Treppen

[604] Treppen (Stiegen) haben den Zweck, übereinander liegende Räume gangbar zu verbinden, hauptsächlich den Zugang zu den Stockwerken eines Gebäudes zu vermitteln. Bezüglich der Lage unterscheidet man 1. äußere oder Freitreppen (s.d. Bd. 4, S. 191); 2. innere oder Stocktreppen, diese wieder in a) Haupttreppen, dem Grundrisse nach so anzuordnen, daß sie die Beleuchtung der Gänge, überhaupt des Innern, vermitteln, was durch Außenlicht, d.h. Fenster, meist an der Rückseite des Hauses gelegen, oder durch Oberlicht erreicht wird; b) Nebentreppe, auch Lauf- oder Diensttreppe, Hintertreppe, welche von der Dienerschaft für Hauswirtschaftszwecke benutzt wird; c) geheime Treppe, welche zwischen Wänden oder Schränken verborgen liegt, und meist nur zwei Stockwerke miteinander verbindet; d) Kellertreppe, der Haltbarkeit wegen nur aus Stein zu erstellen; e) Speicher- oder Bodentreppe.

I. Allgemeines. Die Treppe besteht in einer Aufeinanderfolge von gleich hohen Tritten oder Stufen, welche in einer bestimmten Anzahl zu Läufen oder Armen gruppiert werden, wodurch einarmige, zweiarmige, dreiarmige Treppen entstehen. Diese Arme sind gerade oder biegen durch eine Wendung auf ihren Ausgang zurück. Zur Bequemlichkeit sind nach einer Anzahl Stufen (10–15) Ruheplätze oder Podeste p (Fig. 1) angelegt, meist von der Tiefe einer Laufbreite und auf die Breite des Treppenhauses durchgreifend. Bei ganz niederen Stockwerken genügt ein einziger Treppenlauf; für Stockwerke über 2,5 m Höhe ist eine Treppe mit zwei Läufen anzuordnen, bei genügendem Grunde als Podesttreppe (Fig. 1); bei sehr beengter Anlage als halbgewundene Treppe (um 180°, Fig. 2). Ganz gewundene, d.h. im Kreis geführte Treppen, sogenannte Wendeltreppen (Fig. 3), können über kreisrundem, ovalem oder viereckigem Grunde errichtet und dabei auf einen Mittelpfeiler oder Pfosten, sogenannte Spindel, gestützt oder ohne solche gebildet werden. – Für den Lauf und dessen Breite gibt die menschliche Größe den Maßstab, indem für solche, auf welchen nur eine Person verkehrt (geheime Treppe) 0,70 m genügt; wo mindestens zwei Personen bequem aneinander vorübergehen sollen (in einfachem Wohnhause), sind 1,20 bis 1,60 m, bei großem Andränge 1,80–2,50 m und mehr zu geben, wobei die Breite der anschließenden Gänge mitbestimmend ist. Die Höhe des Raumes über den Läufen ist meist die der Stockwerke; als Minimum, wie z.B. bei Wendeltreppen, ist 2,10–2,30 m (Türhöhe) anzuordnen. Der Lauf ist meist begrenzt und getragen durch die Treppenwange oder Zarge, welche als innere oder äußere (Wand-) Zarge bezeichnet wird. Ueber der inneren erhebt sich zum Schütze beim Begehen das Geländer. – Besonders wichtig für die Zweckmäßigkeit und das bequeme Begehen der Treppe ist die richtige Gestaltung der Stufen in ihrem Verhältnis von Steigung zu Auftritt, d.h. der Höhe[604] zur Breite der Stufen. – Die Treppen im Altertum und Mittelalter waren meist höchst unbequem. Vitruv gibt für das Steigungsverhältnis: Höhe = 3 Teile, zu Auftritt = 4 Teile an. In den heutigen Schriften [2], [3] finden sich verschiedene Regeln oder Formeln, wovon die bewährteste: 2 h + b = 60 cm (auch 63 cm) zu folgenden Ergebnissen führt: bei h = 14 ist b = 32 cm (für Prachttreppen); bei h = 15 ist b = 30 cm (für Wohnhäuser); bei h = 16 ist b = 28 cm; bei h = 17 ist b = 26 cm (bei beschränktem Raum); bei h = 18 ist b = 24 cm (schon unbequem). Zur Feststellung der Stufenzahl dient die Formel: Grund = b (n – 1), weil der Austritt in Bodenhöhe fällt. Zu beachten ist, daß die Anzahl der Steigungen genau in dem Maße der Stockwerkshöhe aufgehe, sowie daß eine Aenderung der Tritthöhe in den bewohnbaren Geschossen, weil störend, zu vermeiden ist. Die Einteilung der Stufen erfolgt auf der Mittellinie des Laufes (Fig. 2), was besonders bei gewundenen (gewendelten) Treppen in Betracht kommt, bei welchen durch sogenannte verzogene Stufen eine gleichmäßige Abnahme der Trittbreite an der inneren Wange herbeizuführen ist, wodurch in der Abwickelung der äußeren Stufenkanten ein allmählicher Uebergang von der normalen bis zur geringsten Stufenbreite und wieder zurück zur normalen erreicht wird. Es gibt mehrfache graphische Verfahren, um dies festzustellen; das einfachste ist die Methode des perspektivischen Maßstabes (s. Fig. 4); ein andres zeigt Fig. 5. – Hinsichtlich des Baustoffes sind die Treppen einzuteilen in solche aus Stein, Holz, Eisen oder aus mehreren dieser Stoffe.

II. Die steinernen Treppen haben den Vorzug der Feuersicherheit und großer Haltbarkeit; sie bestehen aus Werksteinen, Backsteinen oder in Nachahmung der ersteren aus Zementkunststein.

a) Bei den Treppen aus Werksteinen sind die Tritte, welche nur aus den zähesten Steinen, als Granit, Marmor, Sandstein (Kunststein), zu nehmen sind, aus einem Stücke gearbeitet. Sie liegen entweder auf einer Unterlage auf oder sind mit dem einen Ende eingemauert, mit dem übrigen Teile aber bei geringerer Laufbreite freitragend, bei größerer Breite von ansteigenden Steinzargen, Bögen oder Gewölben, oder auch von Walzeisenträgern unterstützt. Dabei sind die oberen Tritte jeweils auf die unteren ca. 5 cm breit aufgelegt und überfalzt. An der Unterseite aber erscheinen sie je nach dem Orte rauh, abgefast, gegliedert oder geschalt (Fig. 6 und Fig. 7). Die reichste Ausbildung zeigen hierin die Wendeltreppen zu Ausgang des Mittelalters, durch mannigfaltigste Gestaltung der Untersicht wie der Spindelbildung [7], [9].

b) Treppen aus Backsteinen sind über Gewölbekappen auszuführen; dabei bilden die Stufen scheitrechte Bogen oder Rollschichten, die mit Marmor- oder Schieferplatten belegt oder mit einer Zementglättschicht bedeckt werden (Fig. 8) [13]. In dieser Weise können auch Reittreppen in Form von Rampen oder über schraubenförmigen Ringgewölben in Türmen zur Ausführung gelangen.

III. Hölzerne Treppen sind nicht feuersicher, jedoch leichter und wohlfeiler als die steinernen, sowie auch elegant und bequem. Je nach den Stufenbildungen unterscheidet man:

a) Blocktreppen, welche, eine Nachbildung der Steintreppen, wohl als älteste Art gelten können (Fig. 9); sie haben den Nachteil, daß die aus vollem Stamme gebildeten Stufen beim Schwinden aufreißen sowie daß an den Enden Hirnholz erscheint.

b) Eingeschobene oder Leitertreppen. Die auf den Grat in die Wangen eingeschobenen, 3 cm starken Tritte sind meist schmal (Fig. 10); der hierdurch leichte Treppenlauf kann daher beweglich, d.h. tragbar oder um einen festen Punkt drehbar sein.

Im Wohnhausbau kommen sie zur Anwendung als Speicher- oder Bodentreppe, welche so anzuordnen ist, daß sie zwischen zwei Kehlbalken aufsteigt, so daß keine Auswechslung oder Ausschneiden der Hölzer stattfindet.

c) Gestemmte Treppen, bei welchen die etwa 5 cm starken profilierten Stufen 2 cm in die Wangen eingestemmt sind (s. Bd. 3, S. 239). Die Unterseite der Stufen kann sichtbar oder durch eine Bretterschalung, am besten durch Verputz verdeckt sein; letzteres hat den Vorzug, daß die Feuersgefahr wesentlich vermindert und der Lichteinfall verstärkt wird.[605]

d) Aufgesattelte Treppen. Die Stufen sind auf den sägeförmig ausgeschnittenen Wangen aufgeschraubt (Fig. 11). An der inneren Wange stehen sie über und ist das Profil der Stufenkante verkröpft, wobei das Hirnholz durch eine in Gehrung geschnittene Profilierte verdeckt wird.

Die Zargen, Wangen oder Treppenbäume liegen bei a) unter den Stufen, welche darauf mit Holznägeln befestigt sind; für b) sind sie tunlichst leicht (4/12 cm) zu nehmen, für c) und d) aber auf die Hochkante gestellt, 5–8 cm stark, in einer Breite von 27–35 cm. Sie müssen auf festen Stützpunkten aufsetzen, und zwar 1. am unteren Ende auf dem Antritt (Fig. 12) aus einem Werkstein oder als Blockstufe gebildet; 2. auf den Podestbalken; 3. auf dem Treppenwechsel des Stockgebälks (Fig. 13). Da jedoch mit den Enden der (inneren) Zargen auch die der Geländer zusammenfallen, so ist es zur Haltbarkeit der letzteren von Vorteil, die das Geländer tragenden Pfosten zwischen den Zargen und den Anfallpunkten einzusetzen und so ihre Unbeweglichkeit zu sichern. Sind keine Pfosten angeordnet, so sind an den Zargenenden und Wendungen der Läufe sogenannte Krümmlinge (Bd. 5, S. 716) auszuführen. – Bei geraden Treppenläufen und gleichen Stufenbreiten sind die Zargen gerade. Bei gewendelten Treppen aber werden sie geschweift und sind aus breiteren Holzstücken auszuschneiden. Bei im Kreis geführter Wendeltreppe und gleichmäßiger Steigung der Stufen wird die Wange als Schraubenlinie aufsteigen und ist dann in schickliche Längen zu teilen, damit das Stück, aus welchem die Wange herauszuarbeiten ist, nicht zu stark sein muß. Die Zusammensetzung der Zargen an den Stößen, sowohl bei Krümmungen wie auch mit den Pfosten, erfolgt durch Verzinkung, Verzapfung oder den Geißfuß; bei Verlängerung der Zargen sind Hilfsverbindungen wie Eisenschienen, versenkte Schraubenbolzen nötig. Auch die sich gegenüberliegenden Wangen eines Laufes sind durch Eisenstangen mit Verschraubung zusammenzuhalten.

Das Geländer dient zur Sicherheit beim Begehen; es erhält eine Höhe von 0,80 m über Stufenkante und besteht aus 3 Teilen, welche am besten aus Hartholz erstellt werden: 1. dem: Pfosten oder Mäkler (s.d.), 2. dem Handgriff oder Handleisten, und 3. den Stäben. – Der Handgriff von rundem oder profiliertem Querschnitte (Fig. 14) soll kräftig und bequem sein. Hierfür ist von Wichtigkeit, daß er an den Wendungen ohne Unterbrechung durchläuft oder in Schneckenform endigt, und nicht im spitzen Winkel an den Pfosten abstößt. Die Stäbe sind 3–5 cm stark, in einfachster Form vierkantig, bei reicherer Ausbildung in Balusterform gedreht oder geschnitzt. Sie stehen ca. 15 cm voneinander ab und sind bei gestemmten Treppen (Fig. 9) in der Oberkante der Wangen eingezapft; bei aufgesattelten aber entweder seitlich an den Zargen auf vorstehenden Zapfen oder in ungleicher Länge auf die Stufen aufgesetzt. – Die Anfertigung hölzerner Treppen erfordert technische Geschicklichkeit und Erfahrung; sie muß mit größter Genauigkeit erfolgen, wenn nicht ein Setzen und Senken in den Verbindungen eintreten soll, was die Tragfähigkeit beeinträchtigt und zu gänzlicher Unbrauchbarkeit führt.

IV. Eiserne Treppen werden aus Guß- oder Schmiedeeisen erstellt, wobei die Trittstufen sowohl aus demselben Material oder aus Holz, dünnen Steinplatten gebildet sein können. Feuersicher sind sie nur dann, wenn das Eisen mit einem Mantel von Gips oder Zement umgeben ist.

A. Aus Gußeisen eignen sich nur Treppen von geringer Laufbreite, welche in der Form von Wendeltreppen in engem Räume dienen; sie bestehen aus den Tritten, aus der Futterstufe, welche mit einem gleichhohen Stücke der Spindel aus einem Stücke gegossen ist, und einem äußeren Träger, welcher in einer Tülle den Geländerstab aufnimmt. – Eine in der Spindel aufzeigende, an den Enden verschraubte Eisenstange sichert die Treppe nach der Höhenrichtung [2], S. 703 ff., [10].

B. Schmiedeeiserne Treppen können ebenfalls freitragend konstruiert werden; dabei sind die Wangen voll aus Blech oder als Gitterwerk gebildet, wobei oft das Treppengeländer als mittragend hinzugezogen werden kann [11], s. Jolytreppe, Bd. 5, S. 236. Solche Treppenkonstruktionen zeichnen sich vor allen andern durch gefällige formale Ausbildung und große Zierlichkeit aus [12]. Zur Erhöhung der Feuersicherheit dient hierbei die Anwendung von Wellblech mit Zementausfüllung unter den Läufen und Ruheplätzen oder die Monierkonstruktion [13]. – Die Kolumbustreppe, eine durch D.R.P. Nr. 56228 geschützte Treppenkonstruktion, welche zur Anlage von Treppen im Freien geeignet und infolge der Verwendung[606] des Eisens als Hauptkonstruktionsmaterial billiger, dauerhafter und wenig reparaturbedürftig ist. Nachdem man die Böschung in dem für die Treppe gewählten Steigungsverhältnisse abgeschrägt hat, werden die aus U-Eisen hergestellten Wangen W (Fig. 15) parallel zueinander seitlich auf die Böschung gelegt, wobei sehr breite Treppen auch eine mittlere Wange erhalten. In den Wangen befinden sich, dem Steigungsverhältnis entsprechend, in gewissen Abständen Löcher, die zur Aufnahme der an den Schemeln S befindlichen Haken H (Fig. 16) dienen. Diese Schemel nehmen ihrerseits die aus I-Eisen bestehenden Stufeneisen T auf, wobei die Nasen TV der Schemel über die Flanschen der Stufeneisen greifen. Werden nun die zwischen den einzelnen Stufeneisen liegenden Zwischenräume mit Beschotterungsmaterial (Kies, Kohlenasche u.s.w.) ausgefüllt, so bewirkt der Erddruck ein Hinunterschieben der Stufeneisen, wodurch die bis dahin losen Teile zu einem festen unverrückbaren Schluß kommen. Soll die Treppe mit einem Geländer versehen werden, so kommen Treppenschemel mit einer angegossenen Oese O (Fig. 17) zur Verwendung. In diese Oesen werden die mit einer Nase versehenen Geländerstäbe eingedeckt, wobei sich diese Nase in eine Aussparung des Schemels hineinlegt; das aufgelegte Stufeneisen drückt mit seiner unteren Flansche auf die Nase und hält dadurch das Geländereisen fest. Für Freitreppen empfiehlt sich eine Steigung von 150 mm bei einem Auftritt von 370 mm. Bezugsquelle: Kunstschlosserei Richard Hermanns & Co. in Elberfeld.


Literatur: [1] Handbuch der Architektur, 3. Teil, Bd. 3, Heft 2, Darmstadt 1898. – [2] Baukunde des Architekten, Bd. 1, 1. Teil, Berlin 1893, Steintreppen, S. 296 ff.; Holztreppen, S. 80 ff. – [3] Breymann, Allgemeine Baukonstruktionslehre, Bd. 1, Leipzig 1896, Steintreppen, S. 274 ff. – [4] Ebend., Bd. 2, Leipzig 1885, Holztreppen, S. 179 ff. – [5] Ebend., Bd. 3, Leipzig 1890, Eisentreppen, S. 177 ff. – [6] Manger, Baukonstruktionslehre der Treppen, Berlin 1859. – [7] Rauscher, Bau steinerner Wendeltreppen, Berlin 1889. – [8] Menzel, Der Gewölbebau, Halle 1866. – [9] Viollet-le-Duc, Dictionnaire raisonné de l'architecture française, Bd. 5, Paris 1881, Escalier, S. 287 ff. – [10] Fink, F., Schule des Bauschlossers, 2. Teil, Leipzig 1861, S. 119. – [11] Musterbuch der Jolytreppen, Eisenwerk Joly-Wittenberg, Halle, o. J. – [12] Musterbuch von Ed. Puls, Berlin, o. J. – [13] Wayß u. Freytag, Bauten in Stampfbeton, Monierbeton etc., Berlin 1895, S. 19–22. – [14] Hochbau-Lexikon von Schönermark u. W. Stüber, Berlin 1904, Treppe, S. 834 ff.

Weinbrenner.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4.
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Fig. 5.
Fig. 5.
Fig. 6., Fig. 7.
Fig. 6., Fig. 7.
Fig. 8.
Fig. 8.
Fig. 9.
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Fig. 10.
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Fig. 11.
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Fig. 12., Fig. 13.
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Fig. 14.
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Fig. 15., Fig. 16., Fig. 17.
Fig. 15., Fig. 16., Fig. 17.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 604-607.
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