Staumauern

[274] Staumauern, graphische Berechnung (im übrigen s. Stauanlagen).

Kleinere Staumauern erhalten wie die Stützmauern meistens einen trapezförmigen Querschnitt;[274] größeren Mauern gibt man aus Sparsamkeitsgründen in der Regel an der Vorderfläche, häufig auch an der Hinterfläche, einen konkaven Anlauf. Bei ersteren genügt es, die Häuschen Verhältnisse an der Grundfläche der Mauer (A B in Fig. 1) und in der Fundamentfläche zu untersuchen; bei letzteren dagegen (Fig. 2) muß die Untersuchung für verschiedene wagerechte Schnitte durchgeführt werden. In der Regel wird verlangt, daß die im Mauerwerk bezw. im Fundament auftretende größte Spannung die zulässige Grenze nirgends überschreite und daß an der Hinterfläche keine Zugspannungen auftreten, denn sie können leicht zu Rissen Veranlassung geben. Wenn in einen solchen Riß Wasser sickert, so stellt sich ein hydrostatischer Auftrieb ein, der für den Bestand der Mauer sehr gefährlich werden kann.

Fig. 1 erläutert das Verfahren zur Untersuchung einer kleineren Staumauer von trapezförmigem Querschnitt. Der Wasserdruck W ist gleich w t, gleich der Länge der benetzten Wand mal der Entfernung ihres Mittelpunktes vom Wasserspiegel; er greift im unteren Drittel der Wand an und steht auf der Wand senkrecht; das Mauergewicht M greift im Schwerpunkt des Trapezes an. Die Mittelkraft R wird in üblicher Weise durch graphische Zusammensetzung (vgl. Seilpolygon) gefunden. Sollen nun Zugspannungen ausgeschlossen sein, so muß R die Mauerfläche AB innerhalb des inneren Drittels KK' schneiden (vgl. Kern). Geht R links von K' vorbei, so muß die Mauer verstärkt werden. Die längs AB auftretenden Spannungen bestimmt man am schnellsten mittels der Kernformel (s.d.). Bezeichnet man die Abstände der Kraft R von den Kernpunkten K und K' mit r und r', so ist die Spannung in A gleich 6 Rr' : s2 und die in B gleich 6 Rr' : s2, worin s die Mauerbreite AB bezeichnet. Zur besseren Uebersicht stellt man die Spannungsverteilung häufig graphisch in Form des in Fig. 1 schraffierten Trapezes dar.

Fig. 2 zeigt die Spannungsermittlung bei einer Mauer mit konkavem Anlauf. Man teilt die Mauer durch wagerechte Schnitte in geeigneter Weise ein, berechnet für jede Mauerschicht deren Gewicht M und den darauf treffenden Wasserdruck W und setzt diese Kräfte durch zwei Seilecke S und S' zusammen. Die Größe der Kräfte M und W bestimmt man wie oben. Um die Angriffspunkte der W zu finden, zieht man (Fig. 2 rechts) die Linien CD und CE, teilt die eingeschlossene Fläche der Schichtenteilung entsprechend in Trapeze und ermittelt deren wagerechte Schwerlinien, wie es für die fünfte Schicht angedeutet ist, indem man die Drittelspunkte der einen Seite mit den gegenüberliegenden Ecken des Trapezes verbindet. Um nun die Spannungen für eine beliebige Schnittfläche zu erhalten, bestimmt man mit Hilfe des Kraftecks und der beiden Seilecke die Mittelkräfte der oberhalb angreifenden M und W (vgl. Seilpolygon) und setzt sie zur Mittelkraft R zusammen, worauf sich die beiden Grenzspannungen ganz so wie beim ersten Beispiel berechnen lassen. Gewöhnlich berechnet man diese Spannungen auch noch für das leere Bassin; in diesem Falle ist die Mittelkraft der M allein in Rechnung zu ziehen. Die beschriebenen Zeichnungen und Berechnungen sind in der Fig. 2 für die Schichtenlinie 5 6 durchgeführt worden; die schraffierten Flächen stellen die Spannungen dar, und zwar oberhalb der Linie für gefülltes, unterhalb für leeres Bassin; die beigeschriebenen Zahlen geben die Randspannungen in Tonnen pro Quadratmeter an.

Bei festem seitlichem Talanschluß werden Staumauern nicht seiten im Grundriß gekrümmt ausgeführt, so daß sie wagerechte Gewölbe bilden; solche Mauern können nur unter Zuziehung der Theorie der elastischen Formänderungen richtig berechnet werden.


Literatur: Culmann, Graph. Statik, Zürich 1866; Clericetti, Hydrostatica graf. etc., Novarra 1874; v. Ott, Vorträge über Baumechanik, Prag 1877; Undeutsch, Zivilingenieur 1877, S. 289; Pelletreau, Annales des ponts et chaussées 1877, S. 258 und 480, und 1879, S. 198; Saviotti, Annuario del R. Istit. Tecn. di Roma 1879; Crugnola, Sui Muri di Sostegno etc., Turin 1882; Lauenstein, Graph. Statik, Stuttgart 1898.

Mörsch.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 274-276.
Lizenz:
Faksimiles:
274 | 275 | 276
Kategorien: