Kolonialtruppen

[290] Kolonialtruppen, dauernd im Interesse von Kolonien verwendete und dort ständig garnisonierende Truppen. Ihre Organisation hängt von Größe, Lage, politischer und wirtschaftlicher Bedeutung etc. der betreffenden Kolonie wie auch des Mutterlandes ab. In der Geschichte der K. zeigt sich überall das Bestreben, die Hilfsmittel der Kolonien selbst, insbes. das Menschenmaterial, für die K. nutzbar zu machen, sowie die bei allen kolonisierenden Mächten wiederkehrende Tatsache, daß die K. meist im Verhältnis zur Ausdehnung der Kolonien sehr schwach sind und daher vielfach in kritischen Zeiten nicht genügen. Der Grund mag vor allem in der Kostspieligkeit der K. liegen. Über die deutschen K. s. Deutschland, S. 794 (ostasiatische Besatzungsbrigade), Kolonialrecht (S. 288), Kolonien (S. 299) und Schutztruppen; über die französischen s. Frankreich, S. 867. Was England betrifft, so sind, abgesehen vom englisch-ostindischen [290] Heer (s. Ostindien), betreffs der Organisation der K. dreierlei Kolonien zu unterscheiden (vgl. Großbritannien, S. 387 f.): Kronkolonien, die vollkommen zum Mutterlande rechnen, Kolonien mit Volksvertretung, aber ohne eine dieser verantwortliche Regierung, und Kolonien mit eigner Regierung und Volksvertretung. Letztere beiden müssen für alles, was ihnen das Mutterland zu Militärzwecken liefert, einen bestimmten Beitrag zahlen und ihre Truppen mit Unterstützung des Mutterlandes aufstellen und erhalten. Letzteres stellt nur für die wichtigsten Plätze in diesen Kolonien schwache Besatzungen aus Infanterie, Artillerie und Pionieren, die dem Kolonialkorps (s. d.) oder den für den auswärtigen Dienst kommandierten Truppenteilen des stehenden Heeres entnommen werden. Die in einem Kriege wichtigsten Punkte weisen hierbei natürlich die stärksten Besatzungen auf, wie Gibraltar mit 5000, Malta mit 8000, Hongkong mit 3500 Mann etc. Im übrigen ist die Zusammensetzung der K. der englischen Kolonien, den äußerst verschiedenartigen Verhältnissen entsprechend, auch eine ganz verschiedene. Zu erwähnen sind noch die K. der Niederlande und der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Die niederländisch-ostindische Armee ist von der heimischen ganz unabhängig und besteht aus geworbenen Europäern und Eingebornen von Celebes, Amboina, Madura und Java; Weiteres s. Niederlande. Die Vereinigten Staaten haben ein provisorisches Infanterieregiment (2 Bataillone zu 4 Kompanien) auf Puerto Rico und eine Truppenmacht von rund 60,000 Mann (darunter 5000 Eingeborne) auf den Philippinen sowie schwache Postierungen in China und Alaska und auf den Hawaï-Inseln. Vgl. W. v. Bremen, Die K. und Kolonialarmeen der Hauptmächte Europas, ihre geschichtliche Entwickelung und ihr gegenwärtiger Zustand (Bielef. 1902); Schwabe, Dienst und Kriegführung in den Kolonien etc. (Berl. 1903); »Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine«, Bd. 118, S. 127 (das. 1901); v. Loebells »Jahresbericht« (das., jährlich); Montanaro, Winke für Expeditionen im afrikanischen Busch (a. d. Engl. von Glaunig, das. 1905); Ditte, Observations sur la guerre dans les colonies (Par. 1905); Ferradini, Essai sur la défense des colonies (das. 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 290-291.
Lizenz:
Faksimiles:
290 | 291
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika