Griesinger

[335] Griesinger, 1) Jakob, genannt Jacobus Allemannus oder Jakob von Ulm, Glasmaler, wurde 1407 in Ulm geboren, ging als Soldat nach Italien, trat um 1440 als Laienbruder in den Dominikanerorden zu Bologna und widmete sich dort der Glasmalerei. Er starb daselbst 1491. Von seinen Glasgemälden hat sich nur ein Fenster in San Petronio zu Bologna erhalten, dessen Stil ein Gemisch aus deutschem und italienischem Realismus ist. Im 19. Jahrh. wurde er selig gesprochen.

2) Wilhelm, Mediziner, geb 29. Juli 1817 in Stuttgart, gest. 26. Okt. 1868 in Berlin, studierte in Tübingen, Zürich und Paris, war 1839–41 Assistenzarzt an der Irrenheilanstalt Winnenthal in Württemberg, machte 1841–42 wissenschaftliche Reisen nach Paris, Belgien und Wien und wurde 1843 Assistenzarzt Wunderlichs an der Tübinger Klinik. Gleichzeitig habilitierte er sich als Privatdozent, wurde 1847 außerordentlicher Professor, 1849 Professor der Poliklinik und Pathologie in Kiel. 1850 ging er als Leibarzt des Vizekönigs Abbas Pascha, Direktor der medizinischen Schule zu Kasr el Ain und Präsident des Conseil de santé für Ägypten nach Kairo, kehrte aber 1852 nach Europa zurück, veröffentlichte pie Resultate seiner Studien über die Krankheiten in Ägypten und ging 1854 als Professor der medizinischen Klinik und Pathologie nach Tübingen, 1860 nach Zürich und 1865 als Professor der Poliklinik und Psychiatrie und dirigierender Arzt an der Charité in den Abteilungen für Gemüts- und Nervenkrankheiten nach Berlin. Griesingers Bedeutung liegt auf dem Gebiet der Geisteskrankheiten, für die er in seiner »Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten« (Stuttg. 1845; 5. Aufl. von Levinstein-Schlegel, Berl. 1892) zum erstenmal eine wirklich wissenschaftliche Darstellung des Gesamtmaterials gab. Er führte das Non-restraint-System durch und machte auch weitgehende Vorschläge für die Reform des Irrenanstalts- und Verpflegungswesens, die einen jahrelangen Streit hervorriefen. Für Virchows »Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie« schrieb er die »Infektionskrankheiten« (2. Aufl., Erlang. 1864), und seit 1867 gab er ein »Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten« (Berl.) heraus. Seine »Gesammelten Abhandlungen« erschienen Berlin 1872, 2 Bde. Vgl. Wunderlich, Wilhelm G., biographische Skizze (Leipz. 1869).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 335.
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