenlänge, insbes. an ultravioletten Strahlen (Wellenlänge ca. 0,00018 mm) ist, z. B. das Licht elektrischer Funken zwischen Aluminiumelektroden oder des Lichtbogens, besonders zwischen Eisen. Strahlen größerer Wellengänge sind unwirksam. Ist ein Telephon in die Leitung eingeschaltet, so läßt es während der Belichtung der Funkenstrecke einen reinen Ton hören, der aber sogleich in ein Geräusch übergeht, wenn man durch eine zwischengeschobene Glasplatte die wirksamen ultravioletten Strahlen abblendet. Die sonst unstet hin und her springenden Funken gehen bei der Bestrahlung von einem Punkte der Elektroden aus und beschreiben im wesentlichen alle dieselbe Bahn, und die Zahl der Entladungen vergrößert sich im Verhältnis 4: 3. Durch einen der Funkenbahn genäherten starken Magneten wird die Wirkung der Bestrahlung sehr geschwächt und kann nahezu vernichtet werden. In Luft ist die Wirkung des Lichtes am stärksten bei einem Druck von 30–40 mm Quecksilber, sie nimmt bei Vergrößerung und bei Verminderung des Druckes ab; unter 5,8 mm Druck ist keine Wirkung mehr bemerkbar. Auch das Material der Elektroden ist von Einfluß; bei Platin ist die Wirkung bedeutend stärker als bei andern Metallen, wohl deswegen, weil Platin die ultravioletten Strahlen besser absorbiert. Nach Warburg beruht die Wirkung auf Verminderung der Dauer der Verzögerung. Stellt man nämlich zwischen zwei Elektroden eine Spannungsdifferenz her, die eben zur Entladung ausreicht, so tritt diese nicht sofort ein, sondern erst nach einer bestimmten Zeit, die mehrere Minuten betragen kann. Durch die Bestrahlung wird diese Zeit abgekürzt. Nach Lenard entstehen da, wo die Strahlen auftreffen, Kathodenstrahlen, die als die eigentliche Ursache zu betrachten sind, d.h. es wird Fortschleuderung negativ elektrischer Partikelchen (Elektronen) von äußerst geringer Masse veranlaßt. Damit stimmt überein, daß nach Hallwachs eine negativ geladene, isolierte amalgamierte Zinkplatte, von dem Licht einer Bogenlampe getroffen, ihre Ladung verliert (lichtelektrische Entladung). Die Oberfläche wird dabei rauh. Eine isolierte und vorher zur Erde abgeleitete Platte nimmt durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht aus gleichem Grunde positiv elektrische Lat. ung an (lichtelektrische Erregung). Auch Oberflächen von Flüssigkeiten als Kathoden sind lichtelektrisch empfindlich, reines Wasser weniger als absorbierende Lösungen, besonders von Farbstoffen. Nach Elster und Geitel haben hohe Empfindlichkeit: Flußspat an frischen Bruchflächen, ganz besonders aber die reinen Alkalimetalle (Kalium, Natrium) und die Alkalimetallamalgame. Auf diese Tatsache sich stützend, konstruierten sie ein Photometer (Aktinometer). In einer verschlossenen Röhre befindet sich bei möglichst günstigem Luftdruck (400 mm Hg) Kalium oder Natrium oder deren Amalgam. Dasselbe wird negativ geladen. Wird es nun beleuchtet, so entladet es sich in mehr oder minder langer Zeit. Diese Entladungszeit gibt ein Maß für die Intensität der Bestrahlung. Wird eine frisch gereinigte Zinkplatte negativ geladen und der Einwirkung von Sonnenlicht ausgesetzt, so zeigt sie anfänglich eine rasche Zerstreuung, die aber bald sich verlangsamt und schließlich sehr klein wird (Ermüdung). Bringt man die Scheibe einige Zeit ins Dunkel, so erholt sie sich wieder und zerstreut wie anfänglich. Polarisiertes Licht wirkt am stärksten, wenn die Schwingungen in die Oberfläche der Platte fallen, d.h. wenn die Polarisationsebene mit der Einfallsebene zusammenfällt. Nach Lenard wird Luft durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht mehr oder weniger leitend, d.h. die Moleküle zerfallen in Ionen (Ionisierung der Luft). Infolgedessen verliert auch ein positiv geladener Körper etwas von seiner Ladung, aber bedeutend weniger als ein negativ geladener. Ähnlich wirken Kathodenstrahlen, Röntgenstrahlen und Becquerelstrahlen. Vgl. auch Lichttelegraphie.

Gewisse Metalle und Metallsalze weisen, in einen Elektrolyten eingetaucht, bei der Belichtung durch die chemisch wirksamen Strahlen gegen ein unbelichtetes Stück desselben Metalls oder Salzes eine Potentialdifferenz (elektromotorische Kraft) auf, sie können sogar einen schwachen Strom erzeugen (photoelektrischer Strom). Stellt man z. B. zwei gleiche Kupferplatten, die mit einer schwachen Oxydschicht bekleidet sind, in Kochsalzlösung und belichtet die eine, so entsteht eine Potentialdifferenz zwischen beiden von etwa 1/20 Volt. Ähnlich ist es mit Silber in Kochsalz, [514] Bromsilber in Bromkalilösung, Chlorsilber in Kochsalz- oder Salzsäurelösung, Selen in besonderer Modifikation (s. unten) in einem Elektrolyten oder Wasser u.a. Röntgenstrahlen und Kathodenstrahlen bringen auch hier dieselbe Erscheinung hervor wie Licht. Sie beruht wohl zum größten Teil darauf, daß das Licht die belichtete Elektrode chemisch verändert (Bromsilber, Chlorsilber) und dadurch eine Potentialdifferenz hervorbringen muß; der Strom sucht die Veränderung rückgängig zu machen.

Der elektrische Widerstand des metallischen Selens wird durch Bestrahlung mit Licht wesentlich vermindert. Diese Erscheinung zeigt das Selen in einer besondern Modifikation, die man durch stundenlanges Erhitzen des gewöhnlichen Selens über 200° im Paraffinbad erhält. Nach Aufhören der Bestrahlung nimmt auch der Widerstand des Selens seine ursprüngliche Größe wieder an. Dies geschieht im Anfang momentan, der letzte Rest der Belichtungswirkung verschwindet aber erst nach sehr langer Zeit. Die verschiedenen Lichtarten verhalten sich sehr verschieden, ein Maximum der Wirkung scheint im Grüngelb des sichtbaren Spektrums zu liegen. Zur Konstruktion eines absoluten Photometers (ohne Vergleichslichtquelle) eignet sich die Selenplatte wegen der Nachwirkung der Belichtung und der Unstetigkeit der Wirkung (s. oben) nicht, wohl aber kann man die Gleichheit zweier Beleuchtungen feststellen; hierauf beruht das Siemenssche Selenphotometer.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 514-515.
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