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[127] »Die Räuber nah'n!« In Sattel setzt
Held Dobosi die Schöne,
wild hinter drein die Rosse hetzt
ein Schwarm Tatarensöhne;
und wie den Schnee auf Felsenhöh'n
sieht man das Banner drüber weh'n,
hoch aus der Staubeswolke,
umdrängt vom wilden Volke.
Doch rückwärts schaut und vorwärts eilt
mit seinem Weih der Reiter;
ob Thal ob Hügel – unverweilt
trägt sie der Renner weiter;
gebadet wohl in blut'gen Schaum
durchfliegt es stolz den weiten Raum,
sein Huf mit Blitzesschnelle
schlägt Funken aus so helle.
Nicht zagt der treue Ungarheld
vor Wund' und Tod im Herzen,
oft stoß sein Blut im grünen Feld,
er kennt des Todes Schmerzen!
Und wer zu sterben weiß, deß Hand
drückt nie der Sklavenfessel Band –
doch seine Glut ersticket
wenn er auf's Liebchen blicket.[128]
Die Arme schlingt die zarte Maid
um ihren treuen Recken;
sie bebt und glüht, zu jeder Zeit
umringt von neuen Schrecken,
indeß um sie der wilde Ost
im braunen Haar keck wühlend tost;
wo Blätter rauschend fallen,
hört sie nur Ketten schallen:
»O Held, dir nicht der Muth gebricht
mit Hunderten zu ringen?
und kommt das Unglück, bebst du nicht
das Flammenschwert zu schwingen?
Durch Berg und Thal an fernen Ort
treibt mich der fremde Sieger fort,
im Sklavenjoch zu stöhnen,
der stolzen Frau zu fröhnen!«
Dem Helden graust es, still zerdrückt
im Aug'er blut'ge Thränen,
tief seufzend er zum Himmel blickt
und ruft in heißem Sehnen:
»Flieg hin, stieg hin, mein treues Roß!
Noch führt vielleicht ein glücklich Loos,
droh's auch mit schweren Leiden,
uns noch zu Lust und Freuden.«
Und wie das Reh im Waldesgrün
trotz blut'ger Wunde Plagen,
steht windschnell man den Helden stieh'n
vom treuen Thier getragen:[129]
Gebadet wohl in blut'gen Schaum
durchfliegt es stolz den weiten Raum,
sein Huf mit Blitzesschnelle
schlägt Funken aus so helle.
Doch mag's geschehn daß Wog' und Wind
stets ringen ohne Wanken?
ziellos zur Ferne schnellbeschwingt
Hinschweifen die Gedanken?
Der Athem stockt dem Roß, erschlafft
ist endlich seiner Sehne Kraft,
Des Lebens Kern getroffen,
und hin des Reiters Hoffen.
Da faßt ein Sturm der Schönen Brust,
die Adern fühlt sie schwellen;
schon nah'n im Feld mit Siegesluft
und Lärm die Raubgesellen;
und wie den Schnee auf steilen Höh'n
sieht man das Banner näher weh'n
hoch aus der Staubeswolke,
umdrängt vom wilden Volke.
»O Held, o Held, was schirmt uns noch?
das Schwert drum frisch gezogen!
zerschmelze denn das Sklavenjoch
mein Blut in heißen Wogen!
Soll leben ich im Mägdekleid,
wenn dich dein Heldentod befreit?
zu fremden Frohnes Füßen,
der Witwe Thränen fließen?«[130]
Er steht an Zweifelmeeres Rand
drin aller Muth versunken,
schwach glimmt von Seufzern übermannt
der letzte Hoffnungsfunken:
»Nur einmal noch, mein treues Roß!
noch führt vielleicht ein glücklich Loos,
droh's auch mit schweren Leiden,
uns doch zu Lust und Freuden.«
Und einmal noch zuletzt es fühlt
den scharfen Sporn mit Stöhnen
und spannt wie müdgehetztes Wild
die letzte Kraft der Sehnen.
Gebadet wohl in blut'gen Schaum
durchfliegt es stolz den weiten Raum,
und ach! wie Blitzesflammen
bricht stracks das Roß zusammen!
Und wie die Wolke hagelschwer
und wie des Blitzes Leuchte
schwirrt schon des roh'n Tataren Speer, –
ob er sie bald erreichte?
und wie der Schnee auf steilen Höh'n
sieht hier man schon das Banner weh'n,
aus dichter Staubeswolke,
umdrängt vom wilden Volke.
»O Held, noch einen Kuß so warm,
den letzten, meinem Munde!
dann deck' mit deinem Schützerarm
des Herzens tiefe Wunde.[131]
Dann, Engel mein, entreiß mich gleich
des Räubers Gier mit einem Streich!«
Es schweigt der Held, und kehret
sich ab von Leid verzehret.
»O Held, ganz schwand die Hoffnung hin
um Leben noch zu werben.
Die Liebe nur durchflammt den Sinn
und Andres nichts als Sterben.
Schon winkt der Freiheit Strahl so hell,
doch naht sie nur im Blutesquell!«
Er schweigt, er fühlt sein Leben
sein innerstes erbeben.
»Ein Schicksal vielen Neides werth
ist, Männer, euch gegeben:
Du zückest auf den Feind das Schwert,
und scheidst gerächt vom Leben.
Ich stehe, dies vermag ich bloß,
jetzt auf den Knien den Todesstoß.
Ich gab ja Herz und Liebe –
was wär' noch das mir bliebe?«
»Willst du daß ein verhaßter Kuß
in Siegers Arm ihn lohne?
daß in den Staub des Mächt'gen Fuß
die Schaam zertret' im Hohne?
Weh Theurer, denk' es schaudernd aus
wie dann dein Weib in Lasters Graus –
Ist das die starke Treue?
drum diesen Kampf nicht scheue!«[132]
Noch säumt der Held vom Weh gebannt,
ihn bringt die Qual von Sinnen –
da schaudernd greift ans Schwert die Hand
mit der Minute Rinnen;
indeß dem Löwen gleich an Wuth,
nach Beute lechzend und nach Blut,
der Krimm Tatarenrecken
nach ihr die Hände strecken.
Und abgewandt zum letzten Mal
hält er sein Lieb umschlungen,
senkt tief hinein den treuen Stahl –
da hat er's durchgerungen;
und stürzend in den wilden Schwarm
empfängt und gibt den Tod sein Arm,
und auf der Gattin Leiche
verströmt sein Blut der Bleiche.
Cseke, November 1821.
Franz Kölcsey.
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