Endemīe

[772] Endemīe (griech., endemische Krankheiten, von endēmos, einheimisch), bezeichnet Volks- oder Landeskrankheiten, die an einem bestimmten Ort häufig vorkommen, daselbst heimisch (endemisch) sind. Es liegen ihnen stets lokale Besonderheiten zu Grunde, die bald in der Beschaffenheit des Bodens, des Wassers und der Luft, bald auf örtlichen Einrichtungen und Lebensgewohnheiten beruhen, bald auch die Folge einer gewissen abnormen Beschaffenheit wichtiger Lebensmittel der Bevölkerung sind. – Im Boden können bestimmte Krankheitsursachen, vor allem Mikroorganismen, zur Entwickelung gelangen. So verhält es sich z. B. bei der Malaria und dem Gelben Fieber. Das Wasser kann Cholera- und Typhusbazillen enthalten. Es treten dann Cholera- oder Typhuserkrankungen unter den Menschen auf, die dasselbe Trinkwasser benutzen. Manche Krankheiten sind dauernd nur in gewissen Gegenden endemisch, so die Cholera im Gebiet zwischen Ganges und Brahmaputra, können sich dann aber von hier aus über andre Erdteile in einzelnen Seuchenzügen ausbreiten und so zur Epidemie (s. d.) werden. Überhaupt ist eine scharfe Trennung von E. und Epidemie nicht durchführbar. Höchst wahrscheinlich treten auch der Kretinismus und Kropf vermöge einer gewissen Bodenbeschaffenheit endemisch auf. Abnorme Beschaffenheit der Maisnahrung ist Ursache des Pellagra in Oberitalien. Die Kriebelkrankheit, die ebenfalls als E. auftritt, beruht auf starker Beimengung von Mutterkorn zum Roggenmehl. Verunreinigungen des Trinkwassers veranlassen an vielen Orten endemische Magen- und Darmkatarrhe. Vgl. Hirsch, Handbuch der historisch-geographischen Pathologie (2. Aufl., Stuttg. 1881–83, 2 Tle.). – Übrigens gebraucht man auch endemisch allgemein für »einheimisch« (von Tieren, Pflanzen etc.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 772.
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