[905] Ion (spr. i-on), 1) mythischer Ahnherr der Ionier, nach der in Euripides' Tragödie »Ion« vorliegenden Sage Sohn des Apollon und der Krëusa, Tochter des Erechtheus, ward von der Mutter ausgesetzt, durch Apollon nach Delphi gebracht und hier von der Pythia erzogen. Als Krëusa und ihr späterer Gemahl Xuthos das Orakel um ihre Kinderlosigkeit befragten, erhielten sie den Bescheid, der erste, der ihnen beim Austritt aus dem Tempel begegne, solle ihr Sohn sein. So wird I. von Xuthos als Sohn angenommen; allein Krëusa, in ihm die Frucht einer frühern Liebe des Xuthos vermutend, will ihn vergiften. Entdeckt, flüchtet sie an den Altar des Gottes, von wo sie I. wegreißen und töten will, bis Pythia die Erkennung von Mutter und Sohn herbeiführt. Nach anderer Sage ist I. Sohn der Krëusa und des Xuthos (s. d.) und wird, mit diesem aus Athen vertrieben, König der Ägialeer, an der Nordküste des Peloponnes, die sich nach ihm Ionier nannten. Dann von den Athenern gegen Eleusis zu Hilfe gerufen, besiegt er den Eumolpos und wird König von Attika, das er in vier nach seinen Söhnen Geleon, Aigikores, Argades und Hoples benannte Phylen teilte.
2) Griech. Schriftsteller des 5. Jahrh. v. Chr., aus Chios, verfaßte historische Schriften, lyrische Dichtungen und Tragödien. 452 errang er einen dramatischen Sieg in Athen, wo er 422 starb. Die Bruchstücke seiner Schriften sind gesammelt in Müllers »Fragmenta historicorum graecorum«, Bergks »Poetae lyrici graeci« und in Naucks »Tragicorum graecorum fragmenta«.