Helvétius

[160] Helvétius (spr. elwēßīüs), Claude Adrien, franz. Philosoph aus der Schule der Enzyklopädisten, geb. 1715 in Paris, gest. daselbst 26. Dez. 1771, war für das Finanzfach bestimmt und erhielt 1738 die einträgliche Stelle eines Generalpächters, die er jedoch bald wieder aufgab, um sich im Umgang mit den ersten Männern seiner Zeit, mit d'Alembert, Diderot, Holbach, zurückgezogen den Wissenschaften zu widmen. 1764 reiste H. nach England und Deutschland und fand besonders am Hofe Friedrichs II. eine ehrenvolle Ausnahme. Später lebte er in Paris. Sein durch Lockes »Versuch über den menschlichen Verstand« angeregtes Hauptwerk: »De l'esprit« (Par. 1758, neue Ausg. 1843 und 1880; deutsch von Gottsched, Leipz. 1759), ward als staats- und religionsgefährlich auf Befehl des Parlaments 1759 verbrannt; ein zweites:[160] »De l'homme, de ses facultés intellectuelles et de son éducation« (Lond. 1773, 2 Bde.; deutsch von Wichmann, Bresl. 1774, und von Lindner, Wien 1877), erschien erst nach seinem Tod. Eine vollständige Ausgabe seiner »Œuvres« erschien Paris 1796, 14 Bde., und das. 1818, 3 Bde. H. ist entschiedener Sensualist und Materialist. Alle Vorstellungen führt er zurück auf den Eindruck äußerer Gegenstände auf unsre Sinne; alle Tätigkeit entspringt aus der angebornen Selbstliebe, dem Streben nach sinnlicher Lust und dem Abscheu vor sinnlicher Unlust. Wer sich selbst so nützt, daß er andern nicht schadet, sondern ihr Wohl vielmehr fördert, ist der wahrhaft gute Mensch. H., von dessen Ansichten eine geistreiche Frau sagte, er habe darin »das Geheimnis aller Welt« ausgeplaudert, war persönlich ein zartfühlender, liebenswürdiger und wohltätiger Mann. Seine schöne und geistreiche Gattin, ein Fräulein de Ligneville, geb. 1719, gest. 12. Aug. 1800, machte nach dem Tod ihres Mannes ihr Haus in Auteuil zum Mittelpunkt eines Kreises von Gelehrten und Künstlern. Vgl. Avezac-Lavigne, Diderot et la société du baron Holbach (Par. 1875); Mostratos, Die Pädagogik des H. (Berl. 1891); Rose, Das Verhältnis des H. zu Larochefoucault (Lahr 1891); Guillois, 1, e salon de madame H. (Par. 1894); Plechanow, Beiträge zur Geschichte des Materialismus (Stuttg. 1896); Arnd, Das ethische System des H. (Kiel 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 160-161.
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