[1009] Zonenbauordnung, eine für verschiedene Teile einer Gemeinde (Zonen,[1009] Bezirke, Stadtviertel, Straßen) verschieden gestaltete Bauordnung. Die Verschiedenartigkeit (Abstufung) der Bauvorschriften stützt sich auf folgende Erwägungen:
Die im Innern der Städte herrschende dichte und hohe Bebauung ist aus gesundheitlichen und sozialen Gründen unerwünscht. Nun kann man zwar gewisse Auswüchse und weitere Uebertreibungen des dichten Bauens und Wohnens durch Polizeivorschriften verhüten. Aber ein wesentlich weiträumigeres und gesunderes Wohnen läßt sich bei Um- und Neubauten durch polizeilichen Zwang in den alten Stadtteilen ohne große wirtschaftliche Schädigungen nicht erreichen, weil die Bodenpreise sich auf Grund der bestehenden baulichen Ausnutzung gebildet haben und nur durch diese zur Rente gebracht werden können. Wo bisher eine fünf- oder viergeschossige Bebauung, welche fünf Sechstel oder drei Viertel der Grundstücksfläche bedeckt, üblich ist, wird man sie auch mit gewissen Verbesserungen in Zukunft dulden müssen, indem man z.B. Keller- und Dachwohnungen verbietet oder erschwert und die zu überbauende Grundstücksfläche für die Zukunft von fünf Sechstel auf drei Viertel oder von drei Viertel auf zwei Drittel einschränkt. Anders ist die Sachlage in den äußeren Stadtteilen, wo der Bodenpreis noch weniger hoch ist und deshalb durch eine weniger hohe und dichte Bebauung zur Verzinsung gebracht werden kann. Hier steht der Beschränkung der Zahl der Wohngeschosse auf vier, auf drei, auf zwei, je nach der Höhe der Bodenpreise, wenn die niedrigere Bebauung im allgemeinen Interesse geboten erscheint, ein wirtschaftliches Hindernis nicht im Wege. Noch weniger auf Neuland, das über den landwirtschaftlichen Wert sich noch wenig erhoben hat Durch die Vorschrift niedriger und zugleich weiträumiger Bebauung wird hier niemand geschädigt. Die Abstufung der Bauvorschriften nach Bezirken oder Zonen kann noch einen Schritt weiter gehen. Man kann gewisse Geländeteile der offenen oder halboffenen Bebauung (s.d.) vorbehalten; man kann in gewissen Ortsteilen die zulässige Zahl der Wohnungen in einem Hause auf eine oder zwei oder drei beschränken; man kann bezirksweise die Errichtung von Fabriken untersagen und sie in andern durch Verkehrsanlagen und sonstige Einrichtungen begünstigen. Kurz, man kann den Ausbau der Stadt nach Zonen auf alle Weise so differenzieren, wie es dem Allgemeinwohl für die Zukunft entspricht. Die so entgehende, örtlich abgestufte Bauordnung wird oder wurde zumeist mit dem Namen »Zonenbauordnung« bezeichnet, obschon die örtlichen Verschiedenheitsbezirke, d.h. die Geltungsbereiche der verschiedenen Bauklassen, ihrer Gestalt nach mit dem geometrischen Begriff der Zonen nichts zu tun haben. Aus der begrifflichen Uebertragung des Wortes Zonenbauordnung auf geometrische Kreiszonen ist gegen den Grundsatz der Staffelung der Bauvorschriften mancher Angriff erwachsen, der bei Wahl einer treffenderen Bezeichnung vielleicht vermieden worden wäre. Eine bessere Bezeichnung ist jedenfalls Staffelbauordnung. Sie gibt die Verschiedenheit der Bauklassen zu erkennen, ohne der Art ihrer örtlichen Verteilung irgendwie vorzugreifen. Sie hat den ferneren Vorzug, auch auf eine zweite Art der Bauordnungsabstufung zu passen, die neben der Staffelung nach Ortsbezirken anwendbar ist, nämlich die Staffelung nach Gebäudegattungen. Die letztere Abstufung beruht auf der Erwägung, daß die baupolizeilichen Bestimmungen für gewisse Teile und Zubehörungen der Gebäude zweckmäßigerweise verschieden zu gestalten sind, je nachdem es sich um größere oder kleinere Häuser, um gewerblich benutzte oder bloß zum Wohnen dienende Baulichkeiten handelt. Dies gilt z.B. für die Breite und Bauart der Treppen, für die Stärke und Bauart der Mauern, für die Höhe der Geschosse, für die Größe der Hofräume u.s.w. Für ein von vielen Familien bewohntes fünfgeschossiges Miethaus bedarf es strengerer konstruktiver und hygienischer Vorschriften als für ein kleines Einfamilienhaus; dasselbe gilt für ein großes Warenhaus oder eine umfangreiche Fabrik im Verhältnis zur kleinen Werkstätte oder Ladeneinrichtung. Was hiernach anfangs als »Zonenbauordnung« bezeichnet und eingeführt wurde, ist allmählich zur örtlich und sachlich »abgestuften Bauordnung« geworden und steht gegenwärtig ziemlich allgemein als »Staffelbauordnung« in Anwendung.
J. Stübben.
Lueger-1904: Zonenbauordnung [2]