[629] Rahmenberechnung. Als Rahmenbinder bezeichnet man vollwandige Tragwerke mit vertikalen oder nur wenig geneigten Ständern (Stielen), die oben mit horizontalen oder gesprengten Querbalken steif verbunden sind. Die Auflagerung der Rahmenfüße geschieht entweder mit Gelenken oder mittels fester Einspannung. Die Rahmen werden in verschiedenster Ausbildung besonders im Eisenbetonbau als Dachbinder oder als Hallenbinder angewendet. Außer den einfachen zweistieligen Rahmen unterscheidet man noch die kontinuierlichen Rahmen mit mehreren Feldern und mehr als zwei Ständern.
In statischer Beziehung sind die einfachen Rahmenbinder als Bogenträger anzusehen, denn jede vertikale Belastung des oberen Querbalkens ruft in den Auflagern einen Horizontalschub hervor. Je nach den Auflagerbedingungen hat man es mit Zweigelenkrahmen oder mit eingespannten Rahmen zu tun. Die unter »Bogen- und Gewölbeberechnung« angegebenen allgemeinen Berechnungsweisen der Bogen mit zwei Gelenken und ohne Gelenke können also ohne weiteres auch für die Rahmen angewendet werden. Wegen der einfachen Form der letzteren können die vorkommenden Integrale meist leicht ausgerechnet werden, so daß man analytische Ausdrücke für die statisch unbestimmten Auflagerreaktionen erhält. Wenn die Rahmenbinder für Hochbauten dienen, so kommen nur wenige bestimmte Belastungsfälle (Eigengewicht, Schnee, Wind) in Betracht, für welche die Verwendung der Einflußlinien keine Vorteile bietet. Da die als Rahmen ausgebildeten Binder meist großen Pfeil und eine von der Stützlinie für ständige Last ziemlich abweichende Form besitzen, so kann bei Ermittlung der statisch unbestimmten Reaktionen die Berücksichtigung der Deformation durch die Normalkräfte unterbleiben, und es genügt, nur die Deformation durch die Momente in Betracht zu ziehen. Bei der Berechnung der Randspannungen sind aber selbstverständlich die auf die Schnitte wirkenden Normalkräfte mit zu berücksichtigen.
1. Zweigelenkrahmen. Als statisch unbestimmte Auflagerreaktion wird der Horizontalschub H eingeführt. Denkt man sich beim Rahmen das linke Auflager horizontal verschiebbar, so muß H so groß sein, daß bei den auftretenden Deformationen keine Spannweiteänderung eintritt. Da infolge des Moments Mx an einer Stelle mit der Ordinate y die Winkeländerung [629] Mx zwischen zwei benachbarten Querschnitten des Rahmens = (Mx/EJ) d s beträgt, die eine Spannweiteänderung von d l = (Mx/EJ) · d s · y Folge hat, so muß
Nun kann Mx = M0 H · y gesetzt werden, wo M0 das Moment für den Fall des balkenartig mit einem horizontal verschiebbaren und einem festen Gelenkauflager aufliegenden Binders bedeutet. Man hat dann
o = ∫(M0/EJ)· y · d s H ∫(y2 · ds/EJ),
woraus
H = [∫(M0 · y/J) · d s]/∫(y2 · d s/J)
folgt.
Die Formel gilt für beliebig gerichtete Belastung. Die Integrale können für die einzelnen Rahmenteile mit konstantem Trägheitsmoment berechnet werden. Sind die J jedoch veränderlich und die Rahmenform unregelmäßig, so erfolgt die Ausrechnung der Summen, indem man in einzelne Lamellen einteilt, für die Mitte der Lamellen die Größen M0 · y/J · s und y2 · s/J ausrechnet und dann addiert. Bei konstantem J eines Rahmenteils kann das ∫M0 · y · d s auch als statisches Moment der senkrecht zur Rahmenebene aufgetragenen M0-Fläche in bezug auf die Verbindungslinie der beiden Auflager gedeutet und berechnet werden.
Infolge Temperaturänderung um τ0 entsteht ein Horizontalschub von
Für eine vertikale Einzellast P in a (Fig. 1) wird M0 für die beiden Ständer je = 0, im oberen Querstück ist für Schnitte links von P M0 = (l a) · P · x und für Schnitte rechts von P M0 = a/l(l a) · P und deshalb
erhalten wird. Für die senkrecht zur Rahmebene gedachte M0-Fläche des oberen Rahmenstücks ergibt sich das statische Moment in bezug auf die Verbindungslinie der Gelenke
Ist der Rahmen für horizontale Windkräfte zu rechnen, so wählt man das bewegliche Auflager zweckmäßig auf der vom Wind abgelegenen Seite, weil dann die Berechnung der Momente M0 einfacher wird.
2. Eingespannter Rahmen. Hierfür gelten ohne weiteres die beim Artikel Gewölbeberechnung (Bd. 4, S. 510) angegebenen Formeln. Macht man wieder das linke Auflager vollständig frei und läßt das rechte eingespannt, so können wir in starrer Verbindung mit dem freien Auflager drei statisch unbestimmte Reaktionen anbringen, die dann so zu bestimmen sind, daß der linke Auflagerquerschnitt sich nicht ändert. Man erhält dann für die drei Reaktionen H, V und M folgenden Ausdruck
Der Angriffspunkt von H und V liegt im Schwerpunkt der elastischen Gewichte. Die M0 bedeuten die Biegungsmomente des rechts eingespannten, links frei ausladenden Balkens (Fig. 3).
Die Integrale können wieder rechnerisch ermittelt werden, wenn die Trägheitsmomente für die einzelnen Rahmenstücke konstant sind und die M0-Flächen keine umständliche Form aufweisen. Man kann bei den gleichen Voraussetzungen auch die ∫M0 · d s · y, ∫M0 d s · x als die statischen Momente der senkrecht zur Rahmenebene aufgetragen gedachten Momentenflächen M0 in bezug auf die x- und y-Achse berechnen.[630]
Für eine Einzellast P in a ergibt sich (Fig. 4)
hiermit wird nach verschiedenen Umformungen erhalten
ferner ist
so daß
Endlich wird
Bei seitlichen, vom Winddruck herrührenden Kräften wählt man das eingespannte Ende des Kragträgers auf der dem Wind zugekehrten Seite. Es treten dann Momente M0 nur in dem dort gelegenen Ständer auf.
Statt des eingespannten und frei ausladenden Balkens kann man auch vom beiderseits frei aufliegenden Balken als statisch bestimmtem Grundsystem ausgehen. Man hat dann zu den Auflagerwiderständen dieses Balkens noch Ergänzungskräfte beizufügen, die man dann wieder in starrer Verbindung mit dem einen Auflager im Schwerpunkt der elastischen Gewichte als X, Y, Z angreifen läßt. Bei vertikalen Lasten werden die Formeln etwas einfacher, jedoch ist die Zusammensetzung der Reaktionen im fertigen System und die ganze Vorstellung der Kräfte etwas umständlicher. Bei horizontalen Kräften ist der Kragträger als Grundsystem vorzuziehen.
Durch den Eisenbetonbau sind die Rahmenbinder sehr in Aufschwung gekommen, dementsprechend ist auch ihre Berechnungsweise, sehr ins einzelne gehend, durch zahlreiche Veröffentlichungen gefördert worden. Die kontinuierlichen Rahmen werden nach der Theorie der kontinuierlichen Träger mit elastisch drehbaren Stützen berechnet.
Literatur: [1] Müller-Breslau, Die neueren Methoden der Festigkeitslehre, 4. Aufl., Leipzig 1913. [2] Handbuch s. Eisenbetonbau, 2. Aufl., Bd. VI. [3] Schächterle, Theorie u. Berechnung der im Eisenbetonbau üblichen elastischen Bogen, Bogenstellungen und mehrstieligen Rahmen, Berlin 1912. [4] Gehler, Der Rahmen, Berlin 1913. [5] v. Bronneck, Einführung in die Berechnung der im Eisenbetonbau gebräuchlichen biegungsfesten Rahmen, Berlin 1913. [6] H. Schlüter, Eisenbetonrahmen und Gewölbe, Berlin 1914.
Mörsch.
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