[653] Schaltapparate. Hochspannungsschalter müssen so konstruiert sein, daß der beim Ausschalten entstehende verhältnismäßig große Lichtbogen zum sicheren Erlöschen gebracht wird.[653]
Es werden deshalb die Ausschalter für Hochspannungsfreileitungen als Hörnerschalter ausgebildet, die nach Fig. 1 am Mast befestigt sind. Die Betätigung erfolgt mittels eines Gestängeantriebes oder mittels Seilwinde und Drahtseil; es wird dadurch eine Bewegung des Schalthebels in der Weise bewirkt, daß der Kontakt a in die Kontaktsendern b eingreift. Der beim Abschalten zwischen a und b auftretende Lichtbogen wird von den darüber befindlichen Hörnern aufgenommen, steigt an denselben hoch und erlischt. Für Hochspannungsschaltanlagen verwendet man ausschließlich Oelschalter, bei denen die Unterbrechung des Stromes in geschlossenen Kästen unter Oel erfolgt. Die Anschlußkontakte (Fig. 2) befinden sich oben auf den Durchführungsisolatoren, die in den Deckel des Oelschalters eingekittet sind. Am unteren Ende der die Isolatoren durchsetzenden Anschlußbolzen sitzen die Kontaktsendern; die Stromunterbrechung geschieht durch ein Kontaktmesser, das senkrecht aus den Kontakten zweier gegenüberstehenden Isolatoren nach unten bewegt wird, so daß also für jeden Pol eine doppelte Stromunterbrechung stattfindet. Die Messer sitzen mittels Isolatoren an einer senkrecht auf und ab beweglichen Traverse. Um die Kontakte bequem kontrollieren zu können, ist eine Einrichtung zum Herablassen des Oeltopfes angebracht, die aus einem einfachen Hebelwerk a besteht. Durch Einbau eines Spannwerkes und Anbringung einer durch einen Elektromagneten auslösbaren Sperrung können die Oelschalter als selbsttätige Schalter Verwendung finden. Fig. 3 zeigt das Schema eines Maximalschalters für Drehstrom. Die Auslösemagnete A geben das Spannwerk in dem Moment frei, wo die Stromstärke auf den Betrag angewachsen ist, für den sie eingestellt sind. Die Schalter für Drehstrom haben zwei Auslösemagnete, die in verschiedenen Phasen liegen, aber auf denselben Sperrmechanismus wirken. Dieser ist so geschaltet, daß die Magnete auch bei festgehaltenem Handhebel auslösen können; mithin ist ein Wiederinbetriebnehmen bei noch bestehender Ueberlastungsursache im Stromkreis ausgeschlossen. Außer mit Maximalauslösung kann der Oelschalter auch noch mit einem Minimalauslösemagneten versehen werden, der den Schalter dann öffnet, wenn aus irgendeinem Grunde die Spannung ausbleibt. In größeren Hochspannungsschaltanlagen, in denen Gleichstrom zur Verfügung steht, verwendet man Oelschalter mit indirekter Auslösung. In Fig. 4 ist das Schaltungsschema für einen Hochspannungsölschalter mit Doppelmaximalrelais und Zeitrelais von Voigt & Häffner, Frankfurt a.M., dargestellt. In zwei Phasen des Hochspannungs-Drehstromnetzes sind zwei Doppelmaximalrelais eingeschaltet, die aus einem kleinen Elektromagneten bestehen, der von dem Hochspannungsstrom erregt wird. Bei Ueberschreitung einer gewissen Stromstärke wird der Anker des Elektromagneten angezogen und dadurch zunächst der Kontakt 1 geschlossen, und dadurch der Gleichstromkreis für das Zeitrelais. Dies besteht aus einer Spule, in deren Höhlung ein Eisenkern hineingezogen wird. Die Bewegung des Kernes wird durch ein Räderwerk mit Windfang gehemmt. Wenn nach Verlauf von 210 Sekunden (einstellbare Grenzen) das Zeitrelais abgelaufen ist, schließt sich ein zweiter Gleichstromkontakt und somit auch der Stromkreis des Auslösemagneten S, wodurch der Oelschalter geöffnet wird. Gleichzeitig schaltet der Kontakt B eine auf dem Schaltbrett befindliche Glühlampe ein, welche anzeigt, daß der Oelschalter ausgeschaltet ist. Durch das Zeitrelais wird also verhindert, daß bei Eintritt einer momentanen Ueberlastung eine sofortige Stromunterbrechung eintritt; erst wenn die Ueberlastung 210 Sekunden andauert, wird durch das Relais der Stromkreis für den Auslösemagneten S geschlossen und dadurch der Oelschalter geöffnet. Um nun bei starkem Kurzschluß eine sofortige Unterbrechung des Stromkreises zu erreichen, ist im Doppelmaximalrelais ein zweiter Kontakt 2 angeordnet. Während bei geringer Ueberlastung nur Kontakt 1 arbeitet, tritt bei starkem Kurzschluß auch Kontakt 2 in[654] Tätigkeit und schließt den Stromkreis für den Auslösemagneten S direkt ohne Zwischenschaltung des Zeitrelais, wodurch bei Kurzschluß der Oelschalter sofort geöffnet wird. Um die Auslösung des Oelschalters aus beliebig weiter Entfernung sofort bewirken zu können, ist es nur notwendig, zwischen a und b eine Leitung nebst einem Druckknopf D anzubringen, durch dessen Betätigung der Stromkreis des Auslösemagneten sofort geschlossen und der Oelschalter geöffnet wird.
Um einzelne Teile einer Anlage vom Netz abzutrennen behufs gefahrloser Vornahme von Reparaturen, sind bei Hochspannungsanlagen Trennschalter (Fig. 5) erforderlich. Ihr Messer ist in dem einen Kontakt drehbar gelagert und wird durch eine Schaltstange betätigt. Sie dürfen nur bei unterbrochenem Stromkreise geschaltet werden, bei langen Freileitungen und Kabeln unter Umständen nur bei spannungsfreiem Zustande des Stromkreises.
Von der Stromquelle aus werden die Leitungen nicht direkt zu den Stromverbrauchstellen geführt, sondern zunächst zu einer Schalttafel, auf der alle Meßinstrumente, Schalter, Umschalter angebracht sind, so daß von hier aus der ganze elektrische Betrieb kontrolliert und geleitet werden kann. Bei kleineren Anlagen sind die Apparate auf einer aus Isoliermaterial, z.B. aus Marmor, begehenden Schalttafel montiert, die an der Wand befestigt wird. Ist die Tafel von der Rückseite aus nicht dauernd zugänglich, so müssen die Leitungsanschlüsse jederzeit von vorn kontrolliert und gelöst werden können. Hierzu dienen Schalttafelklemmen (Fig. 6), die ein Lösen der Leitungen von vorn gestatten. Der hohle, mit einem aufgeschraubten Kopf a versehene Gewindebolzen b wird durch eine Bohrung der Marmortafel gefleckt und mit der Mutter c an dieser festgezogen. Zwischen den Muttern c und d wird die Leitung e nach den Apparaten der Schalttafel und zwischen d und der Glockenmutter g der Kabelschuh f mit der abgehenden Anschlußleitung festgeklemmt. Das Aufpressen der Glockenmutter g, welche durch zwei in Schlitzen des Gewindebolzens gleitende Führungsleisten gegen Drehung gesichert ist, erfolgt durch Anziehen der durch den hohlen Bolzen b hindurchgeführten Kopfschraube h von der Vorderseite der Tafel aus. Durch Aufschrauben der Isolierkappe k auf den Messingtopf a wird dieser einer unbeabsichtigten Berührung entzogen. Größere Schaltanlagen werden als freistehende Schalttafeln ausgeführt. Ein aus - und -Eisen zusammengesetztes Gerüst trägt die Marmortafeln, auf denen die Meßinstrumente und Schalter befestigt sind. Auf der Rückseite der Tafel befinden sich die Sammelschienen, deren Polarität durch Anstrich kenntlich gemacht wird; meist erhält die -Schiene einen roten, die +-Schiene einen blauen und die 0- oder Mittelleiterschiene einen grünen Anstrich. Die Schalttafeln werden in einzelne Felder unterteilt, um für jede Maschine der besseren Uebersicht wegen ein besonderes Schallfeld zu erhalten.
Für Hochspannungsschaltanlagen ist noch ganz besonders Rücksicht auf die Sicherheit des Bedienungspersonals zu nehmen. Man vermeidet deshalb die Anbringung von Hochspannung führenden Teilen auf der Vorderseite der Schalttafeln, wo sie der Berührung während des Betriebs zugänglich sind. Auf der Schalttafel sind nur die an der Niederspannungsseite der Meßtransformatoren angeschlossenen Instrumente und die Schalthebel angeordnet. Das gesamte Hochspannungsgerüst wird dagegen in einem besonderen Räume untergebracht, der sich hinter oder auch unter der Schalttafel befinden kann. Die Hochspannungsschaltanlage wird nach dem Ring- oder dem Doppelsammelschienensystem ausgeführt. Wird nur ein Sammelschienensystem angeordnet, so sind die Generatoranschlüsse und Verteilungszweige unter Zwischenschaltung von Schalter und Sicherungen mit diesen verbunden. Treten nun irgendwelche Störungen auf, so muß die ganze Anlage spannungslos gemacht werden oder es müssen die Reparaturarbeiten unter schwierigen, gefährlichen Verhältnissen vorgenommen werden. Bei dem Ringsystem bilden die Sammelschienen für die Generatoren und Verteilungszweige eine gemeinsame Ringleitung mit Trennschalter zwischen jedem Transformator und jedem Verteilungszweig, so daß bei Defekten der betreffende Teil ohne Nachteil für den ungestörten Betrieb der übrigen Teile abgeschaltet werden kann. Dasselbe kann man mit dem Doppelsammelschienensystem erreichen (Fig. 7). Außerdem kann mittels der für die Generatoren und Kabel angeordneten Trennschalter jeder Generator mit jedem Abzweig verbunden werden, so daß man zwei getrennte Betriebe führen oder eine Maschine für besondere Zwecke auf eine bestimmte Betriebsgruppe schalten kann.[655]
Die Hochspannungsschaltanlage unterteilt man in der Weise, daß man für jeden Generator oder Kabelzweig eine in sich vollständig abgegrenzte Schaltzelle, in der sich alle notwendigen Schaltapparate, Meßtransformatoren, Meßinstrumente und Verbindungen befinden, anordnet (Fig. 8). Die Zwischenwände für die Zellen sind aus nichtleitendem Material, wie Beton, Asbestschiefer, herzustellen. Ist wenig Raum vorhanden, z.B. bei Bergwerksanlagen unter Tage, so wählt man Schaltkästen, die alle notwendigen Apparate enthalten; bei größeren Anlagen vereinigt man mehrere derartige Kästen. Um notwendige Reparaturen an Meßinstrumenten und Schaltern erst dann ausführen zu können, wenn die Apparate aus der Nähe der stromführenden Teile entfernt sind, hat man ausfahrbare Schaltwagen konstruiert. In Fig. 9a und 9b ist ein Schaltwagen der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft, Berlin, dargestellt. Die zu einem Generator oder einem Speisekabel gehörigen Schalt- und Meßinstrumente sind auf einem mit vier Rollen versehenen Rahmen montiert, der die Oelschalter und die für die Instrumente nötigen Strom- und Spannungstransformatoren trägt. Auf der Rückseite des Schaltwagens befinden sich die Anschlußkontakte, die die Verbindung mit den Sammelschienen und den Anschlußleitungen herstellen. Sehr häufig unterteilt man die Schaltanlage in der Weise, daß man die Instrumente für die Generatoren an freistehenden Schaltsäulen oder Schaltpulten unterbringt, die auf dem Schaltpodium derartig aufgestellt sind, daß der Schalttafelwärter bei der Beobachtung der Instrumente sein Gesicht dem Maschinenraum zuwendet. Die Apparate und Instrumente für die Abzweigungen werden dann auf einer den Schaltsäulen bezw. dem Schaltpulte gegenüberliegenden Schallwand angebracht.
Literatur: Holzt, Schule des Elektrotechnikers, Bd. IV, Leipzig 1913.
Körner.
Lueger-1904: Schaltapparate [1]
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