Berry [2]

[728] Berry, 1) Charles de, dritter Sohn des Dauphins Ludwig und der Prinzessin Marie Christine von Bayern, Enkel Ludwigs XIV., geb. 1686, gest. 1714, war seit 1710 vermählt mit Marie Luise Elisabeth von Orléans (geb. 1695, gest. 1719), einer sittenlosen Tochter des spätern Regenten.

2) Charles Ferdinand, Herzog von, zweiter Sohn des Grafen von Artois (Karl X.) und der Maria Theresia von Savoyen, geb. 24. Jan. 1778 in Versailles, floh mit seinen Eltern 1789 nach Turin und focht mehrfach mit den Emigranten gegen Frankreich. 1801 ging er nach England und vermählte sich morganatisch mit der Engländerin Brown; zwei Töchter aus dieser von Ludwig XVIII. nicht anerkannten Che heirateten die eine den Marquis von Charette, die andre den Prinzen von Faucigny. Auch nach der Restauration nahm er wenig teil am politischen Leben. 1816 vermählte er sich mit Karoline Ferdinande Luise (s. unten). Da auf dieser Ehe das Fortbestehen der ältern Linie Bourbon beruhte, so wurde B. 13. Febr. 1820 beim Austritt aus dem Opernhaus von Louvel, der Frankreich durch Ausrottung der Bourbonen retten wollte, erdolcht. Vgl. Chateaubriand, Mémoires touchant la vie et la mort du duc de B. (Par. 1820).

3) Karoline Ferdinande Luise, Herzogin von, geb. 5. Nov. 1798, gest. 16. April 1870, Gemahlin des vorigen seit 17. Juni 1816, älteste Tochter des nachmaligen Königs Franz I. von Neapel, gebar nach ihres Gatten Ermordung 29. Sept. 1820 den Prinzen Heinrich von Artois, Herzog von Bordeaux (s. Chambord). Nach der Julirevolution von 1830 folgte sie mit ihren Kindern Karl X. nach Holyrood. Mit der Absicht, ihren Sohn als König nach Frankreich zurückzuführen, landete die Herzogin 29. April 1832 in Marseille, mußte aber, da ihre Partei zu schwach war, verkleidet nach der Vendée fliehen, erregte dort vergeblich Aufstände und ward endlich in Nantes infolge des Verrats ihres Agenten Deutz 6. Nov. verhaftet. Auf der Zitadelle von Blaye ergab sich, daß die Herzogin schwanger war; sie erklärte, sie sei seit 14. Dez. 1831 in zweiter Ehe mit dem neapolitanischen Grafen Lucchesi Palli vermählt. Diese wahrscheinlich nicht einmal richtige Mitteilung brachte sie um ihre politische Bedeutung, und die Regierung entließ sie nach ihrer Entbindung (10. Mai 1833) ihrer Haft. Sie ging nach Rom; hier erst fand ihre Vermählung mit dem Marchese Lucchesi Palli statt. Seitdem lebte sie mit ihrem zum Herzog della Grazia erhobenen Gemahl (gest. 1. April 1864), dem sie mehrere Kinder gebar, bis zu ihrem Tode meist zu Brunnsee in Steiermark. Vgl. »La captivité de Mme la duchesse de B. Journal du docteur P. Ménière« (Par. 1882, 2 Bde.); Imbert de Saint-Amand, La duchesse de B. (das. 1888–91, 3 Bde.); Nauroy, La duchesse de B. (das. 1889); Thirria, La duchesse de B. (das. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 728.
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