Cluny

[198] Cluny (Clugny, spr. klüni, lat. Cluniacum), Stadt im franz. Depart. Saöne-et-Loire, Arrond. Mâcon, an der Grosne (Nebenfluß der Saöne), Knotenpunkt an der Lyoner Bahn, hat eine berühmte ehemalige Benediktinerabtei, in der sich gegenwärtig eine Gewerbeschule befindet, Reste der romanischen Abteikirche, mehrere andre Kirchen, eine Bibliothek, ein Museum und (1901) 3481 Einw., die Papierfabrikation und Töpferei betreiben. – Die Abtei C. wurde vom Herzog Wilhelm von Aquitanien gestiftet und dem aus burgundischem Grafengeschlecht stammenden Abt Berno (910) übergeben, der die Klosterzucht nach der

[198] Benediktinerregel wiederherstellte. Seinen und seiner Nachfolger, besonders Odo (927–941), Odilo (994–1049) und Hugo (1049–1109), energischen Bestrebungen verdankt C. seinen großen Ruf. Neue Klöster wurden von C. aus angelegt, alte reformiert, und so entstand im Benediktinerorden die Kongregation von C., der Orden der Cluniacenser, d. h. eine Vereinigung vieler Klöster unter dem Abt von C. als dem gemeinsamen Oberhaupte. Die Statuten dieser Kongregation, Consuetudines genannt, regelten das klösterliche Leben bis in seine kleinsten Einzelheiten und ließen, indem sie Kleidung, Speise, selbst die Erholung durch Vorschriften ordneten, der individuellen Entwickelung gar keinen Spielraum. Bezeichnend ist besonders das Gebot des Schweigens an bestimmten Orten und zu gewissen Zeiten. C. wurde der Ausgangspunkt der auf Befreiung der Kirche von der Herrschaft des Staates und insbes. des Kaisertums gerichteten Reformation, die durch den aus den Cluniacensern hervorgegangenen Papst Gregor VII. ihre Verwirklichung fand. Ihre Gunst bezeigten die Päpste durch die zahlreichen der Kongregation und den Äbten verliehenen Priviligien und Auszeichnungen, durch welche die letztern den Bischöfen gleichgestellt und dem römischen Stuhl unmittelbar verpflichtet wurden. Allmählich stellte sich, zumal bei zunehmendem Reichtum, Verweltlichung ein, welcher der Abt Pontius (1109–22) Vorschub leistete, während Petrus Venerabilis (1122–56) ihr entgegenwirkte. Spätere Reformversuche scheiterten an der unbezwingbaren Zuchtlosigkeit der Cluniacenser; 1528 geriet der Orden für fast ein Jahrhundert in vollständige Abhängigkeit von der Familie Guise. Richelieus Versuch, 1634 die Cluniacenser mit den Maurinern (s. Benediktiner) in einer Kongregation vom heil. Benedikt zu vereinigen, mißglückte. Reformierte und nichtreformierte Cluniacenser teilten sich, bis 1790 Abtei und Orden aufgehoben wurden. Die Tracht der Cluniacenser war schwarz. Der von den Äbten von C. in Paris erbaute Palast, das Hôtel de C., ward 1833 von Du Sommérard zur Ausstellung seiner Sammlung von mittelalterlichen Kunstgegenständen erworben und ging 1842 mit dieser (Musée de C.) an den Staat über. Vgl. Champly, Histoire de l'abbaye de C. (2. Aufl., Mâcon 1879); Penjon, C., la ville et l'abbaye (2. Aufl., Cluny 1884); Sackur, Die Cluniacenser in ihrer kirchlichen und allgemeingeschichtlichen Wirksamkeit bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts (Halle 1892–94, 2 Bde.); auch die bei »Benediktiner« angeführten Werke.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 198-199.
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