Speisegraben

[168] Speisegraben (Zubringer, Rigole) ist ein Kanal, der das Wasser einem Schiffahrtskanäle (s.d.) oder sonst irgendeiner Verwendungsstelle mit natürlichem Gefälle zuführt, und zwar entweder von einem Wasserlaufe oder von einem Sammelweiher aus.

Die bedeutendsten derselben, die unmittelbar die Scheitelstrecke eines Schiffahrtskanales speisen, heißen Hauptspeisegräben, solche, die in die tieferen Haltungen einmünden, sekundäre Speisegräben. Von letzteren gilt die Regel, daß die Anlage mehrerer kleiner Gräben im allgemeinen vorteilhafter ist als die eines großen wegen leichterer Wasserentnahme aus den Flüssen. Die Speisegräben für Schiffahrtskanäle Folien zunächst den Maximalverbrauch der zugehörigen Haltungen decken, d.h. derjenigen Haltungen, die bis zum allfällig nächst unteren Zubringer vorkommen, und gleichzeitig den eignen Wasserverlust (vgl. Schiffahrtskanäle). Ueberdies sollen sie solche Wassermengen zu führen imstande sein, daß sie im Bedarfsfalle auch den einen Oder andern benachbarten Zubringer ersetzen und endlich die trockengelegten Haltungen in kürzester Zeit wieder füllen können. Das Querprofil und Gefälle der Zubringer berechne man, unter Annahme einer mittleren Geschwindigkeit von 0,4–0,7 m pro Sekunde, in der Regel mit der Bedingung eines vorteilhaftesten Querprofils (s. Querprofil für Flüsse und Kanäle). Unter 0,3 m pro Sekunde soll die Geschwindigkeit im Zubringer nie linken, damit sein Profil durch den sonst wegen der geringen Wassertiefe sich einstellenden starken Graswuchs nicht verlegt werde. Um letzteres zu verhindern, müssen die Zubringer öfters geräumt werden, was am besten durch das Herausreißen der Wasserpflanzen geschieht. Am Anfange a (vgl. die nebenstehende Figur) des Speisegrabens, d.i. an der Ableitungsstelle aus dem durch das Wehr w aufgebauten Flusse f sowie am Ende b desselben, vor der Einmündung in den Schiffahrtskanal k, sollen Ablagerungsbassin, Schlammbassin a, b angeordnet sein, im Bedarfsfalle auch inzwischen, wo sich leicht Erbreiterungen ergeben. Fernere Bauten an Speisegräben sind die Speise- oder Einlaßschleusen c am Anfange und d am Ende derselben sowie auch allenfalls an Kreuzungen e der Rigolen mit Wasserläufen f; an diesen letzteren Speisepunkten kommen dann, wenn der Bach unterführt wird, zugleich Sperrschleusen vor, die das Bachwasser im Bedarfsfalle aufstauen und in den Speisegraben zwingen. Bei diesbezüglichen Niveaukreuzungen aber gibt es nur Sperrschleusen e', deren Fachbaum in der Höhe der Kanalsohle und deren Schützenoberkante etwa um 0,1 m über dem Normalspiegel der Rigole angeordnet wird. Die Einlaßschleuse d in den Schiffahrtskanal befindet sich auf der Außenseite des Leinpfades. In dieser Nähe ist noch eine Ablaßschleuse n, die das überschüssig zugeführte Wasser in einen Entlastungsgraben g abziehen läßt, und die auch zur Entleerung des Speisegrabens, gleich wie die Sperrschleuse e' benutzt werden kann. Für gewöhnlich haben die Zubringer der Lateralkanäle nur eine geringe Längenentwicklung, während die Zubringer, die zur Speisung der Scheitelhaltung der Schiffahrtskanäle dienen, oft eine Länge von 20–30 km erreichen und infolgedessen auch schwierige Kunstbauten erheischen. So kommen im Zubringer d'Jonne (Kanal du Nivernais) mehrere Aquädukte vor, von denen der bei Montreuillon über 33 m hoch und 145 m lang ist; beim Zubringer du Noirrieu (Canal de St. Quentin)[168] ist wiederum ein Tunnel von 13,8 km Länge zur Ausführung gelangt. Vielfach werden die Zubringer gleich derart profiliert, daß sie auch schiffbar sind und dann gleichzeitig Stich- oder Zweigkanäle darstellen. Hierbei soll die Geschwindigkeit im Zubringer, um die Schiffahrt nicht zu behindern, nicht mehr als 20 cm/sec betragen. Wo es möglich ist, können auch kleinere, natürliche Wasserläufe ganz oder teilweise als Zubringer benutzt werden. Behufs Verminderung der eignen Wasserverluste werden die künstlichen Zubringer hinsichtlich der Dichtung ihres Profils gleich den Schiffahrtskanälen (s.d.) behandelt.


Literatur: [1] Deutsche Bauztg. 1874, S. 2. – [2] Debauve, Des eaux comme moyen de transport, Bd. 10, Paris 1878. – [3] Zeitschr. für Bauwesen 1882, Taf. 45. – [4] Zeitschr. des Arch.- u. Ing.-Vereins zu Hannover 1886, S. 337, Taf. 23. – [5] Annales des ponts et chaussées 1880, Bd. 2. – [6] Canaux par F.B. de Mas, Paris 1904. – [7] Handbuch der Ingenieurwissenschaften, Bd. 3, Der Wasserbau, Leipzig 1895.

Pollak.

Speisegraben
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 168-169.
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