59. Tatarisch

[218] Rustamsal war der Sohn Qahirmans. Eines Tages machte sich Rustamsal über eine alte Frau lustig. »Was läßt du mich nicht in Ruhe und spottest meiner?« sagte die Alte, »es wäre besser für dich, du holtest deine Tante von den Weißen Divs zurück. Wenn du's noch nicht weißt, einer davon, der mit den vierzig Köpfen, hat sie geraubt und hält sie gefangen als seine Frau.« Rustamsal schämte sich gewaltig, sprach kein Wort und ging nach Hause.

Zu Hause angelangt, frug er seine Eltern: »Habe ich eine Tante?« »Nein, du hast keine Tante«, antworteten beide. »Man hat mir aber gesagt, ich hätte eine«, antwortete Rustamsal, »ich muß sie holen.« Vater und Mutter schworen ihm einen Eid, daß das nicht wahr wäre, was man ihm gesagt hätte. Aber umsonst; Rustamsal bestand auf seinem Entschluß. »Ich weiß, daß du uns nicht glaubst,« sagte sein Vater, »aber ich werde meine Weisen kommen lassen, die magst du befragen.« »Gut,« antwortete Rustamsal, »laß sie kommen!«

Gegen Abend kamen sie, setzten sich und verbrachten die Zeit in vielem Hin- und Herreden. Man trug ihnen Scherbet auf und dann kam Rustamsal und sagte: »Ihr weisen Männer! Ich habe eine Frage an euch.« »Frage,« antwortete der Älteste der Weisen, »wir werden nach bestem Willen antworten.« »Dies ist meine Frage: habe ich eine Tante und haben sie die Weißen Divs geraubt?« »Nein, du hattest nie eine Tante«, antworteten die Weisen.

Rustamsal sagte kein Wort, ging nach Hause und legte sich schlafen. Früh am Morgen verließ er, ohne Abschied zu nehmen, die Stadt. Eine, zwei Wochen wanderte er und erwarb sich seinen Lebensunterhalt durch Jagd. Eines Tages aber kam er in eine Stadt. Er suchte sich eine Garküche aus und bestellte eine Schüssel Pilaw. Als er diese[219] aufgegessen hatte, bestellte er sich eine zweite. Als er dann bezahlt hatte, frug er den Wirt, wo der König der Stadt wohne. Der Wirt zeigte ihm das betreffende Haus und Rustamsal ging schnurstracks hin. Aber die Wächter des Königs wollten ihn nicht einlassen. Einen davon erschlug Rustamsal auf der Stelle; die andern flohen. Dann zerbrach er das Schloß und trat ein. Dem König berichtete man, es sei ein unnatürlich starker Mann erschienen, der einen Wächter getötet und das Schloß erbrochen habe und jetzt verlange, vor den König geführt zu werden. Dieser befahl, den fremden Eindringling vorzulassen. Als Rustamsal in das Zimmer trat, in dem der König sich aufhielt, stand dieser auf und lud ihn ein, näherzutreten. Rustamsal grüßte und setzte sich dann dem König gegenüber nieder. »König,« sagte er, »ich wünsche dir Wohlergehen, kennst du mich?« Der König erschrak ob dieser kühnen Worte und sagte: »Ich kenne dich.« »Ich bin Rustamsal, der Sohn des Qahirman; ich komme zu dir mit einer Frage; bei welchen Divs ist meine Tante? Wenn du mir die Wahrheit nicht sagst, ist es um dein Reich geschehen und um dich auch.« Noch mehr erschrak da der König und sagte: »Ich weiß es nicht; aber ich will meine Weisen fragen und dir dann Bescheid geben.« »Gut«, sagte Rustamsal.

Während man nun Rustamsal mit Essen und Trinken bewirtete, verließ der König heimlich sein Haus, ging zu seinem Vezier und befahl diesem, Rustamsals Vater davon zu benachrichtigen, daß dieser bei ihm sei und nach seiner Tante gefragt habe. Der Vezier machte sich sofort auf den Weg, erreichte nach zwei Tagen Rustamsals Heimatstadt and richtete dort bei Qahirman seinen Auftrag aus. Dieser verließ sofort mit seiner Frau seine Stadt und kam nach zwei Tagen zu jenem König. »Wo ist mein Sohn?« frug er, als er von dem König empfangen worden war. Aber Rustamsal hörte im Nebenzimmer die Stimme seines Vaters, stand sofort auf, trat in das Nebenzimmer und sagte:[220] »Hier bin ich.« »Wie soll ich, es machen, um meinen Sohn zu hindern, zu den Weißen Divs zu gehen?« frug Qahirman den König. »In meinem Schatzhaus sind die Waffen von sieben deiner Ahnen,« antwortete der König, »mit denen sie selbst mit den Divs gekämpft haben. Wenn dein Sohn diese Waffen mitnimmt, so wisse, daß er seine Tante sicher zurückbringt.« Nun beschlossen Qahirman und der König, Rustamsal die Wahrheit bekanntzugeben und sagten zu ihm: »Deine Tante ist beim vierzigköpfigen Div, der der König der Divs ist; aber wir selbst wissen nicht, wo diese hausen.« Und der König fügte hinzu: »Komm in mein Schatzhaus, ich will dir Geld geben.«

Alle drei gingen sie nun zum Schatzhaus. Dort fanden sie ein Zimmer ganz voll Geld, und in einem andern hingen an der Wand ein Säbel, eine Lanze und ein Bogen. Rustamsal nahm die Waffen herunter, stieß den Säbel in den Boden, warf die Lanze in die Luft und fing sie wieder auf. Dann gürtete er sich den Säbel um und nahm Lanze und Bogen in die Hand. So gerüstet, verließ er das Schatzhaus. Der König wunderte sich über Rustamsals Stärke und sagte: »Bei Gott, Qahirman, Rustamsal bringt seine Tante zurück.«

Dann betraten sie wieder das Haus des Königs, wo sie ein Mahl abhielten, und als sie damit fertig waren, stand Rustamsal auf und sagte: »Lebt wohl, ich gehe jetzt.« Seine Eltern weinten heftig und baten ihn, doch das gefährliche Abenteuer zu unterlassen. Aber Rustamsal war taub ihren Bitten gegenüber. »Ich muß unbedingt meine Tante holen, koste es, was es wolle. Wenn ich nicht binnen sieben Jahren mit ihr zurückkomme, so wisset, daß ich tot bin.« Mit diesen Worten schwang er sich auf seinen Tulpar und ritt davon. Qahirman aber und seine Frau kehrten wohlbehalten nachhause zurück.

Rustamsal kam aus diesem Reiche bald in ein anderes. Abends ließ er seinen Tulpar weiden, tötete sich ein Stück Wild, briet es, aß sich satt und legte sich dann schlafen.[221] Am Morgen aber sattelte er sein Pferd wieder und ritt weiter. Dies aber hatte sechs Füße und darum nannte man es Tulpar. Auch konnte es einen zehntägigen Weg in einem oder zwei Tagen zurücklegen.

Wie Rustamsal nun so weiter ritt, sah er auf einmal in der Ferne etwas Schwarzes. »Das müssen Divs sein«, dachte er sich und hielt darauf zu. Als er aber näher kam, sah er, daß es ein alter Mann war, der den Koran las. Er grüßte ihn, und der Alte antwortete: »Sei willkommen!« und küßte ihm die Hand. Rustamsal antwortete »Sei wohl« und küßte ihm seinerseits die Hand. Nachdem sie eine Weile sich unterhalten hatten, sagte der Alte zu Rustamsal: »Seit vierzig Jahren lese ich jetzt im Koran und weiß daraus, daß eines Tages Rustamsal kommen wird, um mit dem vierzigköpfigen Div zu kämpfen. Aber das konnte ich nicht daraus ersehen, wann er kommen würde. Ich wünsche sehr, diesen Kampf zu sehen und es freut mich, dich kennen gelernt zu haben. Du wirst sehr Schweres durchzumachen haben, aber du wirst es siegreich bestehen. Und nun will ich im Koran nachsehen, was dir eigentlich bevorsteht. Zuerst einmal wirst du in einem Walde Hunger leiden. Dann wird dir eine Kuh entgegenkommen und du wirst von ihrer Milch trinken wollen. Tue es aber nicht, sonst wirst du verzaubert. Weiter wirst du einen Mann sehen, der auf dem Kopfe ein Becken mit Geschenken trägt. Wenn du davon etwas nimmst, wirst du einem kräftigen Zauber zum Opfer fallen. Später wird dir ein schönes Mädchen begegnen und sie wird dich in ihren Garten einladen, wo es allerlei Obst gibt. Folge ihr nicht, sonst wirst du bös verzaubert. Bemühe dich, der Verzauberung zu entgehen; wenn es dir aber doch passieren sollte, so findest du dort Iskenders66 Trommel, die an einem Baume hängt. Wenn du sie anschlägst, so wird die ganze Welt sie hören; auch ich werde sie hören und dir gleich zu Hilfe eilen. Aber noch einmal: es wird dir sehr schwer[222] werden, alle diese Hindernisse zu überwinden und ich werde mich sehr bemühen, dir zu helfen.«

»Ich werde es trotzdem versuchen,« sagte Rustamsal. »Also, behalte gut im Gedächtnis, was ich dir gesagt habe.« Rustamsal bestieg seinen Tulpar und ritt ins Land der weißen Divs.

Zuerst kam nun der Hunger: Es wollte eines Tages Rustamsal nicht gelingen auf der Jagd ein Wild zu Gesicht zu bekommen. Abends legte er sich hungrig nieder und als er am folgenden Morgen in einen Wald kam, sah er eine Kuh. Sofort erinnerte er sich an die Worte des Alten, hieb seinem Tulpar eins über und verließ den Wald. Von da kam er an eine große, ebene Stelle, wo er sich ein wenig ausruhte. Während er noch so dalag, sah er einige Männer kommen, von denen der eine ein Becken mit Geschenken auf dem Kopfe trug. Sie näherten sich ihm und legten einiges von diesen Geschenken vor ihm nieder. Rustamsal nahm aber nichts an, dankte ihnen, bestieg sein Pferd und ritt davon. Auch an diesem Abend legte er sich wieder hungrig nieder. Am Morgen stand er auf, rief Gott an, bestieg seinen Tulpar und ritt weiter. Alsbald kam er in einen Wald und sah ein großes Wild, das er tötete und briet. Da er nichts gegessen hatte, seitdem er von dem Alten weg war, ließ er es sich gut schmecken, ruhte ein wenig und ritt dann wieder weiter. Gegen Abend erreichte er einen Garten. Er schaute hinein und erblickte ein schönes Mädchen, das in dem Garten lustwandelte. Als dieses ihrerseits Rustamsal sah, lud sie ihn zu sich ein. Obwohl nun Rustamsal sich sofort der Warnung des Alten erinnerte, schlug er diese doch in den Wind. »Vielleicht hat er mir nicht die Wahrheit gesagt, ich will's doch versuchen«, dachte er und trat in den Garten ein. Er ging mit dem Mädchen eine Welle spazieren, bemerkte aber plötzlich, daß Mädchen und Garten verschwunden waren. In bittere Reue versunken stand er da, und als er aufschaute, gewahrte er vor sich ein Schloß, das von allen vier Seiten mit[223] einer Mauer umgeben war. Aber nirgends ein Tor! Eingeschlossen war er. Nun wußte er, daß er in einen bösen Zauber geraten war. Er ging weiter und fand auf einem Hügel ein Tor. Das erbrach er und trat ein. Nun befand er sich in einem großen Raum, in dem sieben Männer mit Ketten angebunden waren. Er frug sie, wer sie seien und erhielt zur Antwort, sie seien alle Könige, die auf einem Kriegszug begriffen, ein Mädchen getroffen hätten, das sie eingeladen habe, sich in ihrem Garten ein wenig zu erfrischen. Als sie der Aufforderung Folge geleistet hatten, seien plötzlich der Garten und das Mädchen verschwunden und nachdem sie eine oder zwei Wochen in der Gegend herumgewandert seien, wären plötzlich die Leute dieses Mädchens gekommen, hätten sie in Ketten gelegt und in dieses Zimmer eingeschlossen. Jetzt stürben sie vor Hunger. Rustamsal zerriß ihre Ketten und befreite die Könige, die aber vor Schwäche – so sehr hatten sie gehungert – – nicht mehr gehen konnten. Er ging weg, um nach etwas Eßbarem zu suchen, fand aber nichts, bloß zwei menschliche Leichen, deren Fleisch er den Hungernden brachte. Die Könige freuten sich ungemein darüber, daß er ihnen etwas zu essen gebracht und sie aus der Verzauberung erlöst hatte. Weiter ging Rustamsal und kam wieder in einen Wald. Dort fand er an einem Baum hängend Jskenders Trommel, von dem ihm jener Alte ja erzählt hatte. Mit starker Hand rührte Rustamsal die Trommel und hängte sie dann wieder an ihren Ort. Zwei Tage später hörte er jemanden rufen, schrie so laut er konnte: »Hier bin ich!« und in diesem Augenblicke fiel es ihm ein, daß der Rufende niemand anders sein könne als der Alte. Schnell lief er zu den Königen, um ihnen Mut zuzusprechen und siehe! da kam auch schon der Alte. Der zog seinen Koran hervor, las darin und kraft der heiligen Worte öffnete sich sofort ein Tor in der Mauer um das Schloß. Der Alte trat ein, grüßte Rustamsal und sagte: »Mach schnell, ich will nicht von dem Mädchen in deiner Nähe gesehen werden.«[224] »Nein,« sagte Rustamsal, »zuerst mußt du die Könige aus ihrer Verzauberung erlösen, dann bin ich bereit, dir zu folgen«, und zu den Königen gewendet, fuhr er fort: »Ihr müßt jetzt einer nach dem andern zu dem Alten gehen.« Der Alte hieß sie alle hinausgehen, zuletzt Rustamsal selbst. Als sie alle den verzauberten Ort verlassen hatten, erzählten sie einander in einem Walde ihre Geschicke, ihre Leiden und Qualen und legten sich dann schlafen.

Am Morgen bestieg Rustamsal wieder seinen Tulpar, nahm Abschied und setzte seinen Weg fort. Die sieben Könige aber machten sich auch auf die Reise; jeder in sein Land. Nach einer oder zwei Wochen schlug Rustamsal sein Zelt neben einer Festung auf, mit der Absicht, einige Zeit an diesem Orte zu bleiben. Da es ihm hier aber so sehr gefiel, hielt er sich länger auf als er dachte; er ging auf die Jagd und sein Tulpar weidete vergnügt den ganzen Tag.

Eines Abends nun sagte Rustamsals Mutter zu ihrem Manne: »Du, warum siehst du dich denn gar nicht um deinen Sohn um? Wer weiß, wie es um ihn steht! Vielleicht haben die Divs ihn getötet, vielleicht lebt er noch. Du mußt unbedingt deinen Sohn aufsuchen.« Qahirman frug seinen Vogel Sumrud, den er seine Mutter nannte: »Smaragdvogel, wo ist mein Sohn Rustamsal?« »Es ist sehr schwer, zu ihm zu kommen«, antwortete der Vogel, denn er haust jetzt auf einer sehr hohen Festung; er hat zu essen im Überfluß und ist selbst sehr stark; wenn er ein Wild sieht, tötet er es. »Wenn wir es versuchen, zu ihm zu kommen, kann es uns passieren, daß er uns von weitem für Divs hält und auf uns schießt.« »Nicht doch,« sagte Qahirman, »ich kann ihm ja aus der Ferne zurufen, wer ich bin, er wird mich an meiner Stimme erkennen.« »Ich will es versuchen und nachsehen, wie es ihm geht,« sagte der Vogel Sumrud, »aber ihr müßt mir einen Schlauch voll Wasser mitgeben, denn der Weg ist weit.« Qahirman setzte sich also auf den einen Flügel des Vogels, der seine[225] Schwingen ausbreitete und davonflog. Zwei Wochen lang flog er, bis er Qahirman in die Nahe der Festung bringen konnte, wo Rustamsal hauste. »Jetzt ruf deinen Sohn an,« sagte der Vogel, »sonst schießt er sicher auf uns.« »Gut,« sagte Qahirman, und als sein Vogel eben über der Festung dahinflog, nahm Rustamsal seinen Bogen und wollte auf ihn schießen. Von oben herab aber rief ihm sein Vater zu: »Schieß nicht, mein Sohn, ich bin es!« Als Rustamsal die Stimme seines Vaters hörte, ließ er seinen Bogen sinken und rief: »Komm!« Der Vogel Sumrud ließ sich herab; Qahirman stieg ab und stand vor seinem Sohne; der Vogel aber flog gleich zurück. Nachdem nun Vater und Sohn sich ausgesprochen hatten, ging Rustamsal auf die Jagd, tötete einen Hirsch, zündete Feuer an und briet ihn. Da es dem Vater hier ebensogut gefiel, als dem Sohne, blieben sie zwei Monate da.

Die sieben Könige aber, die inzwischen in ihre Reiche zurückgekehrt waren und sich dort von den ausgestandenen Leiden erholt hatten, dachten nun öfter an Rustamsal und sprachen von ihm, wenn sie zusammenkamen. »Rustamsal hat den Zauber von uns genommen,« pflegten sie dann zu sagen, »wir müssen doch nachsehen, was aus ihm geworden ist.« Sie rüsteten darum jeder ein großes Heer aus und machten sich auf den Weg zu Rustamsal. An einem gewissen Orte taten sich alle ihre Heere zu einem einzigen großen zusammen, das nach Rustamsal suchte, ihn aber nicht finden konnte. Da ließen die Könige eines Tages bekannt machen, daß derjenige, der ihn finden wurde, eine große Belohnung erhalten solle; man würde ihn nämlich in die eine Schale einer Wage legen und ihn mit Gold aufwiegen. Eines Tages nun kam ein Mann, der auf der Suche nach Rustamsal war und dabei ganz ruhig seine Wasserpfeife rauchte, zufällig auf eine Festung hinauf. »Wo bin ich denn hingeraten?« fragte er sich ganz verwundert, sah sich um und erblickte ganz in der Nähe ein Zelt und daneben sitzend zwei ungemein große Männer.[226] Als diese ihn erblickten, fragen sie ihn, wer er sei und was er wolle. »Ich bin gekommen, um euch etwas zu fragen. Ich möchte nämlich Rustamsal finden, der sich aufgemacht hat, um die Weißen Divs aufzusuchen.« »Der bin ich selbst,« antwortete Rustamsal, »geh' nur, sag' den Königen, sie möchten zu mir kommen.« »Sag' mir die Wahrheit,« bat der Mann, »denn wenn ich eine Lüge berichte, so bringen sie mich um.« »Sei ohne Furcht,« sagte Rustamsal, »ich lüge nicht, ich bin wirklich der, den du suchst.« Der Mann ging also zu seinem Heer zurück und berichtete den Königen, was vorgefallen war. Die waren hocherfreut und ließen sich sofort zu dem lange Gesuchten führen. »Warum seid ihr gekommen?« frug sie Rustamsal. »Um dir zu helfen«, antworteten sie. Auch Rustamsal freute sich ungemein und ging gleich mit ein paar Hundert Mann auf die Jagd. Da diese sehr erfolgreich war, konnte er das ganze große Heer bewirten. Einen oder zwei Monate hielt sieh so die ganze Gesellschaft in dieser Gegend auf.

Als nun Rustamsal erfahren hatte, wo sich die Weißen Divs aufhielten, teilte er dies den Königen mit und frug sie, ob sie bereit wären, an dem Feldzug gegen jene teilzunehmen. Diese willigten gerne ein.

Bald darauf erschienen die Heere der Weißen Divs, die gegen Rustamsal anrückten. Rustamsal warf sich ihnen entgegen, und mit ihm die sieben Könige mit ihrem Heer. Rustamsal aber bat sie, zurückzubleiben, er wolle den Kampf gegen die Feinde ganz allein in Gemeinschaft mit seinem Vater aufnehmen. Nach der Schlacht gaben die Divs ihrem König zu verstehen, daß ihr Heer von den beiden Männern besiegt worden sei. Der König der Divs wunderte sich nicht wenig und sagte: »Ich möchte doch wissen, was das für ein Mensch ist, der mein Heer besiegen konnte. Jedes menschliche Wesen, das in mein Land kommt, wird doch verzaubert und der konnte sogar bis hierher vordringen. Ruft mir meinen Vezier!« Als der[227] Vezier kam, sagte er zu diesem: »Was tun wir mit dem gefährlichen Fremden?« »Wir müssen unser bestes Heer, das aus lauter Recken besteht, ihm entgegen schicken, die sollen ihn töten.« Man versammelte also alle die besten und furchtbarsten Recken und schickte sie gegen Rustamsal. Als dieser sie anrücken sah, sagte er zu seinem Vater: »Drauf los auf die da!« »Nein,« entgegnete Qahirman, »laß sie nur herankommen.« Näher und näher kamen sie; dann trat einer von ihnen vor und rief den beiden zu: »Wer von euch wagt es, mit mir zu kämpfen?« »Ich«, antwortete Rustamsal. Sie liefen sich an und nach kurzem Kampfe hatte Rustamsal seinen Gegner geworfen und ihm den Kopf abgeschlagen. Als die Recken das sahen, warfen sie sich auf Rustamsal. Gleich aber kamen die sieben Könige mit ihren Heeren diesem zu Hilfe. Die Schlacht wurde zugunsten Rustamsals und seiner Helfer entschieden. Dem fliehenden Feinde nachdrängend, erreichten sie die Stadt der Divs. Dort fand Rustamsal das Haus des Königs der Divs, drang in dasselbe ein und tötete die Sklavinnen. Dann rief er nach seiner Tante, und siehe da! Es kam eine Frau und sagte: »Ich bin deine Tante.« Rustamsal nahm sie mit sich, führte sie zu seinem Vater und sagte zu diesem: »Vater, du hast mir gesagt, ich hätte keine Tante; aber wer ist denn diese da?« »Das hab' ich zuerst nur deswegen gesagt, damit du nicht ins Land der Divs gehen solltest. Aber jetzt hast du, Gott sei Dank, dein Ziel erreicht. Und jetzt ist es Zeit, nach Hause zurückzukehren.« Rustamsal aber wandte sich an die sieben Könige und sagte: »Jetzt müssen wir für uns und für euch Kamele auftreiben, um die Beute wegzuschaffen und dann wollen wir nach Hause gehen.« So wurde es denn auch gemacht; es wurde alles auf Kamele geladen und gemeinsam der Heimweg angetreten. Am vierzehnten Tage der Reise sagten die sieben Könige zu Rustamsal: »Wir müssen uns jetzt trennen, denn wir wollen in unser Land zurückkehren und ihr doch sicher in das eure. Unsere Wege aber gehen[228] hier auseinander.« Rustamsal war's zufrieden, verabschiedete sich von ihnen und jeder zog seines Weges. Nach werteren zwei Wochen kam Rustamsal in die Nähe seiner Heimatsstadt und traf da auf dem Wege ganz in Schwarz gekleidete Menschen. Er hielt den einen von ihnen an und frug ihn, warum die Leute Schwarz trügen. Der Mann, der Rustamsal nicht kannte, antwortete: »Der Sohn unseres Königs ist ausgezogen ins Land der Weißen Divs, um seine Tante zu holen und ist bis heute nicht zurückgekehrt. Deshalb tragen wir Trauerkleider. Und noch eines muß ich dir sagen: Seit Rustamsal und sein Vater spurlos verschwunden sind, sind fremde Eroberer gekommen und wollen unser Land wegnehmen und es zerstören,« Als Rustamsal dies vernommen hatte, schickte er den Mann weg mit der Botschaft, Rustamsal sei mit seinem Vater und seiner Tante zurückgekommen. »Ich will gern gehen und diese frohe Botschaft verkünden,« sagte der Mann, »aber ich fürchte, daß sie nicht wahr ist und daß man mir den Kopf abschlägt.« »Sei ohne Furcht,« entgegnete Rustamsal, »sag' nur so, wie ich dir befohlen habe.« Der Mann ging und überbrachte die Botschaft dem fremden König, der Qahirmans Reich erobert hatte. »Wenn das, was du sagst, wahr ist,« sagte der König, »so will ich dich reichlich belohnen, wenn es aber eine Lüge ist, so kostet es dich den Kopf.«

Inzwischen hatte auch Qahirmans Vater von der Rückkehr seines Sohnes und seines Enkels erfahren und zog ihnen entgegen. Der fremde König aber zog mit seinen Mannen eiligst ab und Rustamsal, sein Vater und sein Großvater hielten wieder Einzug in ihre Stadt. Nun hatte Rustam, ehe er ins Land der Divs zog, zwei benachbarte Könige bekriegt und sich von diesem Feldzug eine Frau mit nach Hause gebracht, dieser aber den Scheidebrief gegeben, als er sich zur Rettung seiner Tante aufmachte. Diese Frau hatte ihm drei Söhne geschenkt, Djambachysch, Djahangir und Söhrab mit Namen. Sie wurden erzogen, ohne voneinander[229] und von ihrem Vater etwas zu wissen. Eines Tages spielte der erste der dreie mit andern Knaben Knöchel, da sagte ihm einer der Mitspielenden: »Eigentlich solltest du gar nicht mit uns spielen, du bist ja ein Bankert.« Ganz traurig und betrübt, mit gesenktem Kopf kam der Knabe zu seiner Mutter und frug: »Wie ist es mit meinem Vater? Lebt er oder ist er tot?« »Ich weiß es nicht«, antwortete die Mutter. »Wie hieß mein Vater?« frug Djambachysch weiter. »Rustamsal hieß er«, lautete die Antwort. »Gut; ich will meinen Vater aufsuchen.« Die Mutter gab ihm einige Brote mit und er machte sich auf den Weg. Nach einer zweiwöchigen Reise kam Djambachysch in die Nähe einer Stadt, traf da einen alten Mann, der im Felde arbeitete und frug ihn: »Könntest du mich diese Nacht beherbergen?« Auf die bejahende Antwort des alten Mannes hin half ihm Djambachysch bei der Arbeit, und als es Abend geworden war, führte ihn der Alte nach Hause. Djambachysch aber hatte in diesen wenigen Stunden so viel Arbeit geleistet, als ein anderer in drei Tagen. Zu Hause angelangt, sagte der Alte zu seiner Frau: »Frau, mach ein Abendessen zurecht!« Nachdem sie sich nun satt gegessen und eine Weile mit einander geplaudert hatten, legten sie sich nieder.

Am folgenden Tage berichtete der Alte dem Könige von der außergewöhnlichen Kraft Djambachyschs. Der König befahl, den Jungen vorzuführen und es fügte sich so, daß Djambachysch eben zu der Zeit beim Könige eintraf, als Rustamsal mit seinen Söhnen bei diesem zu Gast war. Der König frug Djambachysch, ob er zu ringen verstehe. »Ja, das kann ich«, antwortete er. »Nun, so ringe zuerst einmal mit dem da!« sagte der König und stellte ihm Djahangir gegenüber. Sie liefen einander an, und Djambachysch warf bald seinen Gegner und band ihm die Füße mit einem Strick zusammen. Am folgenden Tage rang Djan Abbas mit ihm. Er warf auch diesen und legte ihn neben Djahangir. Rustamsal wunderte sich höchlich über[230] die Stärke Djambachyschs und sagte: »Ich werde jetzt mit ihm kämpfen«, dabei hatte er den Entschluß gefaßt, ihn zu töten, wenn er nicht imstande wäre, ihn im Ringkampf zu besiegen. In der Tat verwundete Rustamsal seinen Gegner im Kampfe. Man trennte die beiden, Djambachysch ging nach Hause und bereitete sich ein Heilmittel für seine Wunde. Am nächsten Morgen war er schon wieder auf der Walstatt. Sie faßten sich wieder, rangen, und als Rustamsal bemerkte, daß ihn seine Kräfte verließen, zog er seinen Dolch und stieß ihn bis zum Heft Djambachysch in die Brust. Mit brechendem Auge wandte sich dieser noch einmal um und sagte zu seinem Gegner: »He, du Unmenschlicher, warum hast du mich auf solche Weise umgebracht. Wenn das mein Vater wüßte, der würde dich finden und wenn du im Himmel wärest.« »Wer ist er denn, dein Vater?« »Mein Vater ist Rustamsal, der Sohn des Qahirman.« Als Rustamsal dies hörte, tat er einen furchtbaren Schrei und fiel in Ohnmacht. Djambachysch aber starb. Als Rustamsal wieder zu sich kam, bat er zu Gott, er möge seinen Sohn wieder zum Leben erwecken. Da ertönte eine Stimme vom Himmel: »Höre, Rustamsal, du mußt Djambachysch in eine Mulde legen und ihn vierzig Tage lang auf deinem Kopfe tragen, dann wird er wieder lebendig werden.« Rustamsal führte diesen Befehl aus. Am acht- oder neununddreißigsten Tage kam er an einen Fluß und sah da einen Mann, der schwarze Wolle wusch, um sie, wie er sagte, weiß zu machen. »Das geht nicht,« sagte Rustamsal, »schwarze Wolle wird nie weiß, wenn du sie auch noch so lange wäschst.« »Wieso nicht? Wenn das nicht geht, wird auch ein toter Mensch nicht wieder lebendig.« Rustamsal dachte bei sich, der Mann hätte eigentlich recht, ein toter Mensch werde ja doch nicht mehr lebendig, und es sei also nutzlos, den Leichnam Djambachyschs noch länger herumzuschleppen. Er nahm also die Mulde vom Kopfe und legte sie auf die Erde. Da sah er, daß Djambachysch schon beinah'[231] wieder lebendig war; im Augenblicke aber, wo die Mulde die Erde berührte, starb er wieder. Und als er aufschaute und nach dem Alten, der die Wolle wusch, sich umsah, war auch dieser verschwunden. Da begriff er, daß dies ein Zauber war, dazu bestimmt, ihn an der Ausführung seines Vorhabens zu hindern. In bitterer Reue trug er Djambachysch nach Hause und beerdigte ihn.

Nach einiger Zeit fing Rustamsal an, sein Königreich zu bereisen und sich in Regierungsgeschäften zu betätigen. So verbrachte er zwei Jahre. Dann kam es ihm eines schönen Tages in den Kopf, er sei eigentlich gar kein Held, weil er ja noch gar nicht im Land der Djinnen gewesen sei. »Viele Recken sind schon hingegangen, aber keiner ist zurückgekehrt,« sagte er zu sich selbst, »ich muß unbedingt hin und ihnen ein paar Städte abnehmen.« Er rief also seinen Vezier und seinen Nasier zu sich und teilte ihnen seine Absicht mit: »Ich muß jetzt auf Reisen gehen, seht ihr zu, daß ihr mir mein Land ordentlich verwaltet.« »Gut,« antworteten diese, »tue nach deinem Willen; aber laß uns einige deiner Recken da, sonst könnten andere Könige auf den Gedanken kommen, in unser Land einzufallen.« Rustamsal erfüllte diese Bitte und machte sich auf den Weg.

Einige Monate wanderte er durch Wälder und über Berge, ohne irgendetwas zu finden. Da sah er eines Tages am Abhänge eines Berges etwas Schwarzes, das eine Stadt war. Mit dem Rufe »ja Ali!«67 brach er auf, und als er näher kam, sah er, daß auf den vier Seiten dieser Stadt hohe Festungen standen und daß die Stadt selbst sehr schön war. Voller Freude beschloß er, sie einzunehmen, dort ein paar Jahre auszuruhen und dann ins Land der Djinnen zu ziehen. Er näherte sich also der Stadt und befahl seinem Heere, ihm zu folgen. Dann drang er ein und die von dem[232] plötzlichen Überfall erschreckten Bewohner liefen zu ihrem König und berichteten ihm, daß ein fremder Mann mit seinem Heere die Stadt überrumpelt habe und mit dem König Krieg zu führen wünsche. Der König ließ Rustamsal wissen, daß am nächsten Morgen seine Recken sich den Mannen Rustamsals entgegenstellen würden. Dieser aber ließ die Zeit bis dahin nicht ungenützt; er ging zuerst auf die Jagd, und als er zurückkam, ließ er die Trommel rühren, ordnete sein Heer und erwartete die Recken des Königs. Als nun diese kamen, wollte Rustamsal selbst kämpfen, aber Djanabbas ließ dies nicht zu: »Wenn er dich besiegt, was wird dann aus uns werden? Laß mich kämpfen; wenn ich falle, dann kannst du immer noch an meine Stelle treten.« Djanabbas richtete sich also zum Kampfe her. Er lief seinen Gegner an, warf ihn, und wollte ihm den Kopf abhauen, bemerkte aber, daß sein Gegner ein Mädchen war. »Steh auf und geh deiner Wege,« sagte er, »ich kämpfe nur mit Männern.« »Ich aber bin ein Mädchen, das beschlossen hat, nur einen Mann zu heiraten, der mich besiegt hat«, sagte das Mädchen, und da sie sich für besiegt bekannte, hatte Djanabbas nichts dagegen.

Zwei Monate verbrachten sie nach diesen Ereignissen in Festlichkeiten, die Tag und Nacht fortdauerten, dann aber wollte Rustamsal weiter, ins Land der Djinnen. Djanabbas Frau riet ihm davon ab. »Geh' nicht hin, aber wenn schon, dann nimm mich mit!« »Nein«, antwortete Rustamsal, mit meiner Schwiegertochter kann ich nicht in den Krieg ziehen, das wäre doch eine Schande. »Bleib' du hier!« Und als er nach ein paar Tagen wirklich aufbrechen wollte, kam sie nochmals zu ihm und bat, sie doch mitzunehmen, »denn,« sagte sie, »ihr kennt das Land dort nicht und nicht die Djinnen, ihr werdet nicht fertig damit; die haben bisher alle Helden getötet, die sich zu ihnen wagten und es wird auch euch das Leben kosten,« »Nein,« lehnte Rustamsal ab, »wir gehen ohne dich; wenn wir aber in Schwierigkeiten geraten, kannst du kommen und uns[233] helfen.« Dabei blieb es. Rustamsal wies jedem seiner Söhne einen Teil seines Heeres zu und schickte sie auf verschiedenen Wegen ins Land der Djinnen, wo sie sich nach einer gewissen Zeit bei der Festung der Djinnen treffen sollten.

Als sie nun an der Festung angekommen waren und diese von allen Seiten umringt hatten, sahen sie, daß sie nur ein Tor hatte. Frau Djanabbas aber hatte jeden Abend das Schicksal befragt und jedesmal eine schlimme Antwort bekommen. Das beunruhigte sie sehr; sie ging also zu ihrem Vater und bat ihn um Erlaubnis, Rustamsal zu Hilfe zu eilen. In zwei Tagen hatte sie das Heer erreicht und fing nun an, ihr Zauberbuch zu befragen. Rustamsal, Djanabbas und Söhrab waren nämlich in einen schlimmen Zauber geraten, als sie in die Festung eindrangen. Sie taten ihr Möglichstes, um davon loszukommen, aber umsonst, außerdem hatten sie bereits gesehen, daß da hundert versteinerte Menschen herumstanden. Als sie nun aber erfuhren, daß Frau Djanabbas gekommen sei, um ihnen zu helfen, faßten sie wieder Hoffnung. Und folgenden Rat gab sie ihnen: »Wenn ihr euch schlafen legt, müßt ihr euch aufs Gesicht legen, dann werdet ihr sehen, was kommen wird.« Sie selbst aber nahm ihr Zauberbuch vor und las darin: zuerst ertönte ein Geräusch, wie wenn es regnete, dann fiel ein Feuerregen, und als sie weiter las, quoll kraft ihrer Zauberei ein Fluß aus dem Boden. Noch vieles andere zauberte sie, aber es war alles umsonst. Doch gelang es zuletzt, Rustamsal und die anderen aus der Verzauberung zu befreien und sie setzten ihren Weg nach dem Lande der Djinnen fort. Der Zauberer der Djinnen wußte nicht, was er tun sollte. Frau Djanabbas aber sagte zu ihrem Mann: »Siehst du das Ding am Himmel? Das müssen wir töten. Sowie wir es getötet haben, ist das Land der Djinnen in unserer Hand. Wir müssen mit der Kanone darauf schießen; aber wenn die erste Kugel es nicht reicht, versteinern die Füße desjenigen, der sie abgeschossen hat; beim zweiten Fehlschuß versteinert er bis[234] zum Herz, beim Dritten ganz. Wisset, daß wir alle in Stein uns verwandeln können.« Rustamsal erbot sich, den ersten. Schuß zu tun, sie ließ das aber nicht zu, sein ältester Sohn solle es tun, sagte sie. Djanabbas lud also die Kanone, schoß, fehlte und im Nu waren seine Füße zu Stein geworden. Als Rustamsal das sah, wollte er um keinen Preis zugeben, daß Djanabbas nochmals schösse: »Was soll aus uns werden, wenn er versteinert?« sagte er. »Das geht nicht,« sagte Frau Djanabbas, »wer den ersten Schuß getan hat, muß auch den zweiten und dritten tun.« Djanabbas schoß also ein zweitesmal, fehlte wieder und wurde bis zum Herzen zu Stein. »Jetzt ist's genug,« sagte seine Frau, »wenn du noch einmal fehlst, wirst du ja ganz zu Stein und wir auch.« Aber Djanabbas wollte nicht. Doch lud sie jetzt die Kanone, zielte sorgfältig und befahl dann: »Feuer!« Der Schuß ging los und das Ding fiel mit Donnerkrachen zur Erde und war tot.

Nun konnten sie die Stadt einnehmen, ausplündern und den Heimweg antreten. Djanabbas kehrte mit seiner Frau in seine Stadt zurück. Und Qahirman stieg zur Zeit, wo er die Rückkehr seines Sohnes erwartete, auf einen hohen Berg und schaute nach Rustamsal aus. Als dieser in die Nähe seiner Heimatstadt kam, traf er zwei Männer, die er anhielt und ausfrug: »Nun, was gibt es Neues? Ist alles wohl?« »Als ihr fort wart,« antworteten die beiden, »kamen fremde Recken in unser Land und wollten unsere Stadt einnehmen. Das kann heute oder morgen geschehen. Qahirman ist geflohen und wartet jetzt auf einem hohen Berge deine Rückkehr ab.« »Geht nur schnell zu meinem Vater,« befahl Rustamsal »und sagt ihm, sein Sohn habe das Land der Djinnen erobert und komme jetzt zurück, seinen Sohn habe er auch verheiratet.« Die beiden suchten eiligst Qahirman auf und richteten ihre Botschaft aus; Qahirman war überglücklich und kehrte schleunigst in seine Stadt zurück. Die fremden Recken aber machten sich gleich aus dem Staube, als sie von Rustamsals Rückkehr[235] erfuhren. Dieser herrschte noch einige Jahre und als er in hohem Alter stand, vermachte er sein Reich dem Sohne Djambachyschs, weil er ja dessen Vater getötet hatte. Mit fünfundzwanzig Jahren kam so Djambachyschs Sohn auf den Thron; er hieß Sülfager. Auch er war sehr tapfer.

66

Alexander. (der Große).

67

= Oh Ali! Ali war der 4. Kalif, Neffe u. Schwiegersohn des Propheten, wurde 661 in Kufa ermordet. Er ist der Heilige der Schiiten, einer besonders in Persien verbreiteten Sekte.

Quelle:
Dirr, A.: Kaukasische Maerchen.Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 218-236.
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