XIII.

[41] Es war einmal ein Kurdenhäuptling, der hatte einen verwirrten, verrückten Sohn; er bot ihm an: »Ich will dir eine Braut heimführen«. »Was soll ich mit einer Braut tun?« fragte jener. »Du legst dich zu ihr schlafen«, sagte er. »Ich will nicht«. – Der Sohn ging die Schafe hüten. Der Vater aber dachte, er wolle seinem Sohne dennoch ein Weib suchen. Er freite ihm also eine; wie er's aber auch anstellte, jener legte sich nicht zu ihr. Da sagte das Mädchen zu ihrem Schwiegervater: »Ziehe mir Männerkleider an, und ich will zu Pferde steigen, meinen Mann im Gebirge zu besuchen«. Sie zog Männerkleider an, aber ihre Hosen noch darüber, stieg zu Pferde und begab sich zu ihrem Manne in's Gebirge. Der kannte sie nicht, denn sie hatte sich in einen Türken verkleidet. Es fing an zu regnen. Da ging sie zu ihm hin[41] und rief: »Hirte!« »Ja!« »Ist kein Schwamm und Feuerstein da?« »Wozu?« fragte jener. »Mache mir doch ein Feuer, damit ich mich daran wärmen kann«, sagte sie. Da machte er ihr ein Feuer, sie aber knüpfte ihre Kleider auf vor dem Feuer, wärend er dasselbe anblies. Sie hatte ein Loch in der Hose, und wie er nun das Feuer anblies, fiel sein Blick auf dasselbe und er sagte: »Herr!« »Ja!« »Was ist das für ein Loch?« »Still, du Schurke«, antwortete sie, und er blies das Feuer weiter an. Wärend dessen betrachtete er das Loch noch einmal und sagte: »Herr, was ist denn das für ein Loch?« »Es hat mich an dieser Stelle eine Lanze getroffen, und nun bin ich zu dir gekommen, damit du es heilest«. »O verstände ich doch es zuheilen!« antwortete jener. »Du verstehst das«, sagte sie. »Wie so denn?« fragte er. »Mache das Ding da warm und richte es in die Höhe, dann komm und lege es hierher, so wird es heil; das ist das rechte Pflaster dafür«. Da machte der Hirte sein Ding warm und richtete es in die Höhe; der Ritter aber knüpfte sich auf und sagte zu ihm: »Lege das eine meiner Beine hierhin und das andere dorthin und das Heilmittel lege hier an«. Dies tat der Hirte, und es gefiel ihm wol. Dann sagte er: »Herr, komm jeden Tag hierher; ich will dir das Heilmittel auflegen«. »Du Verfluchter«, sagte jene, »bin ich nicht deine Frau? so hat dich dein Vater ja tun heissen! und du sagst: ich verstehe das nicht«. Dann kehrte sie nach Hause zurück, und auch er kam am Abend dorthin und fragte: »Wo ist meine Frau?« »Da ist sie«, antwortete man ihm. Da sagte er: »Nun will ich meines Vaters Haus verlassen«, und verliess es.

Eines Tages ging er fort, umzupflügen; er besass aber viele Hühner. Unterdessen kam ein Fremder und fragte seine Frau: »Willst du mir nicht fünf Hühner und einen Hahn verkaufen?« »Ja freilich«, antwortete sie. Darauf gab sie ihm fünf Hühner und einen Hahn und sagte: »Wo ist das Geld?« »Nimm den Hahn«, antwortete er, »und behalte ihn als Pfand für das Geld«. Sie nahm den Hahn und setzte ihn wieder in's Hühnerhaus; dabei bückte sie sich mit ihrem Kopfe nach unten; der Mann aber, welcher die Hühner gekauft hatte, kam ihr von hinten bei. Darauf machte er sich weg, die Frau aber sagte nichts. Als der Mann vom Pflügen nach Hause kam, rief sie: »Mann!« »Ja!« »Ich habe fünf Hühner und einen Hahn verkauft«. »Wo ist das Geld?« fragte er. »Er hat es noch behalten, aber er hat den Hahn als Pfand zurückgelassen!« antwortete sie. »Oh«, entgegnete er, »geh zum Teufel! gehört denn der Hahn nicht dir? er wird einfach denken,[42] er habe den Hahn gar nicht gekauft!« »Weh mir, weh mir«, schrie die Frau. »Und warlich bei Gott, er hat dich beschlafen«, fuhr der Mann fort. »Wenn ich nicht meinen Kopf im Hühnerstall gehabt hätte, hätte er mir dann beikommen können?« antwortete sie. Da tödtete er seine Frau.

Quelle:
Prym, E./Socin, A.: Syrische Sagen und Märchen aus dem Volksmunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprechts Verlag, 1881, S. 41-43.
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