Die goldene Wundernachtigall.

[20] Eins der beliebtesten Sujets der armenischen Märchen ist die »goldene Wundernachtigall«, die dem »Glutvogel« der russischen Märchen entspricht. Mit ihm sind viele interessante Episoden verknüpft, die dem Märchen eine gewisse Verschiedenartigkeit verleihen.

Das deutsche Märchen vom »goldenen Vogel«13 ist den Armeniern ebenso bekannt[20] wie den Russen. In der armenischen Abfassung kommt der Held ebenso wie in der deutschen und russischen zu einer Hexe, die, nachdem sie die Anwesenheit eines Menschen gewahr geworden, ausruft: »Pfui, hier riecht es nach Menschenfleisch!« ein typischer Ausruf, der bei den Russen etwas verändert vorkommt, sich aber in den deutschen und romanischen Märchen wörtlich wiederholt. In diesen und jenen überlistet der Mensch die Hexe, die um jeden Preis Menschenfleisch kosten wollte. – Wenn die armenischen Märchen schon in solchen Einzelheiten den deutschen und russischen gleichen, so ist es um so weniger zu verwundern, dass bei den Armeniern dieselben Märchen zu finden sind, die bei anderen indoeuropäischen Völkern vorkommen und Gegenstände behandeln, die das Hauptzubehör der meisten Märchen bilden, wie das Blitzschwert, der Zauberteppich, die unsichtbare Mütze u.s.w.

13

Wallachische Märchen von Schott, No. 26. Kinder- und Hausmärchen von Grimm, No. 57. Deutsche Volksmärchen von Haltrich, No. 7. Deutsche Hausmärchen von Wolf, Seite 230–240. Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Bd. II, S. 389–400.

Quelle:
Chalatianz, Grikor: Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1887, S. XX20-XXI21.
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