XLIV.

[74] Dschafer Almanßur, der Chalife, hatte ein so [Rand: Alaim.] glückliches Gedächtniß, daß er jedes Gedicht, so er einmal gehört, auswendig behielt. Er besaß eine Sklavin, die alles Vorgesagte wiederholen konnte von Wort zu Wort, nachdem sie es zweymal gehört, und einen Sklaven, der nach dreymaligem Anhören jedes Gedicht zu recitiren wußte.

Er war ein großer Liebhaber der Wissenschaften, für deren Gönner er gerne gelten mochte; zugleich aber so außerordentlich geitzig, daß ihm der Name Dewaniki oder Pfennigknicker geblieben. So oft ihm ein Dichter ein Werk darbrachte, befahl er, das Gewicht desselben in Gold aufzuwägen, vorausgesetzt, daß es neu, und nicht aus gestohlenen Gedanken zusammen gesetzt wäre. Las nun der arme Dichter sein Lob- und Preisgedicht vor, so wiederholte es der Chalife sogleich vom Anfange bis zum Ende, und sagte: Das ist ja was Uraltes, du siehst, daß ich es längst schon auswendig gewußt.

Der erstaunte Dichter erkühnte sich manchesmal unterthänigst zu erinnern, daß dies wohl eine glückliche und außerordentliche Naturgabe Seiner Majestät seyn möge, einmal gehörte Dinge von Wort zu Wort zu wiederholen. – Hierauf Manßur: nicht im Geringsten; diese Verse, die du mir als neu auftischest, kennt ja jedes Kind. Siehst du dort die Sklavin und den Sklaven, sie haben es mir schon mehr[75] als einmal wiederholet. Hiermit forderte der Chalife dieselben auf, das Gehörte zu wiederholen, was sie, Kraft ihrer guten Gedächtnisse, leicht thun konnten, indem es die Sklavin zweymal, aus dem Munde des Dichters nemlich, und des Chalifen; der Sklave dreymal, aus dem Munde des Dichters, des Chalifen, und der Sklavin gehöret hatte. So kam es denn, daß der arme Dichter, ganz erstaunt über dies ohne sein Wissen begangenes Plagiat, mit leeren Händen abzog, und nicht einmal den geringen Preis des Gewichtes in Gold davontrug.

Asmai, dem diese unwürdige Behandlung seiner Zunftgenossen zu Herzen gieng, beschloß dieselben und sich selbst am Chalifen zu rächen. Er verfertigte ein kurzes Gedicht aus den schwersten Worten und härtesten Sylben, welche die arabische Sprache hat, zusammengesetzt, verkleidete sich in einen Beduinen, und kam auf einem Kameele am Hofe des Chalifen aufgezogen. Der Chalife setzte ihm die bekannten Bedingnisse: Bruder Araber! wenn dein Gedicht dein eigen ist, so wäge ich's mit Gold auf, wenn nicht, so erhältst du keinen Heller. Nun recitirte Admai die folgenden Verse:


Das Bülbülbül1 der Nachtigall

Schlug hoch und tief im Herz.[76]

Die Blumenflur! der Wasserfall!

Ein Schelmenaug' voll Scherz!

Ich sagte: du gebietest mir,

Mein Schatz, mein Schätzelein!

Wie Mancher sehnet sich nach dir,

O mein Gasellelein!

Ich pflückte Rosen durch den Kuß

Von ihrem Angesicht.

Ich sagte: gieb mir Kuß auf Kuß,

Sie aber wollte nicht.

Sie sagte: nein! mit nichten! nei

Da schritt ich für und für;

Da neigte sich das Mägdelein,

Erzürnt auf die Manier.

Sie schrie und weinte, o! und ach!

Und weh! und ach! und ey!

Ich sagte: weine nicht, gieb nach,

Man sieht die Perlenreih'.

Als sie ein wenig stiller ward,

Verlangt' ich mehr als Kuß,

Verlangte, weil sich Alles paart,

Der Liebe Vollgenuß.

Sie sagte: ist's um diese Zeit?

Wohlan, so trink und iß!

Sie machte mir den Wein bereit,

Den Wein2, wie Honig süß.

Ich nöselte den Balsamduft

Der Blumenfluren ein,

Es schien als duftete die Luft

Von Würzenägelein.

Die Laute schlug: tralla lala,

Die Trommel: dum, dum, dum,

Die Tänzer sprangen hopsasa,

Das Dach gieng um und um.[77]

In Quittenblättern aufgetischt

Erschien das frohe Mahl;

Zu Turteltauben Girren mischt'

Den Klingklang der Pokal.

Allein am Morgen, o der Schaam!

Kam es zum Eselsritt,

Auf einem Esel, der halb lahm,

Gleich einer Schildkröt' schritt.

Das Volk lief mir in Haufen nach,

Klif klaf, klif klaf, klif klaf,

Rund um ward das Getümmel wach

Pif paf, pif paf, pif paf.

Ich aber ritt in vollem Trab

So gut ich konnt' davon,

Und stieg zuletzt am Hofe ab,

Am großen Königsthron.

Man gab mir einen rothen Rock

Zum Lohn und Ehrenstrauß,

Dann sprengt ich über Stein und Stock

Zu Bagdads Thor hinaus.

Ich selbst Asmai (habt Respekt.)

Geboren in Mosuls Wall,

Hab' dieses Liedlein ausgeheckt

Gleich einer Nachtigall.


Der Chalife hatte das Lied, der vielen Onomatopöien und harten Sylbenversetzungen wegen, viel zu schwer gefunden, um es auf einmal Anhören recitiren zu können; er sah den Sklaven und die Sklavin an, die kein Wort davon behalten hatten.

Endlich sprach er verdrießlich: nun so gieb dein Gedicht her, daß ich es mit Gold aufwiege – Sogleich, erlaube mir, daß ich es ablade. – Wie? ein Gedicht abladen? was ist das? – Ja, du sollst es gleich sehen, Fürst der Rechtgläubigen. Das Kameel ward vorgeführt, und die Last desselben war eine[78] Säule, auf der das Gedicht eingegraben war. Der Chalife konnte nicht anders als Wort halten, und er mußte den Stein mit Gold aufwiegen.

Endlich schlug Asmai den Mantel, mit dem er das Gesicht eingehüllt gehabt hatte, von einander und sprach: Du siehst, ich bin kein Asmai aus der Wüste, sondern der Asmai deines Hofes, Fürst der Rechtgläubigen, der sich unterstanden, deine Majestät hierdurch zu erinnern, daß man den armen Poeten ihr Brod nicht abstehlen müsse3.

1

Bülbül: der Gesang und auch der Name der Nachtigall onomatopöisch.

2

Das arabische Wort ist Kaffee, was aber nur Wein bedeuten kann, indem der Kaffee damals noch nicht bekannt war.

3

Das Verdienst dieses Stückes im Originale besteht in der Zusammensetzung der härtesten und rauhsten Laute, an denen die arabische Sprache keinen Mangel hat. Wenn es dem Chalifen unmöglich fiel, die Folge dieser Laute, ungeachtet seines vortreflichen Gedächtnisses, im Ohre zu behalten, so ist es für den Nichtaraber fast eben so unmöglich, dieselben nur flüssig zu lesen. Man urtheile aus folgenden Proben: Ich sagte: gieb mir Kuß auf Kuß

va kultbabes bus buseni

Die Laute schlug u.s.w. wo die arabischen Onomatopöien so viel als möglich durch deutsche gegeben sind:

U – U – U – U –

val ud den den den den deni

U – U – U – U

veb-tabl tab tab tub tabtali

U – U – U – U –

ver-raks arthab ta tababi

– U – U – U–

ves-sakf sak sak sak saksali u.s.w.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 74-79.
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