Zwei soldaten, aus ein und demselben dorfe, kehrten (aus dem dienste) der entscheidung des looses gemäss nach hause zurück. Der eine blieb aus irgend einer ursache auf dem wege nach seinem reisegefährten zurück. Dieser reisegefährte aber verspätete sich auf der reise und blieb in einer mühlstube über nacht. Er kroch in den ofen hinein (um zu schlafen). In der nacht kamen (in die stube) viele vožo's. Sie springen, stossen sich, laufen über das bettregal und die pritsche und singen mit allen möglichen[135] tönen. Der soldat kroch aus dem ofen hinaus (und setzte sich) auf den herd, weil er anzusehen wünschte. Die vožo's sehen ihn auch da nicht. Sie rührten den soldaten auch nicht an. Er sass auf dem herd, bis dass der hahn am morgen krähte. Als der hahn krähte, dann verschwanden auch alle vožo's. Am morgen gelangte der soldat nach hause. Ihm kamen sowohl seine eigenen als die verwandten seines reisegefährten entgegen. Die verwandten des reisegefährten fragten, ob ihr soldat schon bald käme. Er sagte: »Er musste etwas hinter mir bleiben; darum lässt er noch auf sich warten. Höchstens wird er noch fünf oder sechs tage auf dem wege sein«. Es verging eine woche, aber der (andere) soldat kommt noch immer nicht. Der heimgekehrte soldat sagt dann: »Als ich kam, sah ich auf der reise schreckliche dinge beim übernachten in einer mühle. Vielleicht ist auch er dahin (in die mühle) geraten und ist etwas ihm wiederfahren!« Er erzählte, was er beim übernachten in der mühle gesehen habe. Dann gingen die mutter und der vater des noch nicht heimgekehrten soldaten um ihn zu suchen.
In der that war dieser soldat in derselben mühle über nacht geblieben. Er war aber unvorsichtiger. Er hatte die vožo's nicht im sinne. Er legte sich auf das bettregal schlafen, in den ofen kroch er nicht hinein. Als es nacht wurde, sammelten sich die vožo's in der (mühl-)stube. Sie fingen an zu singen und zu springen. Ein kleiner vožo sprang auf das bettregal auf und sah den soldaten. Dann erzählte er es (was er gesehen hatte) dem alten vožo. Der alte vožo hiess die vožo's zu tollen aufhören. Er hiess (die vožo's) das kreuz von der brust (des soldaten) wegnehmen. Sehr geschickt nahmen die vožo's das kreuz des soldaten weg, und der soldat bemerkte es nicht. Anstatt des kreuzes hängten sie ihm eine schlinge (an den hals) an. Darauf weckten sie den soldaten auf und führten ihn mit sich um in der stube zu tanzen. Als darauf der hahn krähte, führten sie ihn in's wasser. Im wasser wurde sogar der soldat selbst ein vožo.
Die mutter und der vater des soldaten langten an, machten sich auf das übernachten in der mühle gefasst und sagten: »Werden wir nicht unseren sohn unter den vožo's sehen? Aber wie[136] werden wir ihn erkennen?« Darauf meinten sie aber: »Vielleicht wittert er uns und hält sich näher an uns!« Sie legten sich im ofen schlafen; sie warten, dass die vožo's kommen werden. In der that kamen sie mitternachts in grosser menge in die stube. Sie springen, singen, laufen; alle sind einander ähnlich. Bald bemerkten die alten, dass einer unter den vožo's näher um den ofen wanderte; er setzt sich sogar bisweilen auf den herd. Es kam ihnen in den sinn: »Das ist ja unser sohn! Es ist kein vožo!« Als er sich (einmal) auf den herd setzte um auszuruhen, hängte die mutter an seinen hals ein kreuz, das sie von hause gebracht hatte. Bald darauf krähte der hahn. Die vožo's liefen (jetzt) wie früher in's wasser. Nach ihnen lief auch der sohn der alten. Er gelangte an das wasser, aber blieb stehen: er fühlt sich (wieder) als mensch, er fürchtet im wasser zu ertrinken. Aber dann ergriffen ihn seine mutter und sein vater und führten ihn nach hause. Zu hause lag er eine ganze woche krank. Darauf aber vergass er, dass er vožo gewesen war.
1 | vožo, ein böser geist (bei den südwotjaken bes. ein böser wassergeist: šur-vožo, por-vožo), verursacht u.a. krankheiten; treibt während der winter- und sommersolstitien (vožo-dȋr = die vožo-zeit) herum, da man ihn (mit arbeit, geräusch u.a.) nicht stören darf. |