Amiel

[439] Amiel (spr. amiéll), Henri Frédéric, französisch-schweizer. Schriftsteller, geb. 27. Sept. 1821 in Genf, aus einer Réfugiésfamilie, gest. daselbst 11. Mai 1881, studierte in Heidelberg und Berlin (1844–48) deutsche Philosophie und wurde darauf Professor der Philosophie an der Genfer Akademie. Außer literarhistorischen Arbeiten veröffentlichte er auch poetische Versuche: »Grains de mil« (1854), »Penseroso« (1858), »La part du rêve« (1863), »L'escalade de 1602« (1875), »Charles le Téméraire« (1876) und »Jour à jour« (1880), deren Hauptstärke in der philosophisch-tendenziösen Färbung liegt. Er hat eine Anzahl bekannter deutscher Gedichte, z. B. Freiligraths »Löwenritt«, im gleichen Versmaß ins Französische übersetzt (»Les Étrangères«, 1876). Aufsehen erregten die Auszüge aus seinen Tagebüchern, die nach seinem Tod unter dem Titel »Fragments d'un journal intime« (1883, 2 Bde.; 8. Aufl. 1901) mit Einleitung von E. Scherer herausgegeben wurden. Sein Wesen war mehr von deutscher Art; in Frankreich ist er nicht verstanden und daher z. T. recht abfällig beurteilt worden. Sein Leben beschrieb die Genferin Berthe Vadier (Par. 1885). Vgl. Frommel, Esquisses contemporaines (Par. 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 439.
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