5. Der Herrgott, St. Peter und der Schmied.

[27] In einer kleinen Stadt von der Grösse wie Schio oder Thiene lebte einst ein Schmiedemeister, ein braver, fleissiger und geschickter Mann, der sich aber auf seine Kunst so viel einbildete, dass er jedem, der ihn nicht Herr Professor titulirte, gar keiner Antwort würdigte. Dieser Stolz bei diesem sonst wie gesagt tadellosen Manne missfiel allgemein.

Da erschien einst in seiner Schmiede unser Herrgott mit dem heiligen Peter, den er immer auf solchen Ausflügen mitzunehmen pflegte. »Herr Professor!« redete unser Herrgott den Schmiedemeister an, »würdet ihr wohl so gütig sein, mir zu erlauben, eine kleine Arbeit an eurer Esse da zu verrichten?«

»Warum denn nicht! bedient mich«, erwiederte der geschmeichelte Schmied, »was wollt ihr machen?« Das werdet ihr gleich sehen, sagte unser Herrgott, ergriff eine Zange, packte damit den heiligen Petrus und hielt ihn in die Esse, bis er ganz rothglühend war. Hierauf zog er ihn heraus und hämmerte ihn von allen Seiten, und in weniger als zehn Minuten stand der alte Apostel mit seiner Glatze in einen wunderschönen Jüngling mit schönem Haarputz umgeschmiedet da.

Sprachlos vor Erstaunen stand der Schmied da, während unser Herrgott und St. Peter sich schönstens bedankten und höflichst empfahlen.

Da endlich ermannte sich der Meister und lief schnurstracks in den ersten Stock, wo sein alter, kranker Vater im Bette lag.

»Vater!« schrie er, »kommt schnell mit mir, so eben habe ich das Geheimniss erlernt, aus euch einen jungen, kräftigen Mann zu machen.«

»Sohn! bist du närrisch geworden?« fragte halb erschrocken der alte Mann.

»Nein, glaubt mir doch, ich habe es so eben selbst gesehen.«

Als nun der Alte durchaus gegen diesen Versuch protestirte, packte ihn der Sohn mit Gewalt, trug ihn in[28] die Schmiede und steckte ihn trotz allem Bitten und Schreien in die Feueresse, brachte aber nichts heraus., als ein Stück verkohltes Bein, das beim ersten Hammerschlag zerfiel.

Da erfassten ihn Schmerz und Gewissensbisse. Schnell lief er, die zwei Männer zu suchen und fand sie noch glücklich auf dem Marktplatze. »Herr«, rief er, »was habt ihr gethan! Ihr habt mich verleitet; ich wollte eure Kunst nachahmen und habe dabei meinen leiblichen Vater verbrannt. Kommt schnell mit mir und helft mir, wenn ihr noch könnt.«

Da lächelte unser Herrgott gnädig und sprach: »Gehet getröstet nach Hause, ihr werdet euren Vater gesund und lebend, aber wieder als alten Mann finden.«

Und so fand er ihn auch zu seiner grössten Herzensfreude.

Seit der Zeit war sein Hochmuth verschwunden, und betitelte ihn ja noch jemand als Herr Professor, so rief er: »Ach was da, Dummheit! die Herrn (i Signori) sind in Venedig, die Professoren sind in Padua, ich aber bin ein Pfuscher.«


In den Schwänken von Hans Folz, »Von wannen die Affen kommen« (in Haupt's Zeitschrift, Bd. 8, S. 537) und von Hans Sachs, »Ursprung der Affen« (Gedichte, Buch 4, Theil 3, S. LXIXd der Nürnberger Ausgabe von 1578, in Prosa umgesetzt in den Grimm'schen Märchen, Nr. 147) kommt nichts von grossem Hochmuth des Schmieds vor. Christus verjüngt nicht den heil. Petrus, sondern einen alten Bettler. Der Schmied will es ihm nachmachen und steckt seine alte Schwieger ins Feuer; als sie aber gar zu sehr schreit, nimmt er sie wieder heraus und steckt sie in den Löschtrog. Als die Frau des Schmieds und ihre Schnur, die beide hoch schwanger sind, die Missgestalt der verbrannten Alten sehen, entsetzen sie sich so, dass die Kinder, die sie zur Welt bringen, Affen sind. Von ihnen kommen die Affen her. – In dem Märchen aus der Oberpfalz (Panzer, Bayerische Sagen und Bräuche, Bd. 2, S. 18) ist der Schmied, wie in dem italienischen, sehr hochmüthig. Auf seiner Schmiede steht geschrieben: Meister über alle Meister. Christus verjüngt die Mutter[29] des Schmieds. Der Schmied versucht dasselbe an einer alten Nachbarin und ruft, als er sie ganz verbrannt und dann auf dem Ambos zerhauen hat, den Herrn Christus zurück. Christus und Petrus legen die Trümmer zusammen, bringen sie ins Feuer, dann auf den Ambos u.s.w. Zuletzt wird ein Affe daraus. »Anderes«, sprach der Herr, »kann man nimmer herausbringen«. – In dem waldeckischen Märchen bei Curtze, Volksüberlieferungen aus Waldeck, S. 85 ff., ist es ein Schmiedegesell, der den Pferden die Beine abschneiden und neue ansetzen und alte Weiber wieder jung schmieden kann. Als er zu einem Meister in Bamberg, der sich »Meister über alle Meister« titulieren lässt, kommt, will dieser es ihm gleich machen und versucht seine alte Frau jung zu schmieden, aber es gelingt ihm nicht, und auch der Gesell bringt endlich nur einen Affen heraus. (Im waldeckischen Märchen ist dies alles einem sonst gar nicht hierher gehörigen Märchen einverleibt). – In dem norwegischen Märchen bei Asbjörnsen, Nr. 21, kommen Christus und St. Peter auch zu einer Schmiede, mit der Inschrift: Hier wohnt der Meister über alle Meister. Christus nimmt einem Pferde, welches beschlagen werden soll, die Beine ab, beschlägt sie und setzt sie dann wieder an1. Dann schmiedet er die alte Mutter des Schmieds wieder jung. Der Schmied sucht ihm beides nachzumachen, aber mit schlechtem Erfolg. Weiter verläuft dann das norwegische Märchen in das Märchen vom Schmied und dem Teufel oder dem Tod, über welches man Grimm zu Nr. 82 vergleiche.

1

Dasselbe that Christus, um den Hufschmied Sanct Eligius, der auch über seine Thür geschrieben hatte: »Elig, ein Meister über alle Meister«, zu beschämen, in Wolf's Deutschen Märchen und Sagen, Nr. 17. Desgleichen kommt es in einem Märchen bei Schönwarth, aus der Oberpfalz, Bd. 3, S. 77, und in einem walachischen im »Ausland«, 1857, S. 1075, vor.

Quelle:
Widter, Georg/Wolf, Adam: Volksmärchen aus Venetien. In: Jahrbuch für Romanische und Englische Literatur 8 (Leipzig: 1866) 3ff, S. 27-30.
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