Beruf

[737] Beruf, im allgemeinen die Lebensaufgabe, der man sich gewidmet hat (s. Fachbildung). Im engern Sinn ist B. soviel wie Erwerbstätigkeit. So wird er auch bei den Berufszählungen aufgefaßt, die zur Feststellung des persönlichen Berufs vorgenommen werden. Als freie oder liberale Berufe bezeichnet man diejenigen, die auf einer künstlerischen oder wissenschaftlichen Vorbildung beruhen, und bei denen der Berufstätige sich nicht in abhängiger Stellung als Beamter oder Lohnarbeiter befindet. Der Ausstellung einer genauen Berufsstatistik steht zunächst die Schwierigkeit entgegen, daß nicht selten die gleichen Personen in verschiedenen Erwerbszweigen tätig sind. In Deutschland hat man deshalb bei den Berufszählungen von 1882 und 1895 Haupt- und Nebenberuf unterschieden. Als Erwerbstätige sind nur diejenigen Personen gezählt, deren hauptsächliche Tätigkeit auf Erwerb gerichtet war. Die Bildung der Berufsklassen und die Einreihung in dieselben erfolgt nicht überall in gleicher Weise, so daß die für die verschiedenen Länder ermittelten Zahlen nur annähernd vergleichbar sind. Für die Beurteilung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse ist vor allem von Bedeutung, welcher Teil der Bevölkerung überhaupt erwerbstätig ist, und sodann inwieweit auch das weibliche Geschlecht hierbei beteiligt ist. Über bei des gibt folgende Übersicht in Prozenten Auskunft:

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Der Anteil der einzelnen Berufsabteilungen an der gesamten Erwerbstätigkeit wird in gewisser Weiff Schlüsse auf die wirtschaftliche Entwickelung der Länder zulassen. Von 100 Erwerbstätigen kamen aus folgende Gruppen:

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Um über die soziale Schichtung der Bevölkerung nach der Berufsstellung ein Bild zu gewinnen, hat man drei Hauptklassen zu unterscheiden: Selbständige (Eigentümer, Pachter, Direktoren etc.), Angestellte (nichtleitende Beamte, technisch oder kaufmännisch gebildetes Verwaltungs- u. Aufsichts- sowie Rechnungs- u. Bureaupersonal), Arbeiter (sonstige Gehilfen, Lehrlinge etc., einschließlich der im Gewerbe tätigen Familienangehörigen und Dienenden). Es kamen in Deutschland nach den Berufszählungen von 1882 und 1895 auf 100 Erwerbstätige in den drei Hauptberufsabteilungen:

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Indessen wird die Bedeutung dieser Gliederung erst dadurch vollständig klargestellt, wenn man berücksichtigt, daß unter den Selbständigen die Inhaber von Betrieben kleinsten Umfanges sich ihrer wirtschaftlichen Lage nach von einem erheblichen Teil der Unselbständigen kaum unterscheiden, ja sich in ungünstigern Verhältnissen als viele derselben befinden. Solche kleinste Betriebe hatten aber 1895 in der Landwirtschaft (ohne Forstwirtschaft und Fischerei) 20,83 Proz. (mit weniger als 2 Hektar gesamter Wirtschaftsfläche), in der Industrie unter den Gewerbtreibenden für eigne Rechnung 58,74 Proz. (mit nur einer Person), unter den Gewerbtreibenden für fremde Rechnung (Hausindustriellen) 81,15 Proz., endlich im Handel (gleichfalls mit nur einer tätigen Person im Betriebe) 55,17 Proz. der im genannten B. als Hauptberuf tätigen Selbständigen. Auch die Berücksichtigung des Familienstandes ist für die Berufsstatistik von Bedeutung. Von 190 über 16jährigen Personen der genannten Klassen waren 1895 in Deutschland:

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[737] Unter der erwerbstätigen Bevölkerung überwiegt also durchaus das männliche Geschlecht, während weibliche Personen nur soweit sie ledig und verwitwet, stärker vertreten sind, wenn auch immerhin der Anteil der verheirateten Frauen an der Erwerbstätigkeit ein bedauerlich großer ist. Von Wichtigkeit ist ferner das Lebensalter der erwerbstätigen Bevölkerung. Auf ungesunde Verhältnisse wird es deuten, wenn Personen jugendlichen und hohen Lebensalters in größerm Umfang unter ihr ermittelt werden. Unter den Erwerbstätigen einschließlich Dienstboten waren:

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Weiteres s. Gewerbestatistik. Vgl. Bd. 102–111 der »Statistik des Deutschen Reiches« (1897–99) und Bd. 2–4 (Erhebung von 1882); Rauchberg, Die Berufs- und Gewerbezählung im Deutschen Reich vom 14. Juni 1895 (Berl. 1901); »Österreichische Statistik«, Bd. 33 (Erhebung von 1890, Wien 1894); F. Zahn, B. und Berufsstatistik im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften« (Bd. 2, 2. Aufl., Jena 1899).

Die Berufswahl ist in den Kulturländern im allgemeinen gesetzlich frei; die vorkommenden Beschränkungen und Bedingungen werden durch die Gewerbegesetzgebung bestimmt. Bei ihr sind, abgesehen von Krankheitsanlagen (s. Berufskrankheiten), außer der Neigung mancherlei Zufälligkeiten, der Beruf des Vaters, äußere Verhältnisse, in denen man erzogen wird, dann vor allem die Aussichten entscheidend, die der B. für das Fortkommen zu bieten scheint. Oft fehlt es Eltern und jungen Leuten an genügenden Anhaltspunkten zur Beurteilung der Ansprüche, die durch den B. selbst gestellt werden. Vgl. Lotmar, Die Freiheit der Berufswahl (Leipz. 1898); Dreger, Die Berufswahl im Staatsdienst (7. Aufl., das. 1902); Bünnecke, Der Reichs- und Staatsdienst (das. 1888, 7 Hefte), »Was willst du werden? Die Berufsarten des Mannes in Einzeldarstellungen« (das. 1889 ff.); »Das Buch der Berufe« (Hannov. 1900 ff.); Schriften von Armknecht (2. Aufl., Berl. 1894), Fragstein (3. Aufl., das. 1893), Rudolph (Wittenb. 1893), Möller (8. Aufl., Berl. 1897), Voigt (das. 1901), Elsenhans (Stuttg. 1901), Sommerfeld, Jaffé und Sauer (Hamb. 1902), Jänicke (Leipz. 1902); Eckart, Stand und B. im Volksmund (Götting. 1900). Über die Berufswahl der Frauen s. Frauenfrage.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 737-738.
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