[402] Tempel (v. lat. templum), bei den Völkern des Altertums ein der Gottheit geweihter Bezirk, dann das daraufstehende Gebäude, zur Aufnahme der Götterbilder, des Altars und der Priester, aber nur selten des Volkes bestimmt. Im Innern des eigentlichen Tempelhauses (cella) stand das Bild der Gottheit, welcher der T. gewidmet war, auf einem Postament an der dem Eingang gegenüberliegenden Mauer, vor ihm ein entweder runder oder viereckiger Opfer- und Betaltar. Die Decke bestand anfangs stets aus Holz und war gewöhnlich flach, später sattelförmig. Der Fußboden war anfangs aus Steinplatten, später aus Mosaik hergestellt. Die Säulen des Portikus schmückte man oft mit erbeuteten feindlichen Schilden. Um die griechischen T. liefen in der Regel ringsherum Stufen. Der dadurch geschaffene Stufenunterbau hieß Krepidoma. Der Platz um den T., soweit er der Gottheit geweiht war, hieß Peribolos. Mit einer Mauer umgeben, enthielt er Altäre, Statuen, Monumente aller Art. Über die T. der alten Ägypters. Architektur, S. 708, und über die der Inder s. Indische Kunst. Die Hebräer besaßen nur einen einzigen T., den berühmten T. zu Jerusalem, ihr Nationalheiligtum. Der erste T. (Salomonischer T.), von Salomo seit etwa 990 v. Chr. auf dem Berge Moria mit Hilfe phönikischer Meister des Königs Hiram von Tyrus errichtet, war ein steinernes Gebäude von 60 Ellen Länge, 20 Ellen Breite und 30 Ellen Höhe, an drei Seiten mit Seitenzimmern in drei Stockwerken umgeben, die zur Bewahrung der Schätze und Gerätschaften des Tempels dienten, an der vordern Seite aber mit einer 10 Ellen breiten Vorhalle geziert (Elam), die von zwei ehernen Säulen, Jachin und Boas (»Festigkeit und Stärke«), getragen wurde. Das mit Zedernholz bekleidete und mit reichverziertem Goldblech überzogene Innere enthielt einen 40 Ellen langen Hauptraum, das Heilige (Hekal), worin die goldenen Leuchter, der Schaubrottisch und der Räucheraltar standen, und einen davon geschiedenen Hinterraum von 20 Ellen Länge, das Allerheiligste, mit der Bundeslade. Das Allerheiligste (Debir) war nur dem Hohenpriester, das Heilige nur den Priestern zugänglich. Das Tempelgebäude war von einem innern Vorhof der Priester mit dem Brandopferaltar, dem auf zwölf Stiergestalten ruhenden Reinigungsbecken (»ehernes Meer«) und andern Gerätschaften umgeben. und dieser durch Säulengänge mit ehernen Toren von dem für das Volk bestimmten und von einer Mauer umschlossenen äußern Vorhof geschieden. Nachdem er 586 durch Nebukadnezar zerstört worden war, erhob sich an seiner Stelle nach der Rückkehr der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft der zweite, nach Serubabel genannte T., der wahrscheinlich wie auf der Stätte, so auch nach dem Plane des ersten errichtet[402] und 516 vollendet wurde, diesem aber an Größe und Pracht nachstand. Durch Antiochos Epiphanes 169 entweiht, ward er von Judas Makkabäus wiederhergestellt und befestigt. Unter Herodes d. Gr. begann seit 21 v. Chr. eine gänzliche Umgestaltung des Tempels im griechischen Stil (daher Herodianischer T.). Dieser Tempelbau war nach Josephus eine Stadie lang und eine Stadie breit. Im jüdisch-römischen Krieg, 70 n. Chr., war der T. die letzte Schutzwehr der Juden. Seit dem 7. Jahrh. n. Chr. steht auf der Tempelstätte der prachtvolle mohammedanische »Felsendom« (Kubbet-es-Sachrâ). Die Aufzeichnungen über den Salomonischen Tempelbau finden sich, außer einzelnen Notizen bei Jeremias 52 und im 2. Buch der Könige 25, im 1. Buch der Könige, Kap. 57, und 2. Chron., Kap. 24. Vgl. de Vogüé, Le temple de Jerusalem (Par. 1864, Prachtwerk); Chipiez und Perrot, Le temple de Jérusalem et la Maison du Bois-Liban restitués (das. 1889); Prestel, Die Baugeschichte des jüdischen Heiligtums und der T. Salomons (Stuttg. 1902); Caldecott, Salomon's temple, its history and its structure (Lond. 1907).
Die höchste künstlerische Ausbildung erfuhr der Tempelbau durch die Griechen (vgl. Architektur, S. 710). Man unterschied die einzelnen Gattungen der T. entweder nach der Anordnung der Säulenstellungen vor und hinter der Tempelfronte oder an den Seiten des Tempels oder nach der Zahl der Säulen an der Tempelfronte.
Die erstere Einteilung ist die geläufigere. Man unterschied demnach: 1) T. in antis (Antentempel), bei denen zwischen den über den Haupteingang zur Cella vorgeschobenen Seitenmauern (antae) des Tempels zwei Säulen standen. Die dadurch gewonnene Vorhalle hieß Pronaos. Um die Cella auch von hinten zugänglich zu machen, wurde die Rückseite des Tempels später mit einer gleichen Anlage (Opisthodomos, Hinterhaus) versehen (Fig. 1). 2) Prostylos hieß der T., wenn die Stirnseiten der Seitenmauern bis zur Eingangstür der Cella zurücktraten und die Vorhalle des Tempels allein durch Säulen getragen wurde (Fig. 2). 3) Der Amphiprostylos entsteht, wenn diese Säulenstellung sich am Hinterhaus des Tempels wiederholt (Fig. 3). 4) Der Peripteros ist die Erweiterung des Amphiprostylos durch eine Säulenhalle, die um alle vier Seiten des Tempels als freier Umgang herumgeführt wird. Es ist die edelste Form des griechischen Tempelbaues, deren klassisches Beispiel der Parthenon ist (Fig. 4). Eine römische Abart ist der Pseudoperipteros, bei dem die Säulen in Form von Halbsäulen und Pilastern den Seitenwänden angefügt waren und das Gebälk trugen, im wesentlichen also nur einen dekorativen Zweck hatten. 5) Der Dipteros entsteht, wenn um den T. eine doppelte Säulenstellung herumgeführt wird, also an der Vorder- und Rückseite vier Reihen von Säulen stehen (Fig. 5). Der Pseudodipteros (Fig. 6) unterscheidet sich von dem Dipteros dadurch, daß die innere Säulenstellung fehlt, aber der Zwischenraum zwischen der äußern Säulenstellung und der Cellawand der gleiche geblieben ist. Je nach der (immer geraden) Zahl der Säulen an der Vorderseite unterscheidet man: Naos (T.) tetra-, hexa-, okta-, deka- und dodekastylos (d. h. 4-, 6-, 8-, 10- und 12säulige T.). Eine besondere Abart der T. waren die Rundtempel, die entweder aus einer von Säulen umgebenen runden Cella oder einfach aus einem überdachten Säulenkreise (Monopteros) bestanden. Nach dem Abstande der Säulen voneinander (Interkolumnien, s. d.) bezeichnete man einen T. als Pyknostylos (dichtsäulig), Systylos (nahesäulig), Eustylos (schönsäulig), Diastylos (weitsäulig), Aräostylos (fernsäulig). Vgl. Literatur bei »Architektur«.
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