[259] Aquädukt (aquae ductus), jene Art von Wasserleitung, die das zur Versorgung eines Objektes bestimmte Wasser in Kanälen (oder Röhren) beiführt, die auf einem über dem Gelände errichteten Unterbau aufruhen.
Derartige Baukonstruktionen werden bei größeren Höhen sehr teuer, besonders auch deswegen, weil man in Rücksicht auf ein gutes Aussehen und geringen Unterhaltungsaufwand allen sichtbaren Flächen eine saubere Bearbeitung geben muß und weil im Verhältnis zu dem ganzen kubischen Inhalte eines Aquäduktes die sichtbaren Flächen sehr groß sind. Man verwendet deshalb Aquädukte in der neueren Zeit nur dann, wenn sie erhebliche Betriebsvorteile gegenüber den im Boden verlegten Rohrleitungen (Siphons) gewähren. Diese Vorteile bestehen in der Regel: 1. In der Anwendbarkeit eines sehr geringen spezifischen Gefälles. Es ist bei größerer Wassermenge zulässig, in offener Rinne auf das Gefälle von 1:10000 herabzugehen, ohne daß die Beschaffenheit des geförderten Wassers nachteilig beeinflußt wird, während man bei gußeisernen oder schmiedeeisernen Siphons (s.d.) zur Verhinderung einer raschen Inkrustation bezw. Oxydation die Geschwindigkeit des Durchflusses nicht auf weniger als 0,40 m per Sekunde herabmindern sollte. 2. In der größeren Sicherheit der Konstruktion, die durch die leichte Zugänglichkeit zu der wasserführenden Rinne (den Röhren) und durch den geringeren Druck des Wassers auf die Leitungswände geboten ist. 3. In der Möglichkeit, die leicht zugängliche Wasserrinne (die Röhren) jederzeit bequem und an beliebigen Stellen reinigen bezw. reparieren zu können, was bei geschlossenen, tief unter dem Boden und ganz oder teilweise unter Wasser liegenden Talunterfahrungen (Siphons) stets mit großen Schwierigkeiten verknüpft ist. 4. In der großen Dauerhaftigkeit solid gebauter derartiger Anlagen gegenüber den als Ersatz verwendeten gußeisernen oder schmiedeeisernen Druckleitungen (Düker, Siphons), deren Dauer nur eine beschränkte ist, weil man eiserne Röhren gegen Oxydation nicht vollkommen zu schützen vermag. Häufig spricht zugunsten der Aquädukte auch der Umstand, daß es bei reißenden, zu Auskolkungen geneigten Strömen gefährlich ist, Leitungen unter deren Sohle zu legen, während Ueberbrückungen sich ohne Gefahr herstellen lassen. Flüsse, die mächtige Hochwasser führen und von felsigen, steilen [259] Ufern umgeben sind, gestatten die Herstellung von Aquädukten über das Flußbett manchmal auch mit den gleichen oder mit geringeren Kosten wie die Herstellung von Siphons. Zu diesem Zwecke werden in der neueren Zeit nicht nur gemauerte oder Betonaquädukte hergestellt, wie vorstehende Abbildung des 1885 erbauten Aquädukts über die Murg bei Weißenbach (Baden) zeigt, sondern man verwendet hierzu auch Eisenkonstruktionen [1], [2]. Auch sind schon gußeiserne Rohrleitungen durch einfache Armierung zu Aquädukten gestaltet worden [3]. Während man über die Dauer gußeiserner Rohrleitungen noch keine unwidersprochenen Erfahrungen besitzt, fleht die große Dauerhaftigkeit der Aquädukte geschichtlich seit. Anlagen im Alter von mehr als einem Jahrtausend werden heute noch benutzt [4]. Aus der Reihe der berühmten älteren Aquädukte [5] geben wir untenstehend eine, Abbildung des sogenannten »Pont du Gard«, der von den Römern für die Wasserversorgung von Nîmes (lat. Nemausus) erbaut worden ist. Fast in allen Weltteilen, welche die Römer erobert haben, sind durch sie ähnliche Bauten errichtet worden. Unter dem Langobardenkönig Theodorich (741) wurden der Aquädukt von Spoleto, im Mittelalter die Aquädukte von Siena und Pisa hergestellt. In der neueren Zeit sind gemauerte Aquädukte in größerem Maßstabe bei dem Bau der Wiener Hochquellenleitung [6], solche aus Beton bei Lima in Spanien, insbesondere aber bei den neuen Quellwasserzuleitungen nach Paris [7] zur Anwendung gekommen. Technisch erheblich ist, daß Aquädukte nur dann ohne Nachteil bestehen können, wenn das in den Rinnen (oder Röhren) transportierte Wasser sich in ständiger Bewegung befindet. Wo zeitweise Ruhe eintritt, besteht die große Gefahr, daß im Winter das Wasser einfriert und im Sommer sich zu sehr erwärmt. Die Folgen sind Zerstörungen an der wasserführenden Rinne (Röhre) bezw. Ungenießbarkeit des vorgewärmten Leitungswassers. Bei Siphons, die tief genug liegen, treten solche Vorkommnisse nicht ein. Aquädukte halten sich deshalb am besten in einem leuchten, geringem Temperaturwechsel unterworfenen Klima. In der Regel werden sie als Wasserzuführungsleitungen, nicht als Verteilungsleitungen benutzt, und dann ist stets Bewegung in der Wasserrinne vorhanden. Indessen erleiden die gemauerten Aquädukte auch in diesem Falle in unserm Klima durch die schrofferen Temperaturwechsel kleine Nachteile; es bilden sich Haarrisse in den Wasserrinnen. Neuerdings hat man in Wien und, wie es scheint, mit Erfolg versucht, durch einen Ueberzug mit Boschin (s.d.) die Haarrisse unschädlich bezw. die Wasserrinne vollständig dicht zu machen [8]. Ueber dem offenen Spiegel von Aquäduktrinnen muß die Luft gut zirkulieren können; deshalb sind von Zeit zu Zeit Lustöffnungen zur Aspiration und Pulsion anzubringen. Geschlossene, in Aquädukten liegende Rohrleitungen dagegen sollen der Luftzirkulation nicht ausgesetzt werden; der freie Luftraum zwischen Einhüllung und Rohr ist vielmehr nur als schlechter Wärmeleiter auszunutzen. Ausfüllungen dieses lufterfüllten Zwischenraumes mit Wolle, Kälberhaaren, Kieselgur, Schlacke, Asche u.s.w. empfehlen sich nicht, weil man dadurch die Zugänglichkeit erschwert und unter Umständen schädliche chemische Einwirkungen auf die Oberfläche der Röhren hervorruft. Sehr häufig werden in der neuesten Zeit Tragkonstruktionen bestehender Brücken zum Aufhängen von Rohrleitungen oder Wasserrinnen benutzt. Auch derartige Anordnungen fallen unter die Bezeichnung Aquädukte. Die statische Berechnung der Aquädukte erfolgt in ganz gleicher Weise wie bei den Brücken. Als zusätzliche Maximalbelastung ist das Gewicht des Wassers und der Leitung nebst jenem der eventuellen Schneelast und der Arbeiter zu rechnen, die bei Reparaturen auf dem Aquädukte verkehren müssen. Die spezifische Belastung des Mauerwerks der Pfeiler ist sehr verschieden; sie wechselt zwischen 4 kg und 44 kg per Quadratzentimeter. Letztere entspricht dem noch erhaltenen Aquädukte von Spoleto (ausgeführt 741) und dürfte wohl das Maximum sämtlicher für gemauerte Pfeiler gewagter spezifischer Belastungen darstellen. Hinsichtlich Dimensionierung der offenen Wasserrinnen bezw. Röhren ist unter Wasserleitung nachzusehen. Weiteres in [9].
Literatur: [1] Roebling, Nouv. annales de la construction, Jahrg. 1865, S. 38. [2] Schweizer. Bauzeitung, Bd. 11, S. 69, Jahrg. 1888. [3] The Engineer. and Build. Record, Bd. 21, S. 57, Jahrg. 1889. [4] Belgrand, Les travaux souterrains de Paris, Bd. 3, Les anciennes eaux, Paris 1878. [5] Rondelet, Giov., Descrizione dei principali acquidotti costrutti sino ai giorni nostri corredata delle leggi o costituzioni imperiali su qui acquidotti e d'un tunto idraulico, Memoria, Mantua 1841. (Enthält Zeichnungen und Beschreibungen der Aquädukte von Rom, Nîmes, Lyon, Metz, Burgas, Caserta, Castellana, Montpellier, Spoleto, Bricari, Arceuil, Maintenon; ebenso die Mitteilungen des Frontinus.) [6] Mihatsch, Der Bau der Franz-Josephs-Hochquellenwasserleitung, Wien 1881. [7] Belgrand, Les travaux souterrains de Paris, Bd. 4, Les eaux nouvelles, Paris 1882. [8] Wochenschrift des österr. Ingen.- und Archit.-Vereins, Jahrg. 1891, S. 217. [9] Lueger, Wasserversorgung, Heft IV, Darmstadt 1894.
Lueger.
Buchempfehlung
Der junge Wiener Maler Albrecht schreibt im Sommer 1834 neunzehn Briefe an seinen Freund Titus, die er mit den Namen von Feldblumen überschreibt und darin überschwänglich von seiner Liebe zu Angela schwärmt. Bis er diese in den Armen eines anderen findet.
90 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro